# taz.de -- Geflüchtete in Litauen: Prügel am Zaun | |
> Mit Gewalt und Pushbacks reagiert Litauen auf den Zustrom irakischer | |
> Aslysuchender von Belarus aus. Das löst im Land Kritik aus. | |
Bild: Instrumentalisiert: Geflüchtete in einem Lager in Rudninkai, Litauen | |
STOCKHOLM/KIEW taz | Gegen internationales Recht verstoßende Pushbacks an | |
der litauisch-belarussischen Grenze, Sondergesetze, die weder mit der | |
eigenen Verfassung noch mit dem Völkerrecht vereinbar sind und das | |
Asylrecht teilweise aushebeln oder sinnlose Aktionen wie der Bau eines | |
mehrere hundert Kilometer langen Stacheldrahtzauns, mit dem man anscheinend | |
Handlungskraft demonstrieren will: In Litauen wächst die Kritik am Umgang | |
der rechten Regierung in Vilnius mit der [1][offenbar von Belarus’ | |
Machthaber Alexander Lukaschenko orchestrierten Fluchtbewegung]. Mehrere | |
tausend meist irakische Asylsuchende sind mittlerweile über Belarus nach | |
Litauen gekommen. | |
Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass die in Litauen ohnehin | |
weitverbreitete Skepsis gegen MigrantInnen noch gesteigert wird und dass | |
rassistischen Kräften in die Hände gespielt wird. Auch viele | |
OppositionspolitikerInnen wie der sozialdemokratische Parlamentsabgeordnete | |
Juozas Olekas kritisieren eine regelrechte „Kriegsrethorik“: Natürlich gebe | |
es angesichts dieser Flüchtlingsbewegung nun einige Probleme, „aber die | |
haben südliche EU-Länder seit Jahren“ und die Situation im Lande sei | |
„absolut nicht außer Kontrolle“. | |
Belarussische Onlineportale sind voller Videos, die Opfer der | |
Gewaltanwendung litauischer Grenzpolizisten zeigen sollen. So berichtet ein | |
Beitrag des Ersten Belarussischen Fernsehens von Flüchtlingen, die kurz | |
nach ihrer Ankunft in Litauen von Personen in Kampfuniformen misshandelt | |
worden seien. Unter den Opfern sei auch eine schwangere Frau. Ein | |
tolerantes und demokratisches Europa hätte man sich anders vorgestellt, | |
zitiert der Beitrag Flüchtlinge, die von Litauen wieder nach Belarus | |
zurückgeschickt worden sind. | |
Ein Flüchtling berichtet, er sei von Litauern mit einer Pistole bedroht | |
worden, einer Frau habe man Finger gebrochen. Sehr entwürdigend sei die | |
gewaltsame Zurückschiebung aus Litauen gewesen. Auch Anton Bytschkowski von | |
den belarussischen Grenzbehörden berichtet von Misshandlungen von | |
Flüchtlingen bei Verhören in Litauen. Einige Videos auf belarussischen | |
Portalen zeigen Verletzungen mehrerer Flüchtlinge. | |
## „Mentale und physische Gewalt“ | |
Litauens Behandlung der Asylsuchenden sei „schwerlich“ mit der Europäischen | |
Menschenrechtskonvention zu vereinbaren, warnt Tomas Vytautas Raskevičius, | |
Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des litauischen Parlaments: „Wir | |
bewegen uns da auf dünnem Eis.“ | |
Eglė Samuchovaitė vom litauischen Roten Kreuz hält gewaltsame Pushbacks | |
oder die Versuche der Innenministerin Agnė Bilotaitė, mit der Anordnung | |
„mentaler und physischer Gewalt“ Asylsuchende am Überschreiten der Grenze | |
zu hindern, für nicht akzeptabel. Und sie erinnert: Ein Drittel der | |
Flüchtlinge seien Frauen und ein Viertel Kinder. | |
Die teilweise gewaltsamen Proteste gegen Auffanglager und die | |
Demonstrationen gegen Flüchtlinge hätten sich die Regierenden selbst | |
zuzuschreiben, weil sie sich seit Jahren weigerten, über den Rassismus im | |
Lande auch nur zu sprechen, sagt Jūratė Juškaitė, die Leiterin des | |
Litauischen Zentrums für Menschenrechte. Dabei sei der Handlungsbedarf seit | |
Jahren klar gewesen. | |
9 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
Bernhard Clasen | |
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