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# taz.de -- Geflüchtete in Belarus: Akt der Verzweiflung
> Belarussische Einsatzkräfte eskortieren Geflüchtete an die polnische
> Grenze. Ihr Versuch, nach Polen zu kommen, scheitert.
Bild: Auf belarussischer Seite der Grenze zu Polen am 8.11
Warschau/Berlin taz | Eskalation an der polnisch-belarussischen Grenze:
Hunderte, wenn nicht Tausende Migrant*innen versuchen am Montag, den
Stacheldrahtzaun [1][zwischen den Grenzorten Bruzhi in Belarus und Kuźnica
in Polen] zu durchbrechen. Die wütenden Flüchtlinge versuchen nun zu
Hunderten, die Grenze zu stürmen. Mit Bolzenschneidern zerstören Männer in
grünen Parkas den Stacheldrahtzaun.
Auf der anderen Zaunseite stehen polnische Soldaten und sprühen den
Flüchtlingen aus nächster Nähe Tränengas in die Augen. Ein paar Meter weit
fallen gerade gefällte Bäume mit Wucht auf den Drahtzaun und öffnen so für
einen Moment einen Pfad zum Durchbrechen. Doch sofort sind wieder Dutzende
polnische Soldaten zur Stelle, die die Flüchtlinge zurückdrängen.
Da es sich um staatliche Aufnahmen handelt – im Einsatz sind auch
Aufklärungsdrohnen, die im polnischen Staatsfernsehen gezeigt werden, ist
keine direkte Gewaltanwendung zu sehen. Gezeigt werden sie insbesondere im
Privatsender TVN24, aber auch verwackelte Handybilder sind im Internet zu
finden, die Einheimische aufgenommen haben.
Der große Durchbruch sei aber, so der polnische Verteidigungsminister
Mariusz Błaszczak, abgewehrt worden. Mittlerweile stünden an der Grenze zu
Belarus 12.000 Soldaten, diese seien in Alarmbereitschaft versetzt worden.
## Auf der Schnellstraße
Bereits am Morgen waren in den sozialen Netzwerken mehrere Videos
aufgetaucht. Darauf waren schätzungsweise über 1.000 Migrant*innen zu
sehen, die, eskortiert von bewaffneten belarussischen Einsatzkräften in
Uniform, mit Taschen und Rücksäcken eine Schnellstraße entlanglaufen. Am
Straßenrand sind Schilder mit Aufschriften in belarussischer Sprache zu
sehen.
Belarus wolle einen Präzedenzfall schaffen, am liebsten mit Schüssen und
Verletzten, sagte Polens Vizeaußenminister Piotr Wawrzyk am Montag dem
polnischen Staatsrundfunk. Auf Twitter meldete sich auch der polnische
Innenminister Mariusz Kaminski zu Wort. Die Verteidigung der polnischen
Grenze habe höchste Priorität, sagte er.
Demgegenüber teilte die belarussische staatliche Grenzbehörde mit, die
Geflüchteten seien aus lauter Hoffnungslosigkeit zu dem versuchten
Durchbruch gezwungen gewesen.
Diese Aussage ist an Zynismus nicht zu überbieten. Seit Monaten lässt der
belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko Tausende Migrant*innen
gezielt nach Belarus einreisen, um sie an die Grenze zu Litauen und Polen
bringen zu lassen – oft genug in Militärfahrzeugen, wo ihnen dann der Weg
über die Grenze in die EU gezeigt wird.
## Perfides Spiel
Dieses perfide Spiel auf dem Rücken hilfloser Menschen ist eine gezielte
Racheaktion Lukaschenkos für die Sanktionen, die Brüssel wegen massiver
Menschenrechtsverletzungen gegen Minsk verhängt hatte. Unbestätigten
Angaben zufolge soll die Anzahl von Flügen aus Syrien, der Türkei, Irak und
Dubai nach Minsk in den kommenden Tagen auf 40 pro Woche erhöht werden.
Zudem soll geplant sein, zusätzliche Kapazitäten an fünf weiteren
belarussischen Flughäfen zu schaffen – darunter in Grodno direkt an der
Grenze zu Polen.
Unterdessen erwägt auch das litauische Innenministerium, im litauischen
Grenzgebiet zu Belarus den Ausnahmezustand zu verhängen. Das meldete die
baltische Informationsagentur BNS am Montag. Zusätzliche Streitkräfte seien
bereits an die Grenze verlegt worden, teilte Innenministerin Agnė Bilotaitė
am Montag mit. Erst kürzlich hatte [2][Litauen mit dem Bau einer Mauer an
der Grenze zum Nachbarland] begonnen.
8 Nov 2021
## LINKS
[1] /Migration-ueber-Belarus-nach-Deutschland/!5804694
[2] /Gefluechtete-in-Litauen/!5788059
## AUTOREN
Gabriele Lesser
Barbara Oertel
## TAGS
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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Polen
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Belarus
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