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# taz.de -- Geflüchte an der EU-Außengrenze: Neue Sanktionen gegen Belarus
> Brüssel will wegen der Flüchtlingspolitik des Minsker Regimes
> Strafmaßnahmen verhängen. Ob es Hilfe für die Migranten geben wird?
> Offen.
Bild: Polnische Sicherheitskräfte beleuchten den Grenzübergang nahe dem Ort K…
Brüssel/Berlin taz | Die Europäische Union hat Belarus in scharfen Worten
für [1][die Flüchtlingskrise an der Grenze zu Polen] verantwortlich gemacht
und neue Sanktionen angekündigt. Machthaber Alexander Lukaschenko habe ein
„Gangster-Regime“ errichtet und versuche, Polen und die EU mit „hybriden
Drohungen“ einzuschüchtern, sagte der Sprecher des Außenbeauftragten Josep
Borrell am Dienstag in Brüssel.
Auf Fragen nach der humanitären Krise der Migrant:innen und nach
Möglichkeiten zur Lösung der Krise reagierte die EU jedoch ausweichend.
„Wir sind nicht vor Ort“, sagte ein Vertreter der EU-Kommission. Polen hat
es bisher abgelehnt, die Grenzschutzbehörde Frontex oder europäische
Asylexperten in das Krisengebiet zu schicken. Die EU sei auf Wunsch jedoch
bereit zu helfen, so der Beamte.
Auch gegen die Ankunft von Flüchtlingen aus Irak, Syrien und vielen anderen
Ländern kann [2][die EU] nicht viel tun. Borrell und Kommissionsvize
Margaritis Schinas wollen nun in die Herkunftsländer reisen, um das Ende
der aus EU-Sicht unerwünschten Flüge nach Belarus zu fordern. Doch selbst
befreundete Länder wie die Türkei oder Irak zeigen bisher wenig Neigung,
dem Drängen aus Brüssel zu folgen.
In ihrer Not verlegen sich die Europäer auf neue Sanktionen. Die 27
Mitgliedstaaten beschlossen, die Visa-Vergabe an Verantwortliche des
Lukaschenko-Regimes deutlich zu erschweren. Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen kündigte weitere Strafen an. Ihre Behörde arbeite daran,
Fluggesellschaften zu sanktionieren, die am Transport von Migrant:innen
beteiligt seien, sagte von der Leyen.
## Landeverbot in der EU
Schützenhilfe bekam die CDU-Politikerin von ihren Parteifreunden aus dem
Europaparlament. „Es ist vollkommen inakzeptabel, dass sich große
staatliche Airlines aus der Nachbarschaft der EU zum Handlanger
Lukaschenkos machen lassen“, sagte der Chef der CDU-Gruppe, Daniel Caspary.
Nötig sei ein Landeverbot in der EU für alle beteiligten Airlines.
Eine ähnliche Forderung kommt auch von der Unionsfraktion im Deutschen
Bundestag. Am Donnerstag will sie ihren Antrag im Parlament einbringen –
und damit wohl vor allem den Druck auf die Ampelparteien aufbauen, die
voraussichtlich die nächsten vier Jahre regieren werden.
Die scheidende Bundesregierung hat zwar erst am Montag mit Blick auf die
Situation an der polnisch-belarussischen Grenze versichert, sich um alle
Belange zu kümmern, die „keinen Aufschub dulden“. Sie werde aber „keine
neuen Impulse“ setzen, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit.
„Die deutsche Öffentlichkeit hat Anspruch darauf zu erfahren, welche
Meinung die zukünftige Regierung denn zu diesem Thema hat“, beeilte sich
CDU-Politiker Friedrich Merz am Dienstag zu fordern. Was Merz, der
CDU-Parteichef werden könnte, vor allem interessieren dürfte: Wie sich die
Ampel-Parteien zur möglichen Aufnahme der betroffenen Geflüchteten
verhalten.
## „Germany Germany“-Rufe
Die geschäftsführende Bundesregierung jedenfalls drückt sich um die Frage,
ob sie den im Grenzstreifen zwischen Polen und Belarus feststeckenden
Menschen – die ihre Bitte um Einreise nach Deutschland durch „Germany
Germany“-Rufe kundgetan haben – helfen möchte. Noch-Innenminister Horst
Seehofer (CSU) verlor am Dienstag kein Wort über deren Schicksal.
Stattdessen kritisierte Seehofer Lukaschenkos Versuche, „die EU und ganz
besonders Deutschland zu destabilisieren“ als „ganz fiese Methode, die man
auf jedem Fall unterbinden muss“.
Auch Regierungssprecher Stefan Seibert äußerte sich am Montag nicht zu den
betroffenen Geflüchteten. Wie am Dienstag bekannt wurde, hat die
Bundesregierung Warschau deutsche Polizisten zur Grenzsicherung angeboten.
Pro Asyl kritisiert, dass der Grenzschutz wieder einmal im Mittelpunkt
stehe.
Wie sich die mögliche neue Bundesregierung in dieser Frage verhalten wird,
ist unklar. Für SPD, Grüne und FDP kommt der Streit mit Belarus jedenfalls
äußert ungelegen. Deren Fachpolitiker:innen sitzen derzeit in den
Arbeitsgruppen, die bis Mittwochabend den Koalitionsvertrag vorbereiten
sollen. Über die Inhalte haben sie Stillschweigen vereinbart.
Entsprechend allgemein fallen auch die Antworten aus, wie man dem Konflikt
begegnen solle. So begrüßte die grüne Migrationsexpertin Filiz Polat
gegenüber der taz Sanktionen gegen Lukaschenko und forderte, dass alle
EU-Staaten „zu jeder Zeit den völker- und europarechtlich garantierten
Zugang zu einem Asylverfahren in der EU gewährleisten“ müssen.
Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Politiker Lars Castellucci und verlangte,
dass die europäische Grenzschutzagentur Frontex „sofort Zugang zum
polnischen Grenzgebiet“ bekommen müsse. Ob sie jedoch dafür sind, Menschen
in Deutschland aufzunehmen, ließen beide offen. Die FDP fand keine Zeit,
die taz-Anfrage zu beantworten.
9 Nov 2021
## LINKS
[1] /Gefluechtete-in-Belarus/!5813517
[2] /EU-Aussengrenze-zu-Belarus/!5808571
## AUTOREN
Eric Bonse
Ralf Pauli
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