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# taz.de -- EU-Außengrenze zu Belarus: Geflüchtete als „hybride Bedrohung“
> Die EU-Außenminister verschärfen ihre Sanktionen gegen Lukaschenko. Diese
> zeigen erste Wirkung: So wurden bereits einige Flüge nach Minsk
> gestrichen.
Bild: Migrant:innen an dem Grenzübergang Bruzgi-Kuźnica: Dieser ist seit verg…
Brüssel taz | Im Flüchtlingsstreit mit Belarus hat die EU neue Sanktionen
auf den Weg gebracht. Die 27 Außenminister beschlossen am Montag in Brüssel
einen neuen Rechtsrahmen, der speziell auf das „Einschleppen“ von Migranten
und Flüchtlingen in die EU ausgerichtet ist. Es ist bereits der fünfte
Sanktionsbeschluss gegen das Regime des „letzten europäischen Diktators“
Alexander Lukaschenko.
Unter dem neuen „Sanktionsregime“ sollen dann in einem zweiten Schritt
Einzelpersonen und Unternehmen bestraft werden, die dem Lukaschenko-Regime
helfen, Menschen nach Polen oder in das Baltikum zu schleusen. Im Visier
hat die EU derzeit vor allem die belarussische Airline Belavia und
Reisebüros, die Migranten aus dem Irak, Syrien und vielen anderen Ländern
nach Belarus verfrachtet haben.
Der neue Rechtsrahmen geht auf einen Vorstoß von Außenminister Heiko Maas
zurück. Der SPD-Politiker kündigte an, dass der Kurs gegen Belarus noch
weiter verschärft werden solle. „Wir sind noch lange nicht am Ende der
Sanktionsspirale angelangt.“ Maas forderte Fluggesellschaften dazu auf,
Flüge nach Minsk einzuschränken, um Sanktionen zu vermeiden.
Die Aufforderung hat bereits erste Wirkung gezeigt. So hat Turkish Airlines
die Ausreise nach Belarus für Menschen aus Syrien, Irak und Jemen verboten.
Die türkische Fluggesellschaft und der Flughafen Istanbul waren oft für
Flüge nach Minsk genutzt worden, nachdem Lukaschenko die Grenze zur EU für
offen erklärt hatte. Auch die private syrische Fluggesellschaft Cham Wings
will ihre Flüge einstellen.
Die Drohung mit Sanktionen scheint auch Lukaschenko zu beeindrucken. Noch
am Wochenende hatte er damit gedroht, die Gaslieferungen nach Europa zu
kappen, wenn die EU neue Sanktionen beschließen sollte. Am Montag war davon
keine Rede mehr. Stattdessen erklärte der belarussische Präsident, er wolle
sich um die Rückführung der Flüchtlinge bemühen, die an der Grenze zu Polen
ausharren.
Allerdings betonte er sogleich, dass die meisten Migranten nicht zu einer
Rückkehr in ihre Heimat bereit seien. „Diese Leute sind sehr stur, muss ich
sagen. Keiner will zurückkehren. Und das ist auch verständlich: Sie haben
nichts, wohin sie zurück können.“ Die staatliche Airline Belavia kündigte
an, dass sie künftig keine Passagiere mehr befördern wolle, die über Dubai
nach Minsk kommen.
In Brüssel wurde dies als Zeichen gewertet, dass die Sanktionen wirken.
Allerdings war beim Außenminister-Treffen noch keine Rede von Entspannung.
So hat Polen seine Gangart verschärft und rund 20.000 Soldaten an der
Grenze zu Belarus stationiert, um die unerwünschten Flüchtlinge
„abzuwehren“. Die Regierung in Warschau erwägt auch, eine Sondersitzung der
Nato einzuberufen.
Maas stärkte der nationalistischen PiS-Regierung in Warschau demonstrativ
den Rücken. Belarussische Soldaten versuchten, „den Flüchtlingen und
Migranten den Weg frei zu schlagen sozusagen“, sagte er. Auf polnischer
Seite gebe es aber genug Besonnenheit, „sich nicht in eine gewaltsame
Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen“.
Polen verdiene „unsere ganze Solidarität“. Schmerzlich vermissen lässt die
EU dagegen die Solidarität mit den Migranten, die seit Tagen bei
Temperaturen um den Gefrierpunkt an der Grenze ausharren. Die
EU-Außenminister sprechen von einer „hybriden Bedrohung“, die von diesen
Menschen ausgehe, nachdem sie sich von Lukaschenko „in die Falle“ hätten
locken lassen. Dies kommt auch in einer neuen EU-Strategie zum Ausdruck.
Im sogenannten „Strategischen Kompass“, der die Grundlage für die künftige
EU-Außenpolitik sein soll, ist mehrfach von „hybriden Bedrohungen“ die
Rede. Neben Flüchtlingen sind damit laut dem Dokument auch „Desinformation
und Cyberattacken“ gemeint. Dagegen wolle man sich besser wappnen, hieß es
beim Treffen der Außenminister in Brüssel. Mit Beschlüssen wird aber erst
im März gerechnet. Sechs Jahre nach der großen Flüchtlingsbewegung 2015
macht Europa die Schotten dicht – mit Soldaten und Sanktionen.
15 Nov 2021
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Belarus
Polen
Europäische Union
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Lesestück Recherche und Reportage
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