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# taz.de -- Umgang mit Asylsuchenden in Litauen: „Regierung verletzt Menschen…
> Organisationen sind wegen der Verschärfungen des Migrationsrechts
> alarmiert. Asylsuchende in Litauen würden teils „faktisch inhaftiert“.
Bild: Flüchtlinge im Lager auf dem Truppenübungsplatz Rudninkai
Stockholm taz | „Alarmiert von jüngsten Entwicklungen in Gesetzgebung und
Praxis“ zeigt sich der Europäische Flüchtlingsrat ECRE [1][in einer am
Freitag veröffentlichten Analyse] über die Behandlung von Asylsuchenden in
Litauen. Die im Juli und August von Vilnius vorgenommenen Ergänzungen des
Ausländergesetzes hätten zu „signifikanten Änderungen im Asylsystem
geführt“, erklärt die paneuropäische Organisation, der 103 NGOs wie Amnesty
International, das Rote Kreuz und Pro Asyl angehören.
Einige dieser Änderungen „stehen im Widerspruch zu Litauens Verpflichtungen
aus dem internationalem Recht und dem EU-Recht“. Andere hätten „eine
Situation geschaffen, die geeignet ist, das Asylrecht und den Grundsatz der
Nichtzurückweisung zu verletzen und die Fairness und Effizienz des
Asylverfahrens zu untergraben“. Das Land hat seit Wochen mit einem
verstärkten Andrang von Asylsuchenden zu kämpfen, die über die Grenze zu
Belarus ins Land kommen.
Konkret bezieht sich die Organisation auf Verschärfungen des litauischen
Ausländerrechts, wonach beispielsweise Asylgesuche von Menschen, die nicht
über amtliche Grenzübergänge ins Land gekommen sind, überhaupt nicht
berücksichtigt werden müssen und diese gleich abgeschoben werden können. In
der Kritik steht auch die Möglichkeit, Asylsuchende für sechs Monate ohne
Einschaltung einer juristischen Instanz de facto zu inhaftieren. Zudem
würden Asylgesuche nur in einem pauschalen Schnellverfahren geprüft, bei
dem es kein Recht auf Rechtshilfe, Rechtsmittel oder Dolmetscher gebe und
bei dem schon vor einer endgültigen Entscheidung abgeschoben werden dürfe.
Die Analyse von ECRE ist nur eine in einer ganzen Reihe von Stellungnahmen
internationaler Organisationen und Gremien, die den Umgang Litauens mit den
über Belarus ins Land gekommenen Asylsuchenden in Frage stellen. Bereits im
August hatte Dunja Mijatović, die Menschenrechtskommissarin des Europarats,
die litauische Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė [2][zur „Einhaltung der
Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer
Flüchtlingskonvention“ aufgefordert].
## Mehrere Hundert Menschen auf matschigem Gelände
Sie kritisierte ähnlich wie nun ECRE, dass Asylsuchende in Litauen
teilweise „faktisch inhaftiert“ würden und von der Regierung „wesentliche
Garantien“ für eine ordnungsgemäße Durchführung eines Asylverfahrens
aufgehoben worden seien. Durch solchen Verzicht auf rechtsstaatliche
Standards und die von Litauen [3][praktizierten summarischen
Pushback-Aktionen] könnten vor allem „schutzbedürftige Personen wie
unbegleitete Minderjährige, Folteropfer oder Opfer von Menschenhandel“
gefährdet sein und nicht den ihnen zustehenden Schutz erhalten.
„Die Regierung verletzt die Menschenrechte“ beklagt auch eine am Donnerstag
[4][veröffentlichte Petition] von 20 litauischen NGOs, darunter die
Organisation für LGBT-Rechte IGL und die Menschenrechtsinstitute HRMI und
LHRC. Mit ihrem Vorgehen würde die Regierung „Migranten dämonisieren und
Menschenrechtsverletzungen rechtfertigen“. Der systematische Gebrauch von
Begriffen wie „illegale Migration“ und „illegale Flüchtlinge“ solle
offenbar Assoziationen zu kriminellem Verhalten wecken.
Natürlich bringe die gestiegene Migration Herausforderungen für das Land
mit sich, „aber Migration ist kein Verbrechen und Asylsuchende stellen
keine Bedrohung dar“, betonen die NGOs. Die Push-Backs von Migranten nach
Belarus seien ein Völkerrechtsverstoß und die Regierung widerspreche sich
auch selbst, wenn sie das Regime in einerseits Belarus als terroristisch
bezeichne, aber gleichzeitig zu einem „sicheren“ Land für Flüchtlinge
erklären wolle.
Mehrere Berichte des litauischen öffentlich-rechtlichen Senders LRT
schilderten in den letzten Tagen erbärmliche Verhältnisse, in denen
jedenfalls ein Teil der Asylsuchenden leben muss: Ein enges Zeltlager auf
einem matschigen Gelände in Lipliūnai etwa, in dem seit 2 Monaten mehrere
Hundert Menschen leben, darunter Kinder und schwangere Frauen, oder 140
teilweise minderjährige Asylsuchende aus afrikanischen Ländern, die zu
dreißigt in einem Raum schlafen müssen und das ständig polizeilich bewachte
Gelände nicht verlassen dürfen. Die Petition der NGOs fordert Vilnius auf,
die Lebensbedingungen der Flüchtlinge umgehend zu verbessern und
Asylgesuche ordnungsgemäß und individuell zu prüfen.
5 Sep 2021
## LINKS
[1] https://ecre.org/wp-content/uploads/2021/09/Legal-Note-11.pdf
[2] https://rm.coe.int/letter-to-ms-ingrida-simonyte-prime-minister-of-lithuani…
[3] /Gefluechtete-in-Litauen/!5788059
[4] https://manoteises.lt/peticija/prieglobscio-prasymas-nera-nusikaltimas-uz-z…
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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