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# taz.de -- Klima, Karneval, Corona: Comeback des Comebacks
> Die Narren sind auf den Straßen, die Deutschen feiern mit „Wetten,
> dass..?“ ihre Vergangenheit. Derweil leiden Geflüchtete an Europas
> Grenzen.
Bild: Wollte man in Deutschland Zellen anbieten, wo kein Netz ist, müsste man …
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: „Schrittweiser Abbau“ statt „Ausstieg“ aus der
Kohle.
Und was wird besser in dieser?
Vielleicht gelingt schrittweiser Abbau des schrittweisen Abbaus.
Am 11. 11. wurde der Karneval eröffnet, wie jedes Jahr, möchte man sagen,
aber im vergangenen machte Corona einen Strich durch die Rechnung. Dabei
sind die Infektionszahlen in diesem Jahr eigentlich höher. Warum tummeln
sich die Narren trotzdem auf den Straßen?
In Köln ein Bastard aus „Jeck mich am Arsch“ und „Et hätt noch immer jo…
jejange“. Der Fluch der Glimpflichkeit – anderswo, mit mehr Opfern und
Toten –, wäre die Feierwut geringer. „Drusse steht änne OB, sie will evver
jarnicht erst rinjelassenwerden“: [1][Stadtchefin Reker hatte resigniert
orakelt,] den Karneval abzusagen, „wäre uns in diesem Jahr nicht gelungen“.
Die Obrigkeit hält sich raus. Warum auch immer. Vielleicht Angst vor einem
harten Kern ideologisierter Quertrinker, vielleicht blanker Populismus.
Karneval, wo er unter seiner Behördenkruste noch atmet, ist ein befristeter
Ausstieg aus Identität und Realität. Die Idee dahinter: Am Aschermittwoch
ist alles vorbei. Diesmal könnte es anders ausgehen. Also etwa: Am
Aschermittwoch ist alles vorbei.
Vergangene Woche ging es im Spiegel um Trumps Comeback ins Weiße Haus, im
Stern ging es um den zurückgekehrten Welthunger und im Focus um die
Corona-Angst, die wieder da ist. Welches Comeback kommt als nächstes?
„TV total“, Schuldnerberatung, [2][„Wetten, dass..?“], „Geh aufs Ganz…
im Fernsehen scheint neue Kunst den Leuten ihr Hochgewürgtes zu frittieren
und erneut als Gourmetspeise zu verkaufen. An Brunnenkresse! Dies
Wiederkäuen mag mit Globalisierung, Klimawandel, Corona, Merkel-Ära und dem
ganzen gefühlten Übermaß an Veränderungen zu tun haben. Oder
melodramatisch: Wir haben zwar keine Zukunft, aber sehr schöne
Vergangenheit. Tatsächlich sind gute alte Zeiten die letzte Kernkompetenz
eines guten alten Mediums. So gesehen ist das deutsche Wahlvolk wesentlich
experimentierfreudiger als, sagenwirmal, ARD, ZDF und RTL zusammen. Es gibt
Hoffnung!
Der CDU-Vorsitz wird auch wieder gewählt. Außenpolitiker Norbert Röttgen
ist erneut dabei, der scheidende Kanzleramtschef Helge Braun will auch
kandidieren und Friedrich Merz soll am Montag nominiert werden. Welche Wahl
wäre für die CDU die beste?
Bemerkenswert: Noch nie hat ein CDU-Vorsitzendes so früh und klar versucht,
den Hof zu übergeben wie Merkel. Und noch nie ist das so dermaßen in den
Hosenanzug gegangen. AKK fehlte es an Machthandwerk, die Kemmerichiade
schnell zu lösen. Laschet war schon die Idee, alle Konflikte bis hinter
seinen Wahlsieg zu vertagen. Fehlt nur Wahlsieg. Und nun ist wieder allen
klar, dass eine Union nach Merkel kleiner sein wird als mit ihr. Merz –
gestrig, marktverbissen; Röttgen: modern, ungemütlich. So gesehen ist
Merkelmann Braun der nächste – und nächstniedrigere – Vorschlag, alles be…
Alten zu lassen. Wer sich eher Baerbock denn Klöckner als moderne
Konservative vorstellen kann, ahnt, wie groß das Problem ist.
Funkstille auch in Großbritannien, wo überlegt wird, die bekannten roten
Telefonzellen abzuschaffen. Wann haben Sie das letzte Mal von einer
Telefonzelle aus telefoniert?
Bin mal mit dem Mobtel in eine Zelle, weil es da leiser war. Marktlücke! –
Großbritannien will 5.000 Zellen erhalten, wo viel telefoniert wird, kein
Netz ist, oft Unfälle sind. Wollte man in Deutschland Zellen anbieten, wo
kein Netz ist, müsste man neue bauen. Derzeit stehen 16.000 nach einem
geheimnisvollen Schlüssel genau da, wo man keine braucht.
An der [3][Grenze zwischen Belarus] und Polen müssen Tausende Menschen auf
der Flucht draußen übernachten, bewacht von Militärs und Polizei. Unter
anderem die Rheinische Post und der Deutschlandfunk bezeichneten Migration
dabei als „Waffe“. Was bewirken solche Worte?
Dass Focus, Adenauer-Stiftung, ZDF und NZZ nicht mehr so allein sind. Der
Begriff verlegt das Gewicht vom Täter auf die Opfer; Lukaschenko benutzt
Menschen wie ein Sklavenhändler. Während „Migration als Waffe“ einen
ruhmlosen Rahmen um Opfer und Verbrechen framed. Um es objektiver zu
versuchen: Lukaschenkos Agieren ist weitgehend in Artikel 96 des
Aufenthaltsgesetzes abgebildet – Schleuser.
Und was machen die Borussen?
Nix! Länderspielpause!
Fragen: David Muschenich, Nicole Opitz
14 Nov 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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