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# taz.de -- Die Berliner SPD und ihre Wahlgewinnerin: Franziska Giffey und die …
> Seit 1. Oktober wird sondiert. Giffey hält sich auch eine Koalition mit
> FDP oder CDU offen. Doch da könnte ihr die SPD-Basis in die Quere kommen.
Bild: So sieht wohl eine strahlende Wahlsiegerin am Wahlabend aus: Franziska Gi…
Berlin taz | Franziska Giffey bleibt sich treu. Vor Beginn der ersten
Sondierungsgespräche mit den Grünen sagte die SPD-Spitzenkandidatin am
Freitagmorgen, dass es dabei vor allem um Themen gehe. „Wir haben uns sehr
gut vorbereitet, um unsere Schwerpunktthemen anhand unseres Wahlprogramms
zu besprechen“, betonte Giffey.
Damit blieb Giffey bei ihrer Aussage, die sie schon am Tag nach der Wahl in
der „Abendschau“ des RBB formuliert hatte: „Die Berliner SPD hat
unterschiedliche Optionen für eine Zusammenarbeit.“ Das schließt eine
Fortsetzung des Bündnisses mit Grünen und SPD ebenso ein wie eine radikale
Kehrtwende nach rechts: eine Deutschlandkoalition aus SPD, CDU und FDP oder
eine Ampel mit Grünen und FDP.
Was will Franziska Giffey? Darüber rätseln auch viele Genossinnen und
Genossen in der Berliner SPD. Um die Debatte über eine Deutschlandkoalition
möglichst schon im Keim zu ersticken, haben sich im Lauf der Woche vier
Kreisverbände als Fans von Rot-Grün-Rot zu Wort gemeldet.
In Charlottenburg-Wilmersdorf hat der Kreisvorstand einen Antrag
verabschiedet, in dem eine Fortsetzung des bisherigen Regierungsbündnisses
verlangt wird. „Wir sehen kaum inhaltliche Überschneidungen mit CDU und
FDP“, heißt es zur Begründung in dem Papier, das der taz vorliegt. „Für …
bleibt deshalb R2G die beste Option.“
## Forderung nach Landesparteitag
Ähnliche Anträge haben auch die Kreisvorstände in Steglitz-Zehlendorf und
Mitte verabschiedet. In Mitte mit einer deutlichen Mehrheit von 26
Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen und einer Enthaltung. In Tempelhof-Schöneberg
betonte der Kreisvorstand, dass es große inhaltliche Überschneidungen
zwischen SPD, Grünen und Linken gebe, sagte der Kreisvorsitzende Lars
Rauchfuß der taz. „Dennoch sollten mit allen demokratischen Parteien
Gespräche geführt werden“, so Rauchfuß.
Politisch brisanter für Franziska Giffey dürfte aber die Forderung der vier
Kreisverbände nach einem Landesparteitag sein. „Um eine besonders hohe
Legitimation für eine Koalition zu erreichen“, heißt es etwa aus
Charlottenburg-Wilmersdorf, „fordern wir, vor Aufnahme von
Koalitionsverhandlungen einen Landesparteitag abzuhalten.“
Franziska Giffey und ihr Co-Landesvorsitzender Raed Saleh waren über die
Wortmeldungen aus den vier mitgliederstärksten Kreisverbänden not amused,
wie es heißt. Schließlich habe es auf der Sitzung des Landesvorstands am
Montag einen klaren Auftrag gegeben, sowohl mit Grünen und Linken als auch
mit CDU und FDP Gespräche aufzunehmen.
Entsprechend kategorisch lehnt Giffey einen außerordentlichen
Landesparteitag ab. Stattdessen solle der Landesvorstand nach dem Ende der
Sondierungen Mitte Oktober über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen
entscheiden. Einen Landesparteitag solle es erst geben, um einen möglichen
Koalitionsvertrag abzusegnen. Im Kalender der SPD-Spitze ist dafür der 5.
Dezember vorgemerkt.
## Auch personell läuft es nicht rund
Landesvorstand oder Landesparteitag? Im Streit über die Frage, wer die
Weichen für eine kommende Koalition stellen darf, spiegeln sich natürlich
auch die in beiden Gremien vorherrschenden Kräfteverhältnisse der Berliner
SPD wider. Während Giffey und Saleh im knapp 40-köpfigen Landesvorstand
eine Mehrheit haben, könnten die Delegierten eines Parteitags einer
Vorfestlegung auf eine Deutschlandkoalition oder eine Ampel einen Strich
durch die Rechnung machen. Allerdings bräuchte es zur Einberufung eines
Parteitags das Votum von vier Kreisdelegiertenversammlungen. Anträge der
Kreisvorstände reichen nicht. Alleine vom Zeitdruck her dürfte das nicht zu
schaffen sein.
Doch nicht nur inhaltlich läuft nicht alles rund, sondern auch personell.
Neben Giffey und Saleh hatte der Landesvorstand am Montag die
stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Andreas Geisel, Iris Spranger und
Ina Czyborra als Mitglieder eines fünfköpfigen Sondierungsteams bestimmt.
Nicht dabei war der Parteilinke Julian Zado, obwohl auch er
stellvertretender Parteivorsitzender ist. In einer Kampfabstimmung kickte
der Landesvorstand Zado mit einer Mehrheit von 20 zu 15 aus dem
Verhandlungsteam. Ein unerhörter Vorgang, wie es an der SPD-Basis heißt.
Vielleicht war das Votum aber auch eine Retourkutsche für eine Analyse des
Wahlergebnisses, mit der die Jusos den Landesvorstand zu Beginn der Sitzung
konfrontiert hatten. Dabei wurde kritisiert, dass die SPD die Innenstadt
verloren, die Außenbezirke im Gegenzug aber nicht gewonnen habe. „Was nützt
es, wenn wir die Grünen in den Innenstadtbezirken mit Sätzen über Latte
macchiato ärgern und dafür das Rathaus in Charlottenburg-Wilmersdorf
verlieren“, sagt ein Sozialdemokrat der taz.
Aber es gibt auch andere Stimmen. Ellen Haußdörfer, Abgeordnete aus
Treptow-Köpenick, hält nicht viel von einer Vorfestlegung auf Rot-Grün-Rot.
„Damit würden wir uns die Verhandlungsoptionen aus der Hand geben“, sagt
sie der taz. Ähnlich hatte das bereits der Reinickendorfer Kreischef Jörg
Stroedter formuliert. Anders als mit der FDP kann sich Stroedter eine
Koalition mit der CDU aber nur schwer vorstellen. Und auch der ehemalige
Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte dem Tagesspiegel über eine
mögliche Koalition Giffeys mit der CDU: „Ich kann mir nicht vorstellen,
dass sie das in der SPD durchsetzen kann.“
## Mit FDP – aber ohne die Linke!?
Hört man sich in der Partei um, könnte es tatsächlich auf eine Fortsetzung
der bisherigen Koalition oder eine Ampel hinauslaufen. Der Vorteil einer
Koalition mit Grünen und FDP bestünde für die SPD auch darin, dass sie
damit einen wichtigen Streitpunkt abgeräumt hätte. Sie müsste der Linken
nicht das Bauressort streitig machen, das Giffey bereits für die SPD
reklamiert hat. Ohne die Linke wäre zudem auch ein Umgang mit dem
Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen einfacher zu finden als bei
Rot-Grün-Rot. Immerhin hat die Partei von Spitzenkandidat Klaus Lederer das
Volksbegehren aktiv unterstützt.
Doch auch mit den Grünen drohen, wenn erst einmal Koalitionsverhandlungen
aufgenommen werden, einige Fallstricke. So sehr die SPD darauf pocht, nicht
nur das Bauressort zurückzubekommen, sondern es auch wieder mit dem
Verkehrsressort zusammenzulegen, so sehr käme der Verzicht auf Verkehr für
die Grünen einem politischen Selbstmord gleich.
Immerhin ein Argument haben die Befürworter einer Koalition mit Grünen und
Linken in der SPD. Die Fortsetzung als Rot-Grün-Rot hätte eine deutliche
Regierungsmehrheit im Abgeordnetenhaus von 18 Sitzen. Eine Ampelkoalition
hätte dagegen nur sechs Stimmen mehr als die erforderliche Mehrheit der
Parlamentssitze. Noch knapper wäre eine Deutschland-Koalition mit nur vier
Stimmen Mehrheit (siehe Grafik).
## Heinz Buschkowsky sagt …
Was auch immer Franziska Giffey will, ganz ohne ihre SPD wird sie es nicht
durchsetzen können. Denn am Ende der Koalitionsverhandlungen entscheiden
tatsächlich die Delegierten eines Landesparteitags. Sollte Giffey ihre
Drohung wahrmachen und einen Koalitionsvertrag mit CDU und FDP zur
Abstimmung stellen, könnte ihr die SPD-Basis immer noch einen Strich durch
die Rechnung machen.
Ein abwegiges Szenario? Nicht ganz, glaubt zumindest der ehemalige
Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. Giffey und die Berliner
SPD, sagte Buschkowsky dem Berliner Rundfunk 91.4, seien „zwei verschiedene
Paar Schuhe“.
Giffey, gaubt er, würde nie mit der Linken koalieren, und die Berliner SPD
nicht mit der FDP. Buschkowskys Prognose: „Entweder Giffey knickt ein, oder
sie geht als Märtyrerin.“ Das wäre dann der Moment, in dem Giffeys
Co-Landesvorsitzender Raed Saleh die Gunst der Stunde nutzen könnte. „Ich
glaube, er denkt darüber schon nach, wie er sich mit welcher Bewegung die
Amtskette umhängt“, sagte Buschkowsy.
Der Text ist Teil eines vierseitigen Schwerpunktes zur Berlin-Wahl 2021 auf
den taz berlin-Seiten der Print-Ausgabe der taz am wochenende vom 2./3.
Oktober 2021.
2 Oct 2021
## AUTOREN
Uwe Rada
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