| # taz.de -- EU-Außenkommissar in Nordafrika: Kaum eine Meldung wert | |
| > Symbolpolitik ohne Einfluss und Plan: Der Besuch des Außenkommissars | |
| > Josep Borell in Libyen und Tunesien zeigt, wie unwichtig die EU geworden | |
| > ist. | |
| Bild: Interesse der EU: Weniger Migration übers Mittelmeer. Geretteter Schiffb… | |
| Tunis taz | Zwei Tage lang hat EU-Außenkommissar Josep Borell Libyen und | |
| Tunesien besucht – und letztlich zeigt die Visite, wie unwichtig die | |
| Europäische Union in beiden Ländern geworden ist. | |
| Bei seinem Besuch in der libyschen Hauptstadt Tripolis versicherte Borrell | |
| am Mittwoch den Vertretern der libyschen Regierung die Unterstützung der | |
| EU. Wie auf den beiden [1][Libyenkonferenzen in Berlin] beschlossen, sollen | |
| am 25. Dezember in dem ehemaligen Bürgerkriegsland [2][Wahlen] stattfinden. | |
| Bis dahin ist die Übergangsregierung von Abdul Hamid Dabaiba im Amt. Der | |
| Geschäftsmann war im Februar von 75 Delegierten gewählt worden, die von der | |
| Libyenmission der Vereinten Nationen (UNSMIL) bestimmt worden waren. | |
| Borrell lobte auf der Pressekonferenz mit der ehemaligen | |
| Menschenrechtsaktivistin Najla al-Mangoush die Fortschritte auf dem Weg zu | |
| einer nationalen Einheit des in Ost und West gespaltenen Landes und | |
| versprach den staatlichen Institutionen, sie bei der Wiedervereinigung zu | |
| unterstützen. | |
| Nach wenigen Stunden flog Borrell in das benachbarte Tunis weiter, um die | |
| EU-Position zu der von Präsidenten Kais Saied ausgelösten Staatskrise | |
| darzulegen. Der vor zwei Jahren mit über 70 Prozent Zustimmung gewählte | |
| Rechtsprofessor hatte am 25. Juli das zerstrittene Parlament und die | |
| Regierung abgesetzt. | |
| ## Wahlen als symbolisches Bürgerkriegsende | |
| „In Tunesien kann Borrell begutachten was in Libyen geschehen wird, wenn | |
| die EU nicht hilft die Parlamentswahlen nicht ernsthaft vorzubereiten“, | |
| sagte der libysche Journalist Ahmed Elumami der taz nach dem optimistischen | |
| Presseauftritt von Borrell und al-Mangoush. „Die bloße Wahl von neuen | |
| Abgeordneten ohne fairen Wahlkampf, freie Meinungsäußerung und ohne | |
| demokratische Kontrolle könnte sogar einen neuen Krieg auslösen, so wie | |
| bereits 2014“, warnte ein anderer Kollege. | |
| Es gibt genügend Anzeichen, dass es sich bei der Abstimmung um einen | |
| Schnellschuss handeln könnte, um den Bürgerkrieg symbolisch zu beenden. Am | |
| Tag vor dem Besuch Borrells schickte der Präsident des in Ostlibyen | |
| tagenden Parlaments eine Version des Wahlgesetzes an die Regierung, die | |
| offenbar noch nicht von der Mehrheit der Abgeordneten verabschiedet worden | |
| war. | |
| Libysche Menschenrechtsaktivisten kritisieren, dass die für die Wahlen | |
| mitverantwortliche UNSMIL-Mission noch nicht mit konkreten Vorbereitungen | |
| begonnen habe. Sie fordern das Training von Wahlbeobachtern, Freiwilligen | |
| zur Auszählung der Stimmen und von Vertretern der über 170 neu | |
| registrierten Parteien. | |
| „Wir sehen in keiner der drei Provinzen irgendwelche ernsthaften | |
| Vorbereitungen für Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen“, wundert sich | |
| Wael Alushaibi, der das außenpolitische Komitee des Parlaments gegenüber | |
| ausländischen Partnern leitet. | |
| ## Lächeln über Borells Forderung nach Abzug der Söldner | |
| An dem Eindruck von Alushaibi, dass sich die EU auf dem Gebiet der | |
| Demokratisierung mit Symbolpolitik zufrieden gibt, wird auch der Besuch | |
| Borrells nichts ändern. Denn was Brüssel an Libyen interessiert, ist vor | |
| allem das Thema [3][Migration]. Den Einsatz der EU-Grenzmission EUBAM an | |
| den Saharagrenzen zu Niger und Algerien diskutierte Borrell im Detail, | |
| heißt es aus libyschen Delegationskreisen. | |
| „Eigentlich hatte das Parlament als Kontrollorgan in diesen Tagen Gespräche | |
| mit der Regierung über das Wahlgesetz geplant, wegen Borrells Besuch in | |
| Tripolis fielen diese aus“, so Alushaibi. „Warum spricht Borrell nicht mit | |
| dem Parlament?“ | |
| Mit einem Lächeln quittierten libysche Journalisten die von Borrell in | |
| ernstem Ton vorgetragene Forderung nach Abzug der ausländischen Söldner aus | |
| Libyen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass der aktuelle | |
| Waffenstillstand aufgrund eines russisch-türkischen Stillhalteabkommens | |
| zustande gekommen ist – und in absehbarer Zeit keiner der Söldner abziehen | |
| werden wird. | |
| Während des Krieges um Tripolis hatten der angreifende General Hafter die | |
| russische Sicherheitsfirma Wagner und Söldner aus der Region zu Hilfe | |
| geholt, während die sich verteidigende Einheitsregierung mit Unterstützung | |
| der türkischen Armee Tausende syrische Rebellen einfliegen ließ. | |
| Wie unwichtig die EU in Libyen und Tunesien geworden ist, zeigt die geringe | |
| Reaktion der lokalen Medien. Nur wenigen war der Besuch des obersten | |
| EU-Außenpolitikers mehr als eine kurze Meldung wert. | |
| 9 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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