| # taz.de -- Friedensprozess in Libyen: Wahlstreit statt Wahlkampf | |
| > Wahlen sollen Libyen befrieden. Doch die Konfliktparteien können sich | |
| > nicht auf ein Wahlgesetz einigen. Die geplante Parlamentswahl wird | |
| > verschoben. | |
| Bild: Zu Besuch in Berlin: Libyens Staatschef al-Menfi vergangene Woche bei Ste… | |
| Tunis taz | Wegen eines Streits über Details des Wahlgesetzes wird die | |
| libysche Parlamentswahl auf Januar nächsten Jahres verschoben. Eigentlich | |
| sollten am 24. Dezember sowohl der Staatspräsident als auch alle | |
| Abgeordneten neu bestimmt werden. Das Mandat des im Juni 2014 gewählten und | |
| in Ostlibyen tagenden Parlaments war ursprünglich zwei Jahre gültig, wurde | |
| aber wegen des Kriegs eigenmächtig verlängert. | |
| Abdallah Blihek, Sprecher der ursprünglich 200 Volksvertreter, verkündete | |
| am Dienstag, dass die Parlamentswahl nun 30 Tage später stattfinden soll. | |
| „Die Wahl eines Präsidenten hat Priorität“, sagte Blihek in die Kameras d… | |
| ostlibyschen TV-Sender. Ein neuer Präsident soll wie geplant am 24. | |
| Dezember gewählt werden. | |
| In der in Westlibyen gelegenen Hauptstadt Tripolis gab es zunächst keine | |
| Reaktionen auf die Entscheidung. Der dort tagende Staatsrat, eine Art Senat | |
| mit beratender Funktion, lehnt sowohl die vom Parlament gesetzten | |
| Rahmenbedingungen der Parlaments- als auch der Präsidentschaftswahl ab. | |
| Zudem hatten 60 Parlamentsabgeordnete, die sich nach Tripolis abgesetzt | |
| haben, dem Wahlgesetz nicht zugestimmt. Laut Verfassung muss jede | |
| landesweite Wahl auf der Grundlage eines vom Parlament verabschiedeten | |
| Wahlgesetzes organisiert werden. | |
| Vor einem Monat hatte Aguila Saleh, langjähriger Parlamentschef und bis | |
| Frühjahr auch Staatsoberhaupt, seinen Gesetzentwurf durchgepeitscht. Das | |
| ohne das nötige Quorum, aber mit einer einfachen Mehrheit beschlossene | |
| Papier wurde von Vertretern der internationalen Gemeinschaft dennoch | |
| begrüßt. Politische Beobachter in Westlibyen sehen nun die Gefahr, dass | |
| sich nach den geplanten Wahlen das Szenario von 2014 wiederholen könnte, | |
| als viele libysche Akteure die Wahlergebnisse nicht anerkannten, was zu | |
| einem wochenlangen Krieg zwischen Milizen in Tripolis führte. | |
| ## Wird Gaddafis Sohn kandidieren? | |
| Das Wahlgesetz sei auf Chalifa Haftar zugeschnitten, glauben viele in | |
| Tripolis. „Nach seinem 18 Monate langen Angriff auf die Hauptstadt ist das | |
| gefährlich für den Ablauf der Wahl“, sagt der Aktivist Mohammed al-Hamosi | |
| der taz. | |
| Tatsächlich kann der im Osten beliebte und in Westlibyen verhasste | |
| Feldmarschall als Präsidentschaftskandidat antreten, solange er keine | |
| Position in der von ihm selbst geschaffenen Armee bekleidet. Prompt nach | |
| Salehs eigenmächtiger Verkündung des Wahltermins für den 24. Dezember | |
| verkündete der 77-jährige Haftar seinen vorübergehenden Rückzug als | |
| Befehlshaber der Libysch-Arabischen Nationalarmee (LNA) bis zum 24. | |
| Dezember. | |
| Aber auch andere Kandidaten werden in den ehemals verfeindeten Landesteilen | |
| weder Wahlkampf führen noch als gewählter Präsident ohne extreme | |
| Sicherheitsmaßnahmen auftreten können. Der aus der Handelsstadt Misrata | |
| stammende ehemalige Innenmister Fathi Baschaga ist in Bengasi ein | |
| Feindbild, weil er angeblich die dort lange marodierenden islamistischen | |
| Milizen unterstützt. | |
| Ob der in der Zintan lebende Sohn Muammar Gaddafis, [1][Seif al-Islam], | |
| antritt, ist unklar. In der Wüstenstadt versteckt er sich vor einem | |
| Haftbefehl des [2][Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH)] wegen | |
| Kriegsverbrechen während der Revolution von 2011. | |
| Laut der libyschen Wahlbehörde, die erfolgreich die Parlamentswahlen von | |
| 2012 und 2014 organisiert hatte, treten weit über 100 Kandidaten für das | |
| Präsidentenamt an sowie weit über 100 politische Parteien. „Es gibt noch | |
| viele offene Rechnungen in Libyen“, sagt Aktivist al-Hamosi. „Die junge | |
| Generation will mit den Wahlen ein neues Kapitel aufschlagen, aber andere | |
| sehen darin die letzte Chance, ihre Macht zu legalisieren. Wenn sie | |
| verlieren, werden sie einen neuen Konflikt starten.“ | |
| 6 Oct 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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