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# taz.de -- Präsidentenwahl in Libyen: Gaddafi Junior ist zurück
> Saif al-Islam, Sohn von Libyens Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi, will
> Präsident werden. Seit 2011 wird er wegen möglicher Kriegsverbrechen
> gesucht.
Bild: Saif al-Islam lässt sich für die Präsidentenwahl am 24.12.2021 registr…
Tunis taz | Viele konnten kaum glauben, was sie in den Abendnachrichten der
libyschen TV-Sender am Sonntag sahen: Seelenruhig saß Saif al-Islam
al-Gaddafi in einem Büro der libyschen Wahlkommission und unterschrieb die
Abgabe seiner Kandidatur. Der Sohn des im [1][Arabischen Frühling 2011]
gestürzten Diktators Muammar al-Gaddafi will sich am 24. Dezember zum
Präsidenten Libyens wählen lassen.
Seit seiner Verurteilung zum Tode vor einem libyschen Gericht 2015 war der
heute 49-Jährige nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Das
Urteil wurde später zwar aufgehoben, dennoch grassierten immer wieder
Gerüchte, dass der einst als Nachfolger seines Vaters gehandelte Lebemann
längst tot sei.
Als sich dann im vergangenen Sommer ein Journalist der New York Times zu
dessen Versteck südlich der Hauptstadt Tripolis durchschlug und Saif
al-Islam interviewte, machte sich Enttäuschung breit: Ausschweifend
dozierte und lamentierte dort jemand, der nur noch ein Schatten seiner
selbst zu sein schien. Als Staatsmann präsentierte sich Saif al-Islam
nicht.
Nach zehn Jahren Milizenwillkür ist in Libyen der Ruf nach einem starken
Mann groß. Doch der im Osten mächtige Feldmarschall Chalifa Haftar, der am
Dienstagvormittag erklärte, ebenfalls bei der [2][Wahl im Dezember]
anzutreten, ist im Westen des Landes seit seinem Angriff auf Tripolis 2019
unbeliebt.
## Abdelhamid Dbaiba darf nicht antreten
Der Chef der aktuellen Übergangsregierung wiederum, Abdelhamid Dbaiba, darf
laut Wahlgesetz nicht antreten. Ein Jahrzehnt nach Ende der
Familienherrschaft bietet sich Saif al-Islam also doch noch eine Chance, in
die Fußstapfen des Vaters zu treten.
Schon 2011, im Krieg der Aufständischen gegen seinen damals bereits seit 42
Jahren regierenden Vater, gab es eine solche. Die mit erbeuteten
Kalaschnikows bewaffneten Revolutionäre waren in der Minderheit und noch
weit entfernt von Tripolis, als der Gaddafi-Sohn die wichtigste Rede seines
Lebens hielt. Viele hofften auf eine Distanzierung vom Vater und ein
Zugehen auf dessen Gegner.
Als Reformer hätte Saif al-Islam das Land womöglich vor dem Krieg bewahren
können. Doch es folgte eine Brandrede. Er drohte, den Revolutionären die
Strom-, Gas- und Wasserzufuhr zu kappen. Die drei Finger, mit denen er
seine mit Gewaltandrohungen gewürzte Aufzählung begleitete, schnitten ihm
seine Bewacher später ab.
Nach dem Mord an seinem Vater im Oktober 2011 versuchten sich dessen Söhne
ins Ausland abzusetzen. Saif al-Islam geriet an der Grenze zu Niger in
Gefangenschaft und kam erst 2017 wieder frei. Zum Zeitpunkt seiner
Festnahme stand sein Name schon auf einem Haftbefehl des Internationalen
Strafgerichtshofs. Der IStGH fordert von Libyen, Saif al-Islam wegen
Verdachts von Kriegsverbrechen während der Kämpfe 2011 auszuweisen. Erste
Umfragen zeigen, dass Saif al-Islam al-Gaddafi gute Chancen hat, gewählt zu
werden und sein Projekt doch noch umzusetzen.
16 Nov 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Libyen
Muammar al-Gaddafi
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