# taz.de -- Vor Wahltermin in Libyen: UN-Libyen-Gesandter gibt auf | |
> Kurz vor der umstrittenen Wahl sorgt der Rücktritt von Ján Kubiš für | |
> Unsicherheit. Mit dem Urnengang sollen die Libyer ihre Spaltung | |
> überwinden. | |
Bild: Jan Kubis, UN-Sondergesandter für Libyen, ist am Mittwoch zurückgetreten | |
Tunis taz | Nur einen Monat vor der Präsidentschaftswahl hat der | |
UN-Sonderbeauftragte für Libyen überraschend seinen Rücktritt eingereicht. | |
UN-Generalsekretär António Guterres habe den Rücktritt angenommen, erklärte | |
ein Sprecher am Dienstag in New York. Der slowakische Diplomat Ján Kubiš, | |
der den Posten erst Anfang des Jahres antrat, bleibe allerdings bis auf | |
Weiteres im Amt. | |
Die Hintergründe der Entscheidung sind unklar, doch hätte sie zu kaum einem | |
schlechteren Zeitpunkt kommen können: Am 24. Dezember sollen die Wähler in | |
dem Bürgerkriegsland einen neuen Präsidenten wählen. Der derzeitige | |
Waffenstillstand und die brüchige politische Balance zwischen Ost- und | |
Westlibyen soll mit der ersten landesweiten Abstimmung nach 2014 in einen | |
demokratischen Übergangsprozess umgewandelt werden. | |
„Nur eine demokratisch gewählte Regierung kann das Leiden der Migranten | |
angehen und die von Milizen unterwanderten staatlichen Institutionen | |
reformieren“, sagte [1][Niels Annen], Staatsminister im Auswärtigen Amt in | |
Berlin, kürzlich gegenüber der taz in Tunis. | |
Deutsche Diplomaten üben daher zusammen mit ihren EU-Kollegen großen Druck | |
auf die derzeitige libysche Übergangsregierung von Abdul Hamid Dbaiba aus, | |
um die Voraussetzungen für eine pünktliche Durchführung der Wahl zu | |
schaffen. Die libysche Wahlbehörde HNEC hat die Wählerregistrierung bereits | |
abgeschlossen; die Wahlzettel sind verteilt und die Wahlurnen wurden in | |
alle Ecken des Wüstenstaats geliefert, der flächenmäßig etwa fünfmal so | |
groß ist wie Deutschland. | |
## 98 Kandidaten | |
Bis zum Ende der Registrierungsfrist am vergangenen Wochenende haben 98 | |
Kandidaten ihre Bewerbung abgegeben. Darunter [2][Saif al-Islam | |
al-Gaddafi], der Sohn von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi, sowie der | |
notorische Feldmarschall Chalifa Haftar, der mit seinem 18-monatigen | |
Angriff auf die Hauptstadt Tripolis das Land tief gespalten hat. Nun will | |
er die Hauptstadt per Wahlurne einnehmen. Für die westlibyschen Milizen war | |
schon die Abgabe der Bewerbungsunterlagen durch Haftar Grund genug, die | |
Wahllokale in mehreren Städten zu schließen. | |
Sie fordern von HNEC-Chef Imad al-Sayeh die Ablehnung des vom Parlament | |
beschlossenen Wahlgesetzes, das offenbar auch Militärs wie Haftar und | |
verurteilten Straftätern wie Saif al-Islam al-Gaddafi zu kandidieren | |
erlaubt. Ob die beiden aber neben den zahlreichen Kandidaten aus Kreisen | |
des Ex-Regimes und der Zivilgesellschaft tatsächlich antreten dürfen, wird | |
HNEC erst kurz vor der Wahl am 6. Dezember verkünden. | |
Und so gesellte sich auch Dbaiba zu der illustren Runde der Kandidaten. | |
Dass der Geschäftsmann aus der Hafenstadt Misrata als derzeitiger | |
Regierungschef laut Wahlgesetz gar nicht antreten darf, tat dieser vor | |
Journalisten als Nebensache ab. | |
Auf der im Stil einer Wahlkampfveranstaltung organisierten Kundgebung vor | |
Tausenden Anhängern forderte Dbaiba einfach, das in Ostlibyen beschlossene | |
Wahlgesetz zu ändern. Das hatte Parlamentschef Aguila Saleh im Sommer ohne | |
Abstimmung der Parlamentarier unterschrieben. „In Libyen zählt zurzeit die | |
Kraft des Faktischen“, kommentierte kürzlich ein Diplomat die Lage. | |
Der dezent auftretende Slowake Kubiš habe im Kreise seiner Berater immer | |
wieder mangelnde Unterstützung der EU, der Afrikanischen Union und der | |
Arabischen Liga beklagt, heißt es aus Kreisen der UN-Mission für Libyen. | |
Schon Kubiš’ Vorgänger Ghassam Salamé war vorzeitig zurückgetreten – | |
offiziell aus gesundheitlichen Gründen. | |
24 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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