# taz.de -- Plakatkampagnen vor der Wahl: Nichtssagend und austauschbar | |
> Die Parteien wollen mit inhaltsleeren Wohlfühlplakaten punkten. Dabei | |
> gäbe es einen simplen Weg, die Wahlkampf-Slogans gehaltvoller zu machen. | |
Bild: Klaus Lederer (Die Linke) mit leicht pathetischem Berlin-Dreiklang | |
Es gibt sie, die unentschiedenen Wähler, die noch immer nicht wissen, wem | |
sie bei der [1][anstehenden Bundestagswahl] ihre Stimme geben wollen. Und | |
das, obwohl ja eigentlich von allen im Parlament vertretenen Parteien seit | |
Jahren oder Jahrzehnten bekannt ist, wofür sie politisch stehen. Aber vor | |
allem die Generation derer, die zur Meinungsbildung nicht auf Twitter, | |
Tiktok oder [2][blauhaarige Youtuber] zurückgreifen, können noch immer | |
Wahlplakate ausschlaggebend sein. | |
Umso peinlicher ist die Inhaltsleere vieler Poster, die derzeit im ganzen | |
Land Laternenpfähle und Verkehrsinseln zieren. Was genau will uns ein mild | |
lächelnder Armin Laschet (CDU) mitteilen, wenn er „Gemeinsam für ein | |
modernes Deutschland“ wirbt? Was stellt sich Olaf Scholz (SPD) unter | |
„Respekt für dich“ vor? Wohl gemerkt ist Scholz Kanzlerkandidat der Partei, | |
die mit der Einführung von Hartz IV die Entwürdigung von Millionen Armen | |
und Arbeitslosen in einer „Grundsicherung“ forciert hat, die auf einem | |
zynischen Gängelungs- und Überwachungssystem aufbaut. | |
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es durchaus auch Wahlplakate | |
mit konkreten Inhalten gibt. Die SPD wirbt etwa auch großflächig mit ihrer | |
Forderung nach einer Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro pro Stunde. | |
Dennoch lässt sich bei allen großen Parteien ein gewisser Hang zu großen, | |
aber unbestimmten Worten wie „Zukunft“, „Kompetenz“ und „Respekt“ e… | |
Worte, die gut klingen, aber wenig bedeuten, wenn man sie nicht mit | |
Inhalten auskleidet. Doch eben diese Unbestimmtheit dürfte der Grund für | |
die nebulösen Formulierungen sein. Man überlässt den Wählern einfach die | |
Interpretation – auch wenn die womöglich gar nicht zum Parteiprogramm | |
passt. Ein „modernes Deutschland“ heißt für manche vielleicht | |
Breitband-Internet und autonome Flugtaxis, für andere dagegen | |
gesellschaftliche Vielfalt, gegenderte Sprache und Lastenräder. | |
## Zumindest eine Partei ist originell | |
Apropos: Die Grünen haben mit ihrer Plakatkampagne besonders tief in die | |
Phrasenkiste gegriffen. „Zukunft passiert nicht, wir machen sie“, heißt es | |
da beispielsweise. Diese Vorstellung entspricht allerdings nicht den | |
physikalischen Grundlagen des uns bekannten Universums. Die Zukunft | |
passiert unabhängig von den Gestaltungswünschen der Grünen. | |
Das politische Bildungserlebnis der Plakatkampagnen könnte übrigens mit | |
einer ganz simplen Faustregel verbessert werden. Die Parteien müssten sich | |
nur vor der Publikation eines jeden schnöden Slogans fragen, ob ihn so auch | |
eine andere Partei verwenden könnte. Bei vielen Sprüchen ist das der Fall. | |
Beispiel Grüne: Auf ihren Plakaten heißt es: „Unser Land kann viel, wenn | |
man es lässt“. Ein Spruch, den mit entsprechenden Untertiteln jede Partei | |
verwenden könnte. | |
Für die FDP: „Deshalb Leistungsträger entlasten, Steuern runter, Bürokratie | |
abbauen“. Die AfD könnte titeln: „Deshalb raus aus der EU, | |
Masseneinwanderung stoppen“. Die SPD könnte schreiben: „Und Olaf packt das | |
an“. Die Phrasendrescher können viel, wenn man sie nur lässt. | |
Zumindest bleiben die Nonsens-Sprüche nicht unpersifliert. Die politischen | |
Satiriker der PARTEI machen sich seit Jahren über die Kampagnen der | |
Konkurrenz lustig. Statt ernsthafter Botschaften punkten sie mit | |
Gaga-Sprüchen („Die Erde ist eine Scheide“) oder trollen die einfallslosen | |
Poster der Konkurrenz mit humorvollen Gegenplakaten. Unter ein AfD-Schild | |
mit der Botschaft „Arbeit, Wohlstand, Freiheit, Sicherheit“ schrieb sie in | |
Essen: „Geld, Freibier, Sex, Weltfrieden“. Doch die Satiriker um den | |
EU-Abgeordneten Martin Sonneborn stellen auch eine Forderung auf, die | |
angesichts der stumpfsinnigen Posterkampagnen bei frustrierten Wählern | |
Anschluss finden könnten. „Wahlplakate verbieten!“ | |
7 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2021/!t5007549 | |
[2] /Rezo-veroeffentlicht-neues-Video/!5799129 | |
## AUTOREN | |
Jörg Wimalasena | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Bündnis 90/Die Grünen | |
Olaf Scholz | |
Armin Laschet | |
Annalena Baerbock | |
SPD | |
Union | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Kleinstparteien | |
FDP | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
taz Panter Wahlcamp | |
Lars Klingbeil | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Parteiensprech im Wahlkampf: Machen, machen, machen | |
Ein Tag im Leben eines Reporters, dem es gelingt, ein Angebot an die ganze | |
Breite der Familie zu machen. Nahbar, mitnehmend und auf Augenhöhe. | |
Die Partei im Berliner Wahlkampf: Franziska Giffey nachplappern | |
Die Partei, die auch so heißt, schwankt zwischen Klamauk und Kritik. Dass | |
sie aber politische Verantwortung übernimmt, ist unwahrscheinlich. | |
taz-Autor:innen und die Wahl: Shit, ich hab Schwarz-Gelb gewählt | |
Für wen abstimmen, am 26. September? Schonmal nicht für CDU oder FDP – | |
diesen Fehler hat unser Autor schon einmal gemacht. | |
Wahlslogans 2021: Juhu, wir dürfen wählen | |
Die AfD kann kein Deutsch. Die FDP liebt dudenrein die Freiheit. Die CDU | |
will machen. Wahlplakate zwischen Karneval und konkreter Poesie. | |
Polarisierende Rede im Bundestag: Merkel legt den Schalter um | |
Die Kanzlerin greift den SPD-Kandidaten Olaf Scholz unerwartet heftig an. | |
Der liefert sich anschließend einen Schlagabtausch mit Laschet und | |
Baerbock. | |
Sofortprogramm vorgestellt: Linke gegen „Bekenntnisquatsch“ | |
Mindestlohn, Mietendeckel und Kindergrundsicherung würden die Linken sofort | |
einführen – wenn man sie ließe. Bekenntnisse zur Nato finden sie absurd. | |
Tagebuch des taz-Wahlcamps: Im Cringe mit den Wahlwerbespots | |
Meistens sind sie bloß nichtssagend bis peinlich. Doch ein gelungener | |
Wahlwerbespot muss sich manipulativ ins Unterbewusstsein brennen. | |
Höhenflug der SPD: Der Scholz-Zug rollt | |
Die SPD ist plötzlich in einem Umfragehoch und versucht, bescheiden zu | |
wirken. Das irritiert die Union, sie will „den Linksruck der SPD“ | |
angreifen. |