| # taz.de -- taz-Autor:innen und die Wahl: Shit, ich hab Schwarz-Gelb gewählt | |
| > Für wen abstimmen, am 26. September? Schonmal nicht für CDU oder FDP – | |
| > diesen Fehler hat unser Autor schon einmal gemacht. | |
| Bild: Idyllisches Blankenburg im Harz | |
| Es gibt wohl drei Sätze, für die ich mich Jahre geschämt habe: 1. „Du | |
| erinnerst mich total an meine Mutter, Nathalie.“ 2. „Ich verstehe nicht, | |
| was an Frauenfußball sinnvoll sein soll.“ 3. „Ich habe Schwarz-Gelb | |
| gewählt.“ | |
| Die ersten beiden Sätze konnte ich damit entschuldigen, dass ich nicht | |
| einmal zehn Jahre alt war. Letzterer traf auf meine gerade erlangte | |
| Volljährigkeit und erste Landtagswahl in meiner damaligen Heimatstadt | |
| Blankenburg im Harz, in [1][Sachsen-Anhalt,] zu. Diesen Tag im Juni 2016 | |
| habe ich bisher verschwiegen – aus Scham. Im Angesicht meiner dritten Wahl | |
| wird es Zeit für eine Aufarbeitung. | |
| Was bei Rio Reiser der Ausruf: „Mama, Mama warum hast du mich geboren?“ | |
| war, schien für mich, als dann zugezogener Berliner, die Entscheidung, | |
| beide Kreuze bei der Senats- und Bundestagswahl 2017 bei der Linkspartei zu | |
| setzen. | |
| Ich weiß heute, dass ich nicht links „wurde“. Was auch immer dieses | |
| „Linkssein“ parteipolitisch bedeutet, meine moralischen Vorstellungen | |
| orientierten sich daran. Nur hatte ich keine Ahnung von Parteien. Also | |
| wählte ich die Parteien, die immer stabil wirkten und keine Gefahr | |
| bedeuteten. Zumindest keine AfD. | |
| Als die „Flüchtlingskrise“ 2015 den noch so unpolitischsten Hans-Jürgen | |
| beschäftigte, gab es eine „Fragestunde“ im überschaubaren Blankenburg im | |
| Harz, in der Väter von Mitschüler:innen dieselben Wutausbrüche bekommen | |
| wie sonst nur auf Kreisligafußballspielen. | |
| Als ich spontan einem dieser Vätern vorwarf, ein „Rassist“ zu sein, | |
| durchzog mich ein eigenartiger Stolz „etwas gesagt zu haben.“ Der wurde | |
| zwar mit den Worten „Halt deine Fresse, ja?“ hinuntergebügelt – und den | |
| flehenden Worten des Bürgermeisters: „BÜRGER! Wir sind hier, um zu | |
| diskutieren“ besänftigt – was so ziemlich den gegenwärtigen [2][politisch… | |
| Diskurs zwischen CDU und AfD in Sachsen-Anhalt] beschreibt. | |
| Trotzdem hatte es etwas in mir verursacht. Dachte ich, die netten Herren | |
| auf den Wahlplakaten der Union verhindern die AfD und bringen mir | |
| stattdessen Beständigkeit und Sicherheit? | |
| Dass die Botschaften dieser Wahlplakate wie trojanische Pferde in die | |
| Parlamente einziehen und gegen all das arbeiten würden, was mich heute | |
| bewegt – Klima, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung –, war mir damals | |
| nicht klar, so viel steht fest.Niemand sollte sich für irgendeine | |
| vergangene Wahl schämen. Scham führt zu Vermeidung und Vermeidung | |
| verhindert Veränderung. | |
| Also sage ich heute: Nathalie – so war das nicht gemeint. Wohnst du noch in | |
| Goslar? Frauenfußball – ist super. Reiner Haseloff, ich mag dich, du weißt, | |
| warum! Aber wir wollen inzwischen andere Dinge. | |
| 10 Sep 2021 | |
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| [1] /Vor-Wahl-in-Sachsen-Anhalt/!5770013 | |
| [2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article195586155/Sachsen-Anhalt-CDU… | |
| ## AUTOREN | |
| Aron Boks | |
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