# taz.de -- Koalitionen nach der Bundestagswahl: Alle Ampeln auf Rot-Grün | |
> Olaf Scholz präferiert ein Zweier-Bündnis mit den Grünen? Kein Problem: | |
> Noch ein paar ganz kleine Verschiebungen und die Koalition steht. | |
Bild: Olaf Scholz und Annalena Baerbock vergangenen Montag in Potsdam | |
Die Neunziger kommen zurück. Säcke als Hosen und Buffalo-Schuhe sind schon | |
länger wieder im Trend. In der taz erschien kürzlich [1][ein Interview mit | |
dem Sänger von Liquido]. Und bald ist auch Rot-Grün wieder da. | |
„Ich möchte gerne mit den Grünen zusammen regieren“, hat unser neuer | |
Bundeskanzler im Interview mit dem Tagesspiegel auf die Frage nach seiner | |
bevorzugten Koalition geantwortet. Klar, damit wollte Olaf Scholz in erster | |
Linie der Frage [2][nach Rot-Rot-Grün ausweichen]. Aber so irre wie noch | |
vor der Sommerpause ist die Vorstellung von Rot-Grün schon längst nicht | |
mehr. | |
Legen wir die aktuellste Umfrage von Kantar zugrunde – deren Werte stützen | |
unsere These am ehesten –, liegen Grüne und SPD aktuell bei 44 Prozent der | |
Stimmen. Dem Onlinetool [3][mandatsrechner.de] zufolge käme Rot-Grün damit | |
auf 408 Sitze im neuen Bundestag, in dem die Mehrheit bei 438 läge. | |
Aufgrund der Unwägbarkeiten bei Direkt-, Überhangs- und Ausgleichsmandaten | |
sind diese Zahlen natürlich mit Vorsicht zu genießen. Einen Eindruck von | |
den ungefähren Größenordnungen liefern sie uns aber. | |
Um rund 35 Sitze müsste Rot-Grün also noch zulegen. Das ist durchaus im | |
Rahmen des Möglichen, zumindest spricht der Trend bei Kantar für das | |
Bündnis. Den Großteil des Augusts über lag Rot-Grün in den Umfragen des | |
Marktforschungsunternehmens stabil bei 40 Prozent, Ende August ging es dann | |
hoch auf 41 Prozent und vergangene Woche folgte der Sprung auf 44 Prozent. | |
In derselben Umfrage verloren Union und FDP 3 Prozentpunkte. | |
Sollte es bis zur Wahl noch einmal eine Verschiebung in ähnlicher | |
Größenordnung geben – drei Punkte mehr bei SPD und Grünen, drei weniger bei | |
Schwarz-Gelb – läge Rot-Grün schon bei 482 von 968 Sitzen, also nur drei | |
Sitze hinter der dann nötigen Mehrheit von 485. Diese Differenz wäre so | |
knapp, dass wir sie als Messungenauigkeit getrost vernachlässigen dürfen. | |
Noch besser sähe es für Rot-Grün aus, wenn die Linke aus dem Bundestag | |
fliegen sollte. Von der 5-Prozent-Schwelle ist sie bekanntlich nicht mehr | |
weit weg. Wenn sie mindestens 3 Direktmandate holen sollte, dürfte sie zwar | |
trotzdem wieder in Fraktionsstärke ins Parlament. 2017 gewann sie sogar 5 | |
Direktmandate. Aber dass sich das wiederholt, ist kein Naturgesetz. | |
Remember 2002. | |
Und selbst wenn am Ende noch ein paar Stimmen zur absoluten Mehrheit für | |
Rot-Grün fehlen sollten: Es bleibt immer noch die Option der | |
Minderheitsregierung. Für die Bundesrepublik wäre das zwar eine Premiere. | |
Aber wenn alle anderen Konstellationen scheitern (1. Rot-Rot-Grün aus | |
Bockigkeit aller Seiten, 2. Jamaika aus Tradition, 3. die Ampel aus anderen | |
Gründen und 4. die Große Koalition, weil es irgendwann wirklich mal | |
reicht), muss ja irgendwas passieren. | |
Ganz am Ende käme in diesem Fall mal wieder Artikel 63 Absatz 4 des | |
Grundgesetzes zu kurzzeitiger Prominenz. Im letzten Wahlgang könnten SPD | |
und Grüne mit einfacher Mehrheit für Scholz stimmen. Bundespräsident | |
Steinmeier mag als Langweiler zwar keine instabilen Verhältnisse, würde | |
Scholz aber trotzdem ernennen, weil er andernfalls den Bundestag auflösen | |
müsste. Diese Option fällt für ihn als Sozialdemokraten freilich aus, weil | |
die Grünen zu einer Neuwahl mit Robert Habeck als Kanzlerkandidat antreten | |
und mit ihm die SPD bekanntlich abhängen würden. Quod erat demonstrandum: | |
An Rot-Grün führt kein Weg mehr vorbei. | |
7 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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