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# taz.de -- Annalena Baerbock über den Wahlkampf: „Verbote bedeuten oft Fort…
> Sie gibt sie sich noch nicht geschlagen. Die grüne Kanzlerkandidatin über
> rot-grüne Chancen, Mobilität auf dem Land und Einkäufe mit dem Lastenrad.
Bild: „Bekenntnisse zu fordern, überlasse ich den beiden Herren von der GroK…
Annalena Baerbock tourt mit einem grünen Reisebus durchs Land, der so groß
ist wie der der Fußballnationalmannschaft. Draußen ist er mit dem
Grünen-Slogan beklebt: „Bereit, weil ihr es seid.“ Es sind 16-Stunden-Tage
für die Kanzlerkandidatin: Townhall-Formate auf Marktplätzen,
Besichtigungen in Firmen, Hintergrundgespräche mit Regionalzeitungen.
[1][Der Doppelstöcker ist eine mobile Wahlkampfzentrale]. Drinnen gibt es
eine Bordküche mit Kaffeevollautomat, Stockbetten für Nachtfahrten, ein
Separee für die Kanzlerkandidatin, Sonnenblumenlogos und Zimmerpflanzen.
Wir steigen in Halle an der Saale zu und führen das Interview auf der
Autobahn nach Frankfurt am Main. Der Tourmanager gießt für Baerbock
kochendes Wasser auf einen Teebeutel – gut für die Stimme. Baerbock nippt
am Tee. Draußen ziehen Felder, Windräder und Dörfer vorbei.
taz: Frau Baerbock, wenn Sie sich zum 19. April, dem Tag Ihrer Nominierung
als Kanzlerkandidatin, zurückbeamen könnten: Was würden Sie anders machen?
Annalena Baerbock: So manches. Aber: Hätte, hätte Fahrradkette. Es gibt nun
mal keine Zeitmaschinen. Ich denke jetzt an die nächsten zwei Wochen, die
entscheidende Phase des Wahlkampfes.
Wäre es nicht ehrlicher zu sagen, okay, Kanzlerin werde ich nicht mehr –
aber ich kämpfe für Klimaschutz in der nächsten Regierung?
Die nächste Regierung ist die letzte, die aktiv Einfluss auf die Klimakrise
nehmen kann. Es ist also die große Aufgabe unserer Zeit, die Weichen zu
stellen, damit Deutschland klimaneutral wird. Und das geht am besten, wenn
man eine Regierung anführt – dafür kämpfe ich. Die Klimakrise ist die
größte Gefahr für unsere Freiheit und unsere Sicherheit. Ein grokohaftes
Weiter-so wäre mehr als fahrlässig.
In Umfragen sind Sie auf 17 Prozent abgerutscht. War Ihr Slogan „Bereit,
weil Ihr es seid“ zu optimistisch?
Die Zustimmung zu unseren Themen ist so groß wie bei keiner Bundestagswahl.
Und ich erlebe eine gesellschaftliche Bereitschaft, über sich
hinauszuwachsen. Egal ob im Harz, auf der Schwäbischen Alb oder im
Ruhrgebiet – überall zeigt sich, was möglich ist. Lehrer*innen, die trotz
Corona dafür gesorgt haben, dass Kinder in Kleingruppen zu Schule gehen
können. Pflegerinnen, die über sich hinauswachsen. Manager, die sagen, wir
brauchen die Wasserstoffleitung in Eisenhüttenstadt, dann produzieren wir
klimaneutralen Stahl. Ich bin überzeugt: Da geht was.
Die Klimakrise erfordert disruptive Veränderungen. Viele Menschen wissen,
dass es nicht so weitergeht, aber zu viel Veränderung ist ihnen unheimlich.
Die Groko hat jahrelang das Schreckgespenst an die Wand gemalt, Klimaschutz
sei teuer und unsozial. Da muss man sich nicht wundern, dass Menschen
skeptisch sind. Klimaschutz muss für alle funktionieren. In Berlin-Mitte,
für den Zementarbeiter in Baden-Württemberg oder die Pendlerin in der
Uckermark. Engagierter Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehören
zusammen.
Aber auch die Grünen sind unehrlich, oder? Verzicht und zu viele Verbote zu
fordern, ist bei Ihnen tabu.
Nö, ich sage nur sehr klar: Die Klimakrise ist zu groß, als dass wir uns
allein auf ein Instrument stützen dürfen. Es braucht Förderung,
Preisanreize und Ordnungsrecht, ja. Verbote bedeuten übrigens oft
Fortschritt. Das haben wir bei FCKW-freien Kühlschränken gesehen. Jetzt
wollen wir zum Beispiel den Einbau von neuen Ölheizungen schnell verbieten,
weil es klimafreundliche Alternativen gibt. Aber kein Rentner braucht Angst
zu haben, dass ihm ein grüner Minister oder eine grüne Ministerin die
Heizung aus dem Keller reißt und er aufs Heizen verzichten muss.
Entscheidend für Klimaneutralität ist die Mobilitätswende. Müssen die
Deutschen weniger Auto fahren, um das Klima zu retten?
Weniger ist jedenfalls sinnvoller als immer mehr, klar. Gerade Großstädte
stehen ja teils vor einem Verkehrskollaps. Und autofreie Innenstädte können
ein Segen sein. Weniger Lärm und Schmutz, mehr Platz, auch für Kinder zum
Spielen. Die Stadt Brüssel hat aus der ruhigeren Coronaphase den Schluss
gezogen, den Autoverkehr zu beschränken. Warum nicht auch hier? Auf dem
Land ist das natürlich anders. Dort ist entscheidend, dass die Autos in
Zukunft emissionsfrei fahren. Wichtig ist mir auch, dass sich alle den
Umstieg auf ein E-Auto leisten können.
Wie wollen Sie E-Autos auch für Menschen attraktiv machen, die nicht viel
Geld zur Verfügung haben?
Durch ein Umsteuern in verschiedenen Bereichen. Große klimaschädliche
Verbrenner müssen über die Kfz-Steuer stärker für die ökologischen Schäden
aufkommen. Mit den Einnahmen wollen wir eine sozial gerecht gestaffelte
Kaufprämie für E-Autos gegenfinanzieren. Außerdem sollten gebrauchte
E-Autos stärker gefördert werden. So wird E-Mobilität auch für
Krankenpfleger und Friseurinnen interessant.
Fahren Sie eigentlich gerne Auto?
Geht so. Manchmal ist das Auto super praktisch. Wenn man zum Beispiel eine
Kommode vom Möbelhaus abholen muss. Zu Hause fahren wir einen Golf, von dem
wir hoffen, dass er es wieder durch den TÜV schafft. Für danach ist ein
E-Auto bestellt. Wenn ich in die Potsdamer Innenstadt will, um etwas
einzukaufen, nehme ich das Lastenrad.
Sie sind in einem Dorf bei Hannover aufgewachsen. Bedeutete der
Führerschein Freiheit für Sie?
Ja, der alte Polo meiner Eltern war für mich ein Stück Freiheit. Ich bin
damit frühmorgens von der Disko zurückgefahren und dann direkt in die
Bäckerei, wo ich gejobbt habe, um mir etwas dazuzuverdienen. Aber auch auf
dem Dorf hat nicht jede und jeder einen Führerschein. Es braucht deshalb
gut ausgebaute Regionalbahnen und einen starken öffentlichen Nahverkehr.
Ich will daher in der nächsten Regierung eine Mobilitätsgarantie für alle
umsetzen.
Wie soll diese Mobilitätsgarantie aussehen?
Die Idee ist einfach: An jedem Ort in Deutschland mit mindestens 500
Einwohner*innen muss zwischen 6 und 22 Uhr mindestens einmal in der
Stunde ein Bus oder eine Bahn fahren. Dazu muss der Bund den Ländern eine
höhere Finanzierung des ÖPNV zur Verfügung stellen. Das wollen wir
gegenfinanzieren, indem wir umweltschädliche Subventionen abbauen.
Ist so eine dichte Taktung realistisch? Die Unternehmen müssen rentabel
wirtschaften.
Das kann aber nicht das einzige Kriterium sein. Ebenso wie der Staat dafür
sorgen muss, dass es überall gute Schulen und schnelles Internet gibt, muss
er auch für gute Mobilität sorgen. Das ist seine Aufgabe. Und es muss ja
nicht überall der große Gelenkbus fahren, Kleinbusse oder Sammeltaxis tun’s
ja oft auch.
Ist die Finanzierung realistisch? Manche Kommunen sind reich und brauchen
keine Hilfe, aber viele sind hoch verschuldet.
Zwei Ideen, wie es gehen kann: Es braucht mehr Regionalisierungsmittel
durch den Bund für den Schienennahverkehr und Gelder von Bund und Ländern,
damit die Kommunen den Bürgerinnen und Bürgern Mobilität mit dem ÖPNV auch
garantieren können.
Und zweitens?
Es stimmt, dass viele Kommunen massiv verschuldet sind. Wuppertal muss sich
gerade entscheiden, ob es seinen kommunalen Beitrag lieber in
Hochwasserschutz investiert oder in neue Kitas. Stark verschuldete Kommunen
müssen auch investieren können, dafür brauchen sie finanziellen Spielraum,
etwa durch einen Altschuldenfonds, damit sie wieder Luft zum Atmen haben.
Braucht es eine Autokommission, so wie es eine Kohlekommission gab, die
sich auf einen Kohleausstieg einigte?
Eine Autokommission nach dem Vorbild der Kohlekommission halte ich nicht
für sinnvoll. Das Absurde ist ja, dass die Realität die Politik der Groko
längst überholt hat. CDU, CSU und SPD haben jahrelang in Brüssel für
spritfressende Limousinen und SUVs lobbyiert – und die Autokonzerne stellen
nun selbst auf E-Mobilität um.
Aber müsste der Wandel der Autoindustrie nicht stärker moderiert werden? An
der Branche hängen 800.000 Arbeitsplätze.
Klar. Die Transformation ist eine gewaltige Aufgabe und deshalb auch Sache
der Politik. Für den Wandel der Autoindustrie braucht es politische
Leitplanken. Wir würden etwa dafür sorgen, dass ab 2030 nur noch
emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Wie gute Kommunikation
funktioniert und man Betroffene mitnimmt, zeigt übrigens Winfried
Kretschmann in Baden-Württemberg. Er hat schon 2017 einen Strategiedialog
mit der Autoindustrie ins Leben gerufen.
Kretschmann tritt doch manchmal wie ein Lobbyist von Daimler auf, etwa als
er 2020 eine Kaufprämie für Verbrenner forderte.
Sein Strategiedialog ist ein Erfolg. Bei der Ladeinfrastruktur für E-Autos
ist Baden-Württemberg vorn, weil Landesregierung und Unternehmen an einem
Strang ziehen. Dort gibt es alle zehn Kilometer eine Ladesäule und eine
Schnellladesäule alle 20 Kilometer, auch im ländlichen Raum. Im neuen
Koalitionsvertrag ist verankert, dass sogar alle fünf Kilometer eine
Schnellladesäule stehen soll. Das brauchen wir in ganz Deutschland. Als
Bundeskanzlerin würde ich mir diesen Dialog als Vorbild nehmen.
Also keine Kommission, aber einen Dialog. Ist das nicht dasselbe?
Die Frage ist, ob man eine Entscheidung auslagert, weil man sich politisch
nicht traut – so war es bei der Kohlekommission –, oder ob man politische
Ziele formuliert und mit den Betroffenen nach dem besten Weg für das Wie
sucht. Es geht hier um den Umbau einer Kernindustrie, den müssen wir mit
den Fahrzeugbauern, Zulieferern und Beschäftigten zusammen gestalten.
Trotzdem werden Branchen wegbrechen und Zulieferer sterben. Wie fangen Sie
diesen Umbruch auf?
Mein Vorschlag ist ein Industriepakt. Die Unternehmen würden sich
verpflichten, in Klimaneutralität zu investieren, egal ob es der
Autozulieferer oder der Zementhersteller ist. Die Politik gibt
Planungssicherheit und unterstützt mit öffentlichen Zuschüssen. Wenn Firmen
dann später Gewinne machen, müssen sie die Zuschüsse zurückzahlen – und
garantieren, dass die Jobs in Deutschland bleiben.
Für Christian Lindner wäre das wahrscheinlich „Sozialismus“.
Ich nenne es: sozial-ökologische Marktwirtschaft.
Wie helfen Sie dem 40-jährigen Facharbeiter, der Getriebe montiert? Er ist
in neun Jahren arbeitslos, wenn Autokonzerne ab 2030 keine Verbrenner mehr
bauen dürfen.
Der Ausstieg aus dem Verbrenner kommt ja so oder so, auch international.
Deshalb: Nur wenn wir die Transformation hinbekommen, entstehen auch neue
Jobs. Und natürlich muss der Staat zusammen mit Unternehmen für
rechtzeitige Weiterqualifizierung sorgen. Facharbeiter brauchen
Unterstützung, sich neu zu orientieren.
Entscheidend wird sein, alle Menschen bei der ökologischen Transformation
mitzunehmen – auch Ärmere. Was ist für Sie das wichtigste soziale Thema,
das Sie in einer Bundesregierung durchsetzen wollen?
Erste Priorität in der Sozialpolitik hat für mich die Anhebung des
Mindestlohns auf 12 Euro. Das würde ich in einer Regierung schnell machen.
Sagt Olaf Scholz auch.
Die SPD war Jahre lang an der Regierung beteiligt, Olaf Scholz auch.
Damit Beschäftigte nach 45 Jahren Arbeit eine Rente oberhalb der
Grundsicherung erhalten, müssten sie 12,21 Euro pro Stunde verdienen. Warum
fordern Sie nicht 13 Euro Mindestlohn?
12 Euro ist das Mindeste, was man braucht, um von seiner eigenen Arbeit
existenzsicher leben zu können. Die Untergrenze. Es wäre eine Lohnerhöhung
für 8 bis 10 Millionen Menschen. Um das Rentenproblem anzugehen, hielte ich
es für sinnvoll, dass der Arbeitgeber Rentenbeiträge immer so zahlen muss,
als würde er mindestens 15 Euro die Stunde zahlen. Wenn er weniger zahlt
muss er die Differenz alleine begleichen, also auch den Arbeitnehmeranteil
auf die Differenz bezahlen.
Was wäre Ihnen in einer Regierung sozialpolitisch noch wichtig?
Die Kinder. Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut. So viele Mütter
oder Väter müssen zu ihrem Nachwuchs sagen: Nein, Schwimmbad ist nicht
drin, nein, ein Eis auch nicht, nein, die Sportschuhe schon gar nicht.
Deshalb brauchen wir eine Kindergrundsicherung, die unkompliziert an jede
Familie ausgezahlt würde.
Welche Summe schwebt Ihnen vor?
Jugendliche bekämen bis zu 547 Euro im Monat, jüngere Kinder weniger. In
der Kindergrundsicherung würden mehrere Leistungen zusammengefasst, etwa
das Kindergeld oder Zuschüsse für Bildungsteilhabe.
Olaf Scholz hat die Kindergrundsicherung neuerdings auch als
Wahlkampfschlager entdeckt. Ärgert Sie das?
Olaf Scholz fällt das Thema jetzt plötzlich im Wahlkampf ein – nach vier
Jahren als Finanzminister, in denen es keine Rolle spielte. Und seine SPD
war ja auch fürs Sozial- und Familienministerium zuständig. Insofern
zweifle ich etwas an der Ernsthaftigkeit.
Ein Hartz-IV-Bezieher bekommt im Moment 446 Euro im Monat. Ihre Fraktion
sagt, es müssten gut 150 Euro mehr sein, damit soziokulturelle Teilhabe
möglich ist.
Stimmt.
Im Wahlprogramm fordern die Grünen nur 50 Euro mehr. Warum?
Die 50 Euro wären ein erster Schritt.
Sie sagen im Grunde: Sorry, liebe Arbeitslose, aber echte Teilhabe wird’s
mit uns Grünen leider nicht geben.
Es wären schon mal spürbare Verbesserungen. Es bringt nichts, schöne Dinge
auf Wahlplakate zu schreiben, die ich dann nicht umsetzen kann. Andere
Parteien wollen gar keine Erhöhung.
Was muss sich noch bei Hartz IV ändern?
Wir wollen zum Beispiel die zu harten Zuverdienstgrenzen lockern.
Arbeitslose müssen unbürokratisch mehr dazuverdienen dürfen.
Da würde Lindner jetzt sagen: Frau Baerbock, die FDP ist dabei.
Ist doch schön, wenn man Gemeinsamkeiten entdeckt.
Ihre Vorschläge kosten Unsummen. Nehmen wir nur die Sozialpolitik. Wie hoch
wäre der zusätzliche Finanzbedarf – und woher soll das Geld kommen?
Die Kosten hängen davon ab, wie hoch man einsteigt, da gibt es Spielraum.
Wir wollen Reiche durch eine Vermögenssteuer stärker an der Finanzierung
des Gemeinwesens beteiligen, insbesondere was Bildung anbetrifft. Außerdem
möchten wir den Spitzensteuersatz leicht anheben, um geringe und mittlere
Einkommen zu entlasten. Unsere Investitionen wollen wir über die Änderung
der Schuldenbremse finanzieren. So finanzpolitisch seriös ist kein anderes
Wahlprogramm.
Das reicht nicht. Eine Vermögenssteuer würde nur 15 Milliarden einbringen,
an der Schuldenbremse hält selbst die SPD fest.
Ich war noch nicht fertig. Durch Steuerhinterziehung entgehen dem Staat im
Jahr zweistellige Milliardensummen. Das ist ein Skandal, über den zu wenig
gesprochen wird. Beim Kampf gegen Steuerbetrug ist sicher mehr Druck
gefragt als in den letzten Jahren. Dieses Geld darf sich der Staat nicht
entgehen lassen.
Warum sollten sich ärmere Leute bei den Grünen gut aufgehoben fühlen? Ihrem
Lebenslauf – Abi, Londoner Elite-Uni, direkt in die Politik – nimmt man es
einfach nicht ab, dass Sie jemals erfahren haben, wie es ist, kein Geld zu
haben.
Eine Politikerin muss nicht alles am eigenen Leib erlebt haben, um richtige
Antworten zu finden. Das ist doch der Sinn unserer repräsentativen
Demokratie.
Es geht um Glaubwürdigkeit. In der Grünen-Führung findet man nur
bildungsbürgerliche Biografien.
Erstens stimmt das so nicht. Zweitens: Insgesamt sind im Bundestag, ja in
der Politik deutlich mehr Menschen mit Hochschulabschluss vertreten als
ohne. An der Frage der Repräsentanz müssen also alle politischen Parteien
arbeiten.
Mindestlohn, Abschied von Hartz IV, Kindergrundsicherung, all das können
Sie nur in einem rot-rot-grünen Bündnis umsetzen …
… ah, jetzt kommen die Koalitionsfragen.
Warum betonen Sie stets die Differenzen in der Außenpolitik mit der Linken
– und nicht die Gemeinsamkeiten?
Große Differenzen gibt es auch in der Innenpolitik. Den Verfassungsschutz
einfach abzuschaffen, ohne zu sagen, wie wir Rechtsextremismus stattdessen
besser bekämpfen, ist zum Beispiel ein gravierendes Problem. Aber klar, es
ist keine Neuigkeit, dass wir in der Sozial- und Steuerpolitik teils
ähnliche Vorstellungen wie die SPD und ja, auch wie die Linkspartei haben.
Aber Verlässlichkeit und Handlungsfähigkeit in der Außenpolitik ist nun mal
wichtig. Ich habe den Eindruck, dass die Linke selbst nicht weiß, ob sie
regieren will.
[2][Die Linkspartei] hat gerade ein Sofortprogramm für Sondierungen
vorgelegt. Ist Ihnen das entgangen?
Nein. Sie hat sich aber auch im Bundestag enthalten, als es um die
Bundeswehrluftbrücke in Afghanistan ging. Ernsthaft: Als Demokratin
schließe ich Dinge nicht kategorisch aus. Angesichts der AfD, die die
Demokratie aushöhlen will, müssen alle demokratischen Parteien in der Lage
sein, miteinander zu sprechen. Diese Erfahrung haben wir vor allem in den
ostdeutschen Bundesländern gemacht. Und im Gegensatz zur CDU setze ich die
Linke nicht mit der AfD gleich.
Wann haben Sie zuletzt mit Janine Wissler, der Linken-Spitzenkandidatin,
gesprochen?
Natürlich spreche ich mit der Linken, genauso wie mit der CDU, der FDP oder
der SPD. Mit den Sozialdemokraten haben wir sozialpolitisch die größten
Schnittmengen, und könnten, wenn es für eine Zweierkoalition reichen würde,
da natürlich am meisten erreichen.
Sie glauben wirklich an Rot-Grün?
Zuallererst kämpfe ich dafür, dass wir eine Regierung haben, die für
Erneuerung in diesem Land steht und von den Grünen angeführt wird. Wenn man
selbst daran glaubt, ist alles drin. Und zu Ihrer Frage: Im Wahlkampf 2002
gab es bis kurz vor der Wahl keine klare Mehrheit für Grüne und SPD. Dann
kam alles anders.
Wahrscheinlicher ist, dass Sie sich [3][mit der FDP arrangieren müssen.]
Das wird sich zeigen. Wir regieren in den Ländern in unterschiedlichen
Koalitionen, und in Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein funktioniert im
Bündnis mit den Liberalen so einiges, was für die FDP im Bund nicht
vorstellbar zu sein scheint. Aber klar ist: Wenn mögliche Koalitionspartner
sagen, wir rauchen das Pariser Klimaschutzziel in der Pfeife, dann wird das
so nix.
Fordern Sie von der FDP ein Bekenntnis zum Abschied von Hartz IV?
Bekenntnisse zu fordern, das überlasse ich den beiden Herren von der Groko.
11 Sep 2021
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Ulrich Schulte
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