Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Olaf Scholz vor der Bundestagswahl: Der kichernde Dritte
> Olaf Scholz ist beliebter als Laschet und Baerbock. Profitiert er nur von
> deren Fehlern? Oder spricht doch mehr für die SPD, als viele dachten?
Bild: Olaf Scholz beim Besuch des Zementwerks Cemex östlich von Berlin
Olaf Scholz trägt eine gelbe Warnweste über dem blauen Anzug. Helm und
Schutzbrille hat er wieder abgenommen und schaut auf Stelltafeln, die
zeigen, wie Zement produziert wird. Ein beseelter Ingenieur der Cemex AG
versucht, den komplexen Prozess in Schaubildern zu erklären. Es ist einer
von zweihundert Wahlkampfauftritten, die der Mann, der Kanzler werden will,
absolviert. „Das ist ein ganz, ganz wichtiger Termin“, sagt er. Das stimmt
sogar.
Die Produktion von Zement sorgt global für acht Prozent der CO2-Emissionen,
mehr als doppelt so viel wie der weltweite Flugverkehr. Ohne Zement kein
Beton. Ohne CO2-freien Beton keine Klimawende. Das passt zu Scholz’
Botschaft: Die Rettung des Klimas brauche „keinen Verzicht“, sagt er,
sondern Modernisierung. Bessere Industrie, nicht weniger. Das Zementwerk in
Rüdersdorf im Osten Berlins ist dafür ein guter Ort, hier kann Scholz
Klimaschutz mit Bauarbeiterlook verbinden.
Auch chemische Formeln spielen bei dem Ingenieursvortrag eine Rolle. Die
mitgereiste Hauptstadtpresse gibt sich Mühe, geduldig zu folgen. Scholz,
ironisch: „Das haben Sie sich jetzt bestimmt alle gemerkt.“
Das Besondere bei der Zementproduktion ist: Mehr als zwei Drittel der
Emissionen sind auch mit Ökoenergie unvermeidbar. Sie entstehen bei der
Zerkleinerung von Kalkstein. Rüdersdorf soll 2030 das erste Werk der Welt
sein, das Zement ohne CO2-Emission herstellt. Das freiwerdende CO2 soll per
Wasserstoffpipeline und Elektrolyse zu Flugzeugkraftstoffen synthetisiert
werden. Der Umbau wird ein gigantisches Hightech-Projekt. „Die Bevölkerung
muss sich daran gewöhnen, dass auf den Feldern statt Raps Solaranlagen
stehen. Dafür brauchen wir die Unterstützung der Politik“, sagt die
Unternehmenssprecherin forsch. Und: „Wir erwarten von Olaf Scholz die
Beschleunigung der Genehmigungsverfahren.“
## Alles ist möglich. Sogar das Kanzleramt
Scholz fusioniert die klassische Nähe der SPD-Rechten zu Managern und
Firmenchefs mit der Macherattitüde in Sachen Klima. So will er gesehen
werden. Dass die „chemische Industrie 2050 so viel Strom verbrauchen wird
wie heute ganz Deutschland“ gehört zu seinen Standardsätzen. Dafür müssen
Windfelder erschlossen, Stromtrassen gebaut und Solartechnik gefördert
werden. Um das Historische der Herausforderung zu illustrieren, verweist
Scholz gern auf das Ende des 19. Jahrhunderts, als Staat und Unternehmen
gemeinsam die industrielle Infrastruktur schufen. Wir brauchen „eine
Revolution in den Genehmigungsverfahren“ sagt Scholz. Er brüllt diesen Satz
fast ins Mikro.
Wie diese Revolution konkret aussehen soll, bleibt offen. Ebenso, warum die
SPD, die seit 1998 mit einer Unterbrechung von vier Jahren regiert, diese
Revolution erst jetzt so dringlich findet. Die Botschaft der Partei ist:
Das Großprojekt klimaneutraler Umbau kann nur einer managen – Olaf Scholz.
Voluminöse Staatsinvestitionen sind, glaubt man Scholz, für den kompletten
Umbau der deutschen Industrie nicht nötig. Es gebe genug privates Kapital,
das deutsche Infrastruktur für ein sicheres Investment hält. Cemex ist für
diese These indes kein brauchbares Beispiel. Für den Umbau in Rüdersdorf
mit Ökoenergie und Wasserstoffpipeline kalkuliert der Konzern mit knapp 200
Millionen Euro Fördergeldern.
Die SPD galt in Sachen Bundestagswahl lange als chancenlos. Noch Mitte Juli
wollten laut Umfragen nur 15 Prozent der Deutschen SPD wählen – und fast
doppelt so viele die Union. Jetzt liegen SPD und Union gleichauf. Und Olaf
Scholz ist weit populärer als Armin Laschet und Annalena Baerbock. Alles
ist möglich. Sogar das Kanzleramt.
## Er wirkt verkrampft
Der Rundgang über das Zementwerk führt zu einer Halle, groß wie drei
Kathedralen, in der lärmend Kalksteinschotter über ein Förderband
transportiert wird. Ingenieur Stefan Schmorleiz hebt einen faustgroßen
Schotterstein auf und sagt mit kräftiger Stimme: „Der besteht zu 44 Prozent
aus CO2.“ Scholz, mit Helm und Weste, nickt verständig. Dann drückt
Schmorleiz dem Kanzlerkandidaten den Kalksteinschotter in die Hand. Die
Fotografen gehen in Position. Endlich ein sinnliches Motiv. Der Mann, der
vielleicht bald Kanzler sein wird, vor recht eindrucksvoller
Industriekulisse. Scholz lächelt. Und weiß nicht so recht, was er mit dem
Schotterstein anfangen soll. Er dreht sich um und lässt ihn in der Halle
fallen. Er wirkt verkrampft.
Das Lässige, den nebenher eingestreuten Scherz, der die Stimmung
auflockert, hat Scholz selten im Repertoire. Auch das Joviale oder
Onkelhafte sind nicht seins. Scholz ist spröde – keiner, der im Wahlkampf
mit allen ins Plaudern kommt. Er wartet eher ab, was auf ihn zukommt.
Später, auf dem Oberdeck eines Schiffs auf der Havel, winken Ruderer.
Scholz erwidert den Gruß. Von sich aus würde er so etwas eher nicht machen.
Es gibt selten Anlässe, ihn sympathisch zu finden. Aber auch Joe Biden, wie
Scholz seit langem im politischen Geschäft, ist nicht US-Präsident
geworden, weil er so ein schillernder Charakter ist.
Wenige kennen Scholz so gut wie Wolfgang Schmidt, 50, Staatssekretär im
Bundesfinanzministerium und seit 20 Jahren Scholz’ enger Berater. Schmidt
ist locker, offen, diskussionsfreudig und immer der Meinung, dass sein Chef
alles richtig macht. Und am Ende siegen wird.
## Das Horrorszenario ist abgewendet
Mit Kritikern wie Fabio De Masi von der Linkspartei, der Scholz wegen
seiner erstaunlichen Erinnerungslücken in der
[1][Cum-Ex-Warburg-Bank-Affäre] angriff, lieferte sich Schmidt
Twitter-Duelle. Krise der SPD? Wirecard? Monatelang desolate Umfragen, die
Scholz’ Bekundungen, dass er Kanzler wird, zusehends trotzig wirken ließen?
All das zählt für Schmidt nicht. „Scholz ist schon oft niedergeschrieben
und politisch für tot erklärt worden. Er hat alles überstanden“, sagt er
Mitte August in seinem Zimmer im Finanzministerium, dem unwirtlich
wirkenden NS-Bau in der Berliner Wilhelmstraße.
„Wir waren immer grundentspannt“, sagt Schmidt. Er sei von Anfang an
überzeugt gewesen, dass die Frage, wer Merkel nachfolgen soll, bei den
meisten erst im August auf dem Radar auftauchen würde. Dass dann der Moment
komme. „Wir haben immer gesagt, dass die SPD im August auf Augenhöhe mit
den Grünen liegen wird. Und wurden dafür ausgelacht. Viele haben gedacht:
Lass die mal reden.“
Das Horrorszenario für die SPD – Schwarz kämpft gegen Grün und keiner redet
von Scholz – scheint vier Wochen vor der Wahl abgewendet. Vor dem Duell mit
Laschet muss der SPD nicht bange sein. „Bei der inhaltlichen
Auseinandersetzung mit der Union um Mindestlohn, Renten und Abschaffung des
Soli für Reiche haben wir 80 Prozent der WählerInnen auf unserer Seite“,
sagt Schmidt.
Er lag mit seinem Optimismus richtig. Auch wenn das nicht nur mit dem alles
überstrahlenden Genie von Scholz zu tun hat. Denn die SPD hat fast
unverschämtes Glück. Der gepimpte Lebenslauf von Annalena Baerbock hat vor
allem ältere WählerInnen nachhaltig abgeschreckt. Armin Laschets
Performance ist bislang eine Serie von Pannen. Scholz, berüchtigt für sein
Kichern über eigene Witze, ist der kichernde Dritte.
## Lieber Zahnschmerzen als Rot-Grün-Rot
Die SPD liegt laut Umfragen gleichauf mit der Union. Manches spricht dafür,
dass dieser Trend stabil ist. Anders als 2017, als die SPD zuletzt vor der
Union lag. Der Schulz-Hype verflog damals schnell. Nico Siegel, Chef des
Umfrageinstituts infratest dimap, sieht zwischen Scholz 2021 und Schulz
2017 vor allem Unterschiede. Das Schulz-Hoch „war acht Monate vor der Wahl.
Jetzt sind es noch vier Wochen. Und Scholz hat ein eindeutigeres Profil.“
Mit Schulz, dem Unbekannten, verbanden sich diffuse Hoffnungen. Scholz
kennen alle, und große Hoffnungen, die enttäuscht werden könnten, hat
sowieso keiner.
Diese Wahl wird nicht gegen die Älteren gewonnen. Knapp 22 Prozent der
WählerInnen sind über 65, so viele wie noch nie. Für die Union war diese
Gruppe, die verlässlicher als Junge zur Wahl geht, immer eine politische
Lebensversicherung. Doch gerade Ältere wenden sich jetzt von der Union ab.
[2][Deren Anti-links-Kampagne, die darauf zielt, Ältere zu verunsichern und
laut Siegel „Wechselwähler in dieser Gruppe davon abzuhalten, ihr Kreuz bei
der SPD zu machen“, wirkt hyperventiliert.] Auch deshalb sind die Zahlen
für Scholz (30 Prozent wollen ihn als Kanzler, nur 11 Prozent wollen
Laschet) so gut.
Der Kanzlerkandidat macht weiter das, was er schon seit Monaten tut. Er
gibt stoisch Sätze von sich, die sich kaum jemand merken kann. Rot-Grün-Rot
schließt er formal nicht aus. Möglichkeiten zu streichen, auch
unwahrscheinliche, wäre unklug für die Pokerrunden nach der Wahl. Aber man
kann an seiner Minimalmimik ablesen, dass er lieber Zahnschmerzen hätte als
eine Mitte-links-Regierung zu führen. In einem Bild-TV-Interview ließ er
sich zu der Formulierung hinreißen, Deutschland könne nur regieren, wer die
Nato „aus vollem Herzen“ bejahe. Offenbar würde ihm sogar ein Ja der
Linkspartei zur Nato nicht reichen.
Scholz versucht den Angela-Merkel-Ähnlichkeitswettbewerb zu gewinnen. Er
ist der Pragmatiker, der die Details kennt. Er fräst sich durch Akten – und
regelt am Ende alles irgendwie. Er ist vorsichtig und kontrolliert. Er weiß
fast alles. Aber, anders als Merkel, auch alles besser.
## Kommt der Basta-Scholz zurück?
Scholz hat schon immer kundgetan, dass, wer bei ihm Führung bestellt, auch
Führung bekommt. Kritik ließ er oft an sich abperlen. Den Spitznamen
Scholzomat verdiente er sich, als er jede Kritik an der Agenda-Politik
kleinredete. Beim G20-Desaster 2017, als er als Hamburger Bürgermeister die
Gewalteskalation unterschätzte, war er beratungsresistent.
Mit Macht ist bei Scholz nicht wie bei Merkel Macht durch Moderation
gemeint. Sondern die zackige Ansage von oben. Da ist Scholz ein
Sozialdemokrat alten Schlages. Als der Parteilinke Kevin Kühnert und die
Parteispitze Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken ihm aus eigenem
Antrieb die Kanzlerkandidatur antrugen, war dies ihr größter Vorbehalt.
Hält der Frieden mit Scholz auch, wenn die SPD Erfolg hat? Oder kommt dann
der Basta-Scholz wieder zu Vorschein?
„Vielleicht haben ihn das G20-Debakel und die Niederlage bei der Wahl zum
Parteichef wirklich etwas demütiger gemacht“, sagt Gesine Schwan, 78, die
große Dame der Sozialdemokratie und eine der wenigen kreativen
Intellektuellen in der Partei. Auf der Plusliste sieht sie, dass Scholz
sich „von kompetenten, eher linken Ökonomen wie Sebastian Dullien und
Gustav Horn beraten lässt und ein Ethos intellektueller Redlichkeit“ hat.
Scholz liest viel. Zuletzt hat ihn der US-Philosoph und
Gerechtigkeitstheoretiker Michael Sandel beeindruckt, der das Übermaß an
Ungleichheit und die Arroganz der akademischen Eliten kritisiert. Viele
rühmen die Auffassungsgabe und Intelligenz von Olaf Scholz.
Schwan, die ihn seit fast 20 Jahren kennt, zweifelt aber, ob der Erfolg dem
selbstbewussten Hamburger nicht allzu schnell zu Kopf steigen wird. „Er
setzt zu viel auf Disziplin und Kader“, sagt sie. „Und er hat Angst vor
Debatten, die er nicht kontrollieren kann.“ Im Erfolg lauert die Hybris.
„Wenn Scholz sogar die Union besiegt, ist die Gefahr da, dass er sagt: Ich
hatte Recht, ihr folgt mir jetzt.“ Für Schwan ist das eine
Schreckensvorstellung. „Eine SPD, die nicht öffentlich diskutiert, ist
keine Sozialdemokratie.“
## Die SPD wirkt mit sich selbst versöhnt
Eine Frage lautet nun: Profitiert die SPD nur von den Desastern der
Konkurrenz – oder wird erst jetzt ihre verborgene Stärke sichtbar? Schwan,
Chefin der SPD-Grundwertekommission, glaubt, dass beides der Fall ist. Die
Leitmedien hätten die SPD vorschnell abgeschrieben und dabei übersehen,
dass die Partei ihren „Mangel an geistiger Lebendigkeit und die
Kapitulation vor dem Neoliberalismus“ überwunden hat.
Da ist etwas dran. Die SPD war in Merkels Schatten unterbewertet. Und sie
wirkt derzeit mit sich selbst versöhnt. Nur deshalb kann sie von der
Schwäche der anderen profitieren. Der Konsens hat viele Gründe.
In einem zähen Prozess hat die Partei nach 20 Jahren den Zoff um die
Agenda-Politik überwunden: weniger Sanktionen bei Hartz IV, Grundrente für
Geringverdiener und mehr Geld für Kinder in armen Familien – so das
Konzept. Als Kitt wirkt auch die Angst, in der Bedeutungslosigkeit zu
verschwinden, so wie die Schwesterpartei in den Niederlanden. Und: Corona
hat viele alte Gräben zugeschüttet. Das Kurzarbeitergeld und Scholz’
Corona-Bazooka haben sogar manche No-Groko-AktivistInnen mit der
SPD-Regierungsbeteiligung versöhnt.
Zudem hat der SPD-Rechte Scholz Positionen des linken Flügels übernommen:
12 Euro Mindestlohn, die Forderung nach sanften Steuererhöhungen für Reiche
und die [3][globale Mindestbesteuerung]. Bei der Schwarzen Null, die Scholz
2019 noch verteidigte, als wären es die Kronjuwelen, hat der
Kanzlerkandidat sich widerstrebend eines Besseren belehren lassen. Sogar
konservative Ökonomen fanden es unsinnig, bei Nullzinsen die marode
Infrastruktur weiter verfallen zu lassen.
## Viele BürgerInnen sind veränderungsmüde
Der linke Flügel hingegen ist personell so blass und ausgezehrt, dass er
kaum eine Gefahr für Scholz’ Machtansprüche darstellt. Die Juso-Chefin
Jessica Rosenthal lobt Scholz in höchsten Tönen, dabei war er vor nicht
allzu langer Zeit noch der Lieblingsgegner der Jusos. Die Zusammenarbeit
mit ihm sei „sehr wertschätzend“ und „von gegenseitigem Respekt geprägt…
sagt sie. Inhaltlich sei man sich eigentlich völlig einig.
Man kann rechts und links in der SPD neuerdings durchaus mal verwechseln.
Deshalb wird auch der Versuch der Union, Scholz als Marionette der
SPD-Linken zu attackieren – wer Scholz wähle, bekomme Esken – ins Leere
laufen.
Vor ein paar Monaten schien es viele gute Gründe zu geben, warum die SPD
die Wahl nicht gewinnen kann. Die SPD regiert seit Langem, und Scholz steht
wirklich nicht für das Neue, das ja bestimmt in der Post-Merkel-Zeit
nachgefragt würde. Doch die Stimmung ist vier Wochen vor der Wahl anders:
lieber keine Veränderung. Viele BürgerInnen sind nach mehreren Lockdowns,
der Flut, angesichts des gigantischen Öko-Umbaus der Industrie in den
nächsten Jahren und der Digitalisierung veränderungsmüde. Sie wollen keine
schwungvolle Reform, keine neuen Gesichter, sondern Konstanz. Und
unauffällige Kontinuität verkörpert – Scholz.
Eine Schwachstelle der SPD ist aber der Mangel an einer einleuchtenden
Machtperspektive. Scholz will die Ampel mit Grünen und Liberalen. Christian
Lindner will sie nicht. Kritischen Fragen in Sachen Ampel weicht Scholz
aus. In seinem Umfeld gibt es die Hoffnung, dass die FDP in einer Regierung
mit Rot-Grün den sichtbaren Wahrer von Sparwillen und
Wirtschaftsliberalismus spielen könnte – auf der Kontrastfolie von Rot-Grün
eine Heldenrolle. Die FDP wäre dann die erste Adresse für den Bundesverband
der Deutschen Industrie, Unternehmerverbände und die üblichen
Lobbyverbände.
Doch die FDP wird den Preis für diesen Lagerwechsel sehr hoch treiben.
Scholz aber hat immer wieder versprochen, dass er als Kanzler schnell 12
Euro Mindestlohn einführen wird. Wie das mit der FDP gehen soll, ist,
gelinde gesagt, unklar. Wenn die SPD, um das Kanzleramt zu erobern, der FDP
bei Steuern und Löhnen freie Hand lässt, ruiniert sie ihre gerade wieder
halbwegs reparierte Glaubwürdigkeit in Gerechtigkeitsfragen. Scholz kann
als Merkel-Imitator zwar vielleicht Kanzler werden. Aber wie Merkel
regieren kann er nicht.
## Demut und das Warten auf den richtigen Titel
Trotzdem ist Scholz derzeit locker drauf. Es läuft ja. „Das Momentum ist
aktuell auf der Seite der SPD“, so Wahlforscher Siegel. Seit einem Jahr
erklärt Scholz unverdrossen trotz mieser Umfragen, dass die Stunde der SPD
noch kommen wird. Viele hatten dafür nur Häme übrig. Und er lässt sich die
Genugtuung, es jetzt allen Zweiflern und Nörglern zu zeigen, nicht
anmerken. Das fällt ihm, dem Kontrollierten, leicht. Seit die Umfragen
steigen, redet er oft von Demut. „Es freut mich, dass die Zustimmung
wächst“, sagt er bei Bild-TV mit starrem Gesicht und ohne Anflug eines
Lächelns. Bloß kein zu früher Jubel. Das politische Leben habe ihn Demut
gelehrt.
Auf seiner Wahlkampftour schaut sich Scholz in einem Technologiezentrum im
Süden Berlins ein Start-up an, das Notarzteinsätze mit digitaler Technik
verbessert und beschleunigt. Der Firmenchef spricht den SPD-Mann mit „Herr
Doktor Scholz“ an. Scholz kontert, er sei kein Doktor. Und scherzt:
„Falsche Titel sind im Wahlkampf schwierig“. So schlagfertig ist er nicht
immer.
Und er will einen anderen Titel.
28 Aug 2021
## LINKS
[1] /Wirecard-Untersuchungsausschuss/!5773162
[2] /Hoehenflug-der-SPD/!5791675
[3] /Globale-Mindeststeuer/!5783924
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Annalena Baerbock
Wahlkampf
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Podcast „Vorgelesen“
GNS
Olaf Scholz
Armin Laschet
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Kolumne Der rote Faden
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Lesestück Recherche und Reportage
Lesestück Recherche und Reportage
Podcast „Bundestalk“
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erhöhung der Hartz-IV-Sätze: Das Elend wird weitergehen
Die Mini-Erhöhung der Bedarfssätze zeigt den Zynismus des Hartz-IV-Systems.
Auch nach der Wahl können Betroffene kaum Unterstützung erwarten.
CDU/CSU in der Krise: Auf der Kippe
Die Union ist nach 16 Jahren Angela Merkel ausgelaugt. Verliert sie die
Wahl, wird sie es in der Opposition um ein Vielfaches schwerer haben als
1998.
Umfragehoch für die SPD und Scholz: Genies, Deppen, Strategien
Ausgeklügelte Taktik oder Zufall? Der überraschende Umfrageerfolg der SPD
und ihres Kandidaten Olaf Scholz beruht vermutlich auf beidem.
TV-Triell der Spitzenkandidat:innen: Unentschieden mit einem Gewinner
Einen klaren Sieger gab es in der ersten TV-Debatte nicht. Das nützt wohl
vor allem dem Favoriten Olaf Scholz – auch wenn der etwas verschlafen
wirkt.
TV-Triell der Spitzenkandidat:innen: Vom Tiger zum Ahnungslosen
Vieles bleibt beim ersten Triell der Kanzlerkandidat:innen diffus.
Doch grobe Linien werden klar – was auch an Laschets verbissen wirkenden
Angriffen liegt.
Wahlkampfauftakt der Union: Ein Pfeifen im Walde
Beim Wahlkampfauftakt der Union ist sogar die Kanzlerin da. Während ihr
Möchtegern-Nachfolger Laschet nervös wirkt, stiehlt ihm ein anderer die
Show.
Armin Laschet im Wahlkampf: Gegen den Trend
Die Umfragewerte für die CDU sind schlecht, die für ihren Kandidaten
Laschet noch mieser. Jetzt versucht er die Stimmung zu drehen. Kann das
gelingen?
Aus dem Archiv: Ära der Kanzlerin: Sechs Mythen über Merkel
Angela Merkel tritt nach der Bundestagswahl als Kanzlerin ab. Doch vieles,
was wir über sie zu wissen glaubten, stimmt nicht.
Podcast „Bundestalk“: Verändert die Flut den Wahlkampf?
In der Flutkatastrophe fahren Union, SPD und Grüne verschiedene Strategien
und bleiben beim Thema Klima.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.