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# taz.de -- Wahlkampfauftakt der Union: Ein Pfeifen im Walde
> Beim Wahlkampfauftakt der Union ist sogar die Kanzlerin da. Während ihr
> Möchtegern-Nachfolger Laschet nervös wirkt, stiehlt ihm ein anderer die
> Show.
Bild: Sie hat den Job, den er haben will: Kanzlerin Merkel und Möchtegern-Nach…
Berlin taz | Armin Laschet steht am Pult und blickt ernst, ja beinahe
grimmig ins spärlich besetzte Auditorium. Normalerweise passen mehrere
Tausend Menschen in das Berliner Tempodrom, das sich CDU und CSU als Bühne
für ihren offiziellen Wahlkampfauftakt an diesem Samstag ausgesucht haben.
Aber in diesem Wahlkampf ist nichts normal. Nur rund einhundert vorwiegend
jüngere Christdemokrat:innen dürfen als Claqueure dabei sein. Sie
geben sich alle Mühe. Doch Bierzeltstimmung will nicht aufkommen. Aber das
wäre ja schließlich auch etwas unangebracht angesichts der Situation der
Welt im Allgemeinen und der Union im Besonderen.
Laschet versucht, sich kämpferisch zu geben. „Ich werde kämpfen, mit allem,
was ich kann, dass dieses Land nicht von Ideologen übernommen wird“, ruft
der Kanzlerkandidat der Union in den Saal. CDU und CSU wollten nicht
regieren, weil sie Lust daran hätten, „sondern weil wir regieren müssen,
damit Deutschland einen guten Weg nimmt“. Laschet ist sichtbar bemüht, das
Image des Luschen-Laschi, das er sich mit allerlei Tölpeleien in den
zurückliegenden Wochen hart erarbeitet hat, wieder abzustreifen. Die Zeit
bis zum Wahltag ist knapp, der Abwärtstrend der Union bislang nicht
gestoppt.
Ein paar Dutzend Aktivist:innen der Klimaschutzbewegung Extinction
Rebellion stehen und sitzen zwischen Anhalter Bahnhof und Tempodrom vor der
ersten Polizeisperre. Weiter kommen sie nicht. Das hatten sie sich wohl
etwas anders vorgestellt. Von der Veranstaltung bekommen sie nur den großen
Tourbus Armin Laschets zu sehen, der vor der Tür steht. „Gemeinsam für ein
modernes Deutschland“ steht darauf. Die Vorstellungen, wie ein solches
modernes Deutschland aussehen sollte, dürften dies- und jenseits der
Absperrungen auseinandergehen. Als Laschet als Letzter seinen Auftritt auf
dem Unionsevent hat, sind die Klimarebell:innen schon längst wieder
abgezogen.
Laschet formuliert markig, bleibt jedoch inhaltlich blumig. „Eins ist klar:
Es kann kein Weiter-so in der Außen- und Sicherheitspolitik geben“,
verkündet er. Doch was heißt das? Sieht er jetzt Auslandseinsätze der
Bundeswehr generell kritischer? Will er etwa die deutschen Soldat:innen
aus Mali abziehen? Nein, das Einzige, was ihm einfällt, ist, demnächst in
der Lage sein zu wollen, einen Flughafen wie den in Kabul auch alleine ohne
die USA zu sichern. Ist das wirklich die Lehre aus dem fast 20-jährigen
Afghanistan-Desaster der Bundeswehr?
## Nicht mit der Linkspartei – wer hätte das gedacht?
Reichlich krude wird es, wenn er den Grünen vorwirft, im März mehrheitlich
nicht für die absurde letzte Verlängerung des deutschen Afghanistan-Mandats
bis zum 1. Januar 2022 gestimmt zu haben. „Wenn wir den Grünen gefolgt
wären, wäre der Einsatz schon im März wahrscheinlich in diesem Chaos
gelandet“, behauptet Laschet. Das ist schlicht grober Unfug. Denn wäre das
Mandat tatsächlich im März nicht verlängert worden, hätte das zusätzliche
Zeit gebracht für die Evakuierung deutscher Staatsbürger:innen und
afghanischer Schutzbedürftiger. Ob die Große Koalition diese Zeit dann auch
genutzt hätte, ist eine andere Frage.
Immer wieder attackiert Laschet in seiner Rede die Grünen und auch die SPD,
die derzeitige Koalitionspartnerin der Union. Gleichzeitig wirbt er jedoch
auch um sie: „Wir wollen mit den Parteien der demokratischen Mitte
koalieren.“ Nicht regieren will er hingegen, was für eine Überraschung, mit
der Linkspartei: „Wir sagen, wir werden mit der Linken nicht koalieren“ –
und zwar „aus inhaltlichen Gründen“. Wer hätte das gedacht?
Dem Unionskanzlerkandidaten ist anzumerken, dass er nervös ist. Immer
wieder fingert er an seiner Brille herum. Auch diesmal schafft er es nicht,
ganz stolperfrei durch seine Rede zu kommen. 1977 habe die
Polizeispezialeinheit GSG9 „Deutsche aus der entführten Lufthansa-Maschine
in Landshut befreit“, verkündet er – und verwechselt damit den Namen des
Flugzeugs mit dem Ort des Geschehens, fand doch die Befreiungsaktion in der
somalischen Hauptstadt Mogadischu statt. Nein, Laschet hat einfach keinen
guten Lauf.
Zu seiner Unterstützung sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und der
bayerische Ministerpräsident Markus Söder ins Tempodrom gekommen. „Ich habe
Armin Laschet in all den Jahren als einen Menschen und Politiker erlebt,
für den das ‚C‘ im Namen unserer Partei nicht irgendein Buchstabe ist,
sondern in allem, was er getan hat, der Kompass“, preist Merkel ihren
Möchtegern-Nachfolger an. In 72 Jahren Bundesrepublik hätte die Union über
50 Jahre lang den Kanzler beziehungsweise die Kanzlerin gestellt. „Das ist
Anlass und Ansporn, dafür zu werben, dass diesen über 50 Jahren über diese
Legislaturperiode hinaus weitere solche Jahre folgen.“
## Söder spricht doppelt so lang wie geplant
Auch Markus Söder stellt sich, wie könnte es anders sein, hinter Laschet.
Gleichwohl dürfte der Auftritt des CSU-Chefs bei seinem CDU-Kollegen
gemischte Gefühle hinterlassen haben. Denn Söder überzieht seine eigentlich
vorgesehene Redezeit kräftig. Statt 15 Minuten spricht er eine halbe
Stunde. Nicht nur damit raubt er Laschet die Show.
„Lasst uns auch einen Moment ehrlich sein“, fordert Söder. „Es ist knapp,
es wird sehr knapp werden in den nächsten Wochen.“ Jeder in der Union müsse
„kapieren mit dem heutigen Tag, dass es echt um alles geht“. Es sei „die
Zeit, endlich zu kämpfen“. Und er ruft in den Saal: „Wir können es noch,
wir sind nicht am Ende, wir sind nicht ausgelaugt.“ Es klingt wie ein
Pfeifen im Walde. „Ich will, dass Armin Laschet Kanzler wird und nicht Olaf
Scholz oder Annalena Baerbock“, sagt Söder. Aber kein Zweifel: Am liebsten
hätte er sich selbst als nächsten Bundeskanzler gesehen.
Aber wenigstens dürfte Laschet der Auftritt von Friedrich Merz gefallen
haben. Der wird aus dem Sauerland zugeschaltet. „Man kann Armin Laschet das
Land anvertrauen“, sagt er. Der so Angepriesene revanchiert sich und lobt
Merz als einen „Finanz- und Wirtschaftspolitiker, nach dem sich andere
Parteien sehnen würden“. Laschet übt den großen Schulterschluss: „Wir
wollen die Wahl gewinnen mit allen, die dazu gehören: den
Christlich-Sozialen, den Liberalen und den Konservativen in unserer
Partei.“ Auf eine Schalte nach Südthüringen zu Hans-Georg Maaßen
verzichtete die CDU allerdings.
21 Aug 2021
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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