# taz.de -- Wirecard-Untersuchungsausschuss: Opposition sieht Schuld bei Scholz | |
> FDP, Linke und Grüne legen Sondervotum zum Wirecard-Abschlussbericht vor. | |
> Sie sagen: Union und SPD wollten ihr eigenes Spitzenpersonal schonen. | |
Bild: Sein Name ist Olaf, er wusste von nichts: Der SPD-Chef im Wirecard-Unters… | |
BERLIN taz | Wer trägt die Verantwortung für den Wirecard-Skandal? Darauf | |
finden Regierung und Opposition am Ende des Untersuchungsausschusses zu | |
dieser Frage keine gemeinsame Antwort. Die Abgeordneten der Grünen, der FDP | |
und der Linken wollen den Abschlussbericht mit einehm Sondervotum um eine | |
Minderheitenmeinung ergänzen. Den offiziellen Bericht tragen auch CDU/CSU, | |
SPD und AfD mit. Der Hauptunterschied zwischen der Mehrheitseinschätzung | |
und der Meinung der drei Oppositionsparteien, die sich in dieser Sache | |
verbündet haben: Letztere sehen die Hauptverantwortung bei den | |
Spitzenpolitikern der Regierungskoalition. | |
Der Entwurf des Papiers spart nicht an klaren Worten. „Olaf Scholz trägt | |
als Finanzminister die politische Verantwortung für das Versagen der | |
Finanzaufsicht“, stellen die Abgeordneten in dem Sondervotum fest. Bis | |
heute habe sich kein Vertreter des Ministeriums für die [1][skandalösen | |
Fehleinschätzungen des Jahres 2019] entschuldigt. „Olaf Scholz ist für | |
diese politische Linie verantwortlich, die nicht nur empörend ist, sondern | |
auch die Wahrscheinlichkeit senkt, dass die Bundesanstalt für | |
Finanzdienstleistungsaufsicht und das Finanzministerium aus den Fehlern | |
lernen.“ Auch Kanzlerin Angela Merkel wird hart kritisiert. Sie habe sich | |
„zu naiv“ gegenüber den Ansinnen von Lobbyisten gezeigt. | |
Der Wirecard-Konzern hatte bis zu seinem Zusammenbruch im Sommer 2020 ein | |
monumentales Betrugsgebäude aufgebaut. Mit Schein- und Kreisgeschäften | |
hatte er Gewinne erfunden und sich sogar seinen Weg in den | |
prestigeträchtigen deutschen Aktienindex DAX erschwindelt. Den | |
Gesamtschaden schätzen Abgeordnete auf 20 Milliarden Euro. Noch | |
spektakulärer als der Betrug war aber die Unfähigkeit der | |
Aufsichtsbehörden, diesen zu erkennen – obwohl sich seit dem Jahr 2018 die | |
Hinweise häuften. Eine zentrale Rolle hatte hier die Bundesanstalt für | |
Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Diese ist direkt dem | |
Bundesfinanzministerium (BMF) unterstellt. Die Bafin hatte warnenden | |
Stimmen keinen Glauben geschenkt und sogar gegen kritische Journalisten und | |
Marktexperten ermitteln lassen. Damit hat sie die Betrüger geschützt. | |
Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD verortet die Schuld für den | |
Skandal nun eher bei Beamten in nachgeordneten Behörden wie der Bafin und | |
bei privaten Firmen wie den Wirtschaftsprüfern. Damit nehmen sie den Druck | |
von ihren Spitzenpolitikern in den Ministerien. Schließlich tritt Olaf | |
Scholz in diesem Jahr als Kanzlerkandidat der SPD an – [2][er war aber als | |
Finanzminister der oberste Chef der Aufsichtsbehörden]. In der Erzählung | |
der SPD-Abgeordneten hatte Scholz sich allerdings gar nicht mit Wirecard | |
befasst. Ein professionell arbeitender Minister überlasse so etwas den | |
fachlich versierten Beamten der unteren Ebenen. | |
Die Opposition kehrt den Blickwinkel nun um. „Es gab den Versuch, die | |
Versäumnisse als Verwaltungsfehler auf dritter Ebene abzustempeln“, sagt | |
Florian Toncar von der FDP-Fraktion. „Aber die Aufsicht hatte das BMF, es | |
handelt sich um politisches Versagen, um Regierungsversagen, was hier | |
stattgefunden hat.“ Das Ministerium hätte den Betrug an vielen Stellen | |
aufdecken und stoppen können und damit den Banken und Anlegern einen Teil | |
der Milliardenverluste ersparen können. Toncar verlangt nun die Entlassung | |
zweier Staatssekretäre: von Jörg Kukies und Rolf Bösinger, denen die | |
Finanzaufsicht unterstellt war. Diese Forderung ist nicht Teil des | |
Sondervotums. | |
## Systemfehler statt Bilanzskandal | |
Auch die Grünen fordern die Regierung auf, mehr Verantwortung zu | |
übernehmen. „Das Ziel der Bundesregierung ist es offensichtlich, die Affäre | |
zu einem bloßen Bilanzskandal herunterzukochen“, sagt die Abgeordnete Lisa | |
Paus. Es gehe aber nicht um Probleme in einem einzelnen Unternehmen, | |
sondern um Systemfehler – und der Minister ist dafür verantwortlich, seinen | |
Bereich so zu organisieren, dass er funktioniert. | |
„Die Bafin hat auf allen Ebenen versagt. Man hatte kein Interesse, das | |
Geschäftsmodell von Wirecard zu durchleuchten“, so Paus. Stattdessen habe | |
die Behörde „jeden Spielraum genutzt, um Wirecard nicht als | |
Finanzunternehmen einzustufen und sich daher nicht mit dem Fall | |
beschäftigen zu müssen“. Die Bafin habe sich aber nicht nur ihrer | |
Verantwortung entzogen, sondern den Betrug durch ihr Handeln zum Teil erst | |
ermöglicht. | |
7 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Finn Mayer-Kuckuk | |
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