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# taz.de -- TV-Triell der Spitzenkandidat:innen: Vom Tiger zum Ahnungslosen
> Vieles bleibt beim ersten Triell der Kanzlerkandidat:innen diffus.
> Doch grobe Linien werden klar – was auch an Laschets verbissen wirkenden
> Angriffen liegt.
Bild: Das strittige Schlüsselthema fehlt: Laschet, Baerbock und Scholz am Sonn…
Das Triell der drei Kanzlerkandidaten wurde von RTL wie ein Fußball-Match
inszeniert, mit Günther Jauch als Oliver Kahn. Gewiss, Politik als
sportlichen Wettbewerb zu verkaufen mag ein Missverständnis sein. Doch
zumindest weiß der politische Durchschnittskonsument jetzt mehr. Wobei:
Weiß er nun mehr?
Klar ist, dass der nette und unglücklich auftretende Unions-Kandidat Armin
Laschet jetzt, so wie von CSU-Widersacher Markus Söder geheißen, auf
Angriff umgeschaltet hat. „Lassen Sie sich von der Linken zu Kanzler wählen
– ja oder nein?“, herrschte er SPD-Kandidat Olaf Scholz an. „Sagen Sie: I…
mache es nicht! Das sind nur drei Worte“, sagte Laschet am Ende – nicht
ganz treffsicher mit Zahlen.
Scholz kontert diesen aufgeregten Angriff regungslos und mit dem
Bekenntnis, dass er nur mit Parteien regieren werde, deren Bekenntnis zur
Nato „von ganzem Herzen kommt“. Das zielt auf die Linkspartei. Dass
Militärbündnisse neuerdings an Treueschwüre gekoppelt werden, ist auch
bemerkenswert.
Laschet greift also an, offenbar eine Reaktion [1][auf das Umfragetief der
Union.] Wenn man nicht wüsste, wer in den vergangenen 16 Jahren regiert hat
– man hätte Laschet für einen schwungvollen Oppositionspolitiker halten
können, welcher der rot-grünen Regierung zeigen will, wo der Hammer hängt.
Bei Afghanistan gelingt ihm das sogar fast. Der Unions-Kandidat versucht,
aus dem Desaster der Groko ein Versagen von SPD und Grünen zu machen, die
der Bundeswehr herzlos Drohnen vorenthalten würden. Dass [2][Ortskräfte
kaum durch bewaffnete Drohnen aus Kabul gerettet worden wären] – geschenkt.
Scholz kontert unterkühlt mit der Bemerkung, dass er als Finanzminister die
Bundeswehr mit viel Geld ausgestattet habe.
Laschet aber, der sich in mittlerer Uneindeutigkeit heimisch fühlt, sucht
den Angriff. Doch ausgerechnet beim Heimspiel für alle Konservativen bricht
seine Attacke zusammen. Mehr innere Sicherheit, Videoüberwachung von
Bahnhöfen und Vorratsdatenspeicherung scheitere an SPD und Grünen,
suggeriert er. Aber Scholz weiß, dass die Vorratsdatenspeicherung gerade
auf EU-Ebene verhandelt wird. Und Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock
findet Videoüberwachung prima. Kurz: Als Tiger gestartet, als Ahnungsloser
gelandet. Das ist bitter für den CDU-Mann, der in NRW doch mit innerer
Sicherheit Ministerpräsident geworden war.
Die Erkenntnis? Die Union will Scholz als U-Boot der Linkspartei angreifen,
eine Taktik, die selbst die FAZ verzweifelt findet. Baerbock macht keinen
Fehler – aber es gibt auch keinen Satz, der wirklich nachhallen würde.
Scholz versteht sich auf undramatische positive Botschaften und die
Suggestion, dass er das irgendwie schon regelt. Einmal sagt er, etwas sei
„der Wunsch von mir und der Kanzlerin“.
Ansonsten herrscht – wir sind im Konsens-Deutschland – viel Einigkeit.
Wegen des Klimakollapses will niemand etwas verbieten. Baerbock umschifft
locker die offensichtlich gestellte Falle des etwas schläfrig wirkenden
Moderatorenduos Pinar Atalay und Peter Kloeppel, die Grünen als
Verbotspartei zu markieren. Einschränken muss sich keiner, mag auch die
Welt untergehen. Das ist schön zu hören. Auch Corona wird pflichtschuldig
und ohne große Kontroverse absolviert.
Das strittige Schlüsselthema gibt es in diesen knapp zwei Stunden nicht.
Daher wirkt manches diffus. Wer es noch nicht wusste, erkennt, dass SPD und
Grüne sich bei den Finanzen und im Sozialen sehr nahe sind, die Union
hingegen Steuern für Reiche senken will. Man weiß jetzt, wie der Wahlkampf
laufen wird: Die Union verkleidet sich als angriffslustige Opposition – ein
Move, der leicht missverstanden werden kann.
Insofern war dies ein Beitrag zur Aufklärung.
30 Aug 2021
## LINKS
[1] /CDU-im-Wahlkampf/!5791042
[2] /Rettung-aus-Afghanistan/!5794135
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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