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# taz.de -- CDU-Politikerinnen mit Zukunft: Die Frauenfrage
> Wenn Angela Merkel als Kanzlerin abtritt, gibt es in der ersten Reihe der
> CDU fast keine Frau mehr. Welche Politikerinnen könnten aufsteigen?
Mitte Januar, er ist gerade zum CDU-Chef gewählt, sitzt Armin Laschet im
ZDF-Studio und soll Halbsätze vervollständigen. „Dass die nächste Kanzlerin
ein Mann ist …“, gibt die Moderatorin vor. „Ist sehr wahrscheinlich“,
antwortet er. „Ein Kabinett Laschet zur Hälfte mit Frauen zu besetzen …“,
fährt der Co-Moderator fort, „… muss das Ziel sein“, ergänzt Laschet. U…
sagt: „Wir brauchen Parität in der nächsten Bundesregierung.“
Sechzehn Jahre lang stand eine Frau an der Spitze der Bundesrepublik, gut
zwanzig Jahre führten Frauen die Christlich Demokratische Union. Nach der
Bundestagswahl im September wird Angela Merkel als Kanzlerin abtreten, als
Parteichefin ist auch ihre Nachfolgerin bereits Geschichte.
Schaut man jetzt auf die erste Reihe der CDU, sieht man kaum noch eine
Frau. Für den Parteivorsitz kandidierten drei Männer, um die
Kanzlerkandidatur stritten sich zwei. Der CDU-Generalsekretär: ein Mann,
der Fraktionschef im Bundestag ebenso. Und die beiden CDU-Minister, die in
der Pandemie vor allem im Fokus der Öffentlichkeit standen, weil sie das
Gesundheits- und das Wirtschaftsressort leiten und damit das Bild der
Regierung stark prägten: ebenfalls Männer.
Armin Laschet, inzwischen Kanzlerkandidat der Union, hat erkannt, dass dies
für seine Partei ein Problem werden könnte. 2017, bei der letzten
Bundestagswahl, haben deutlich mehr Frauen als Männer die CDU gewählt. Will
er Kanzler werden, muss Laschet die Wählerinnen halten. Seit dem Interview
im ZDF im Januar hat er das Versprechen, als Kanzler die Hälfte der
Bundesregierung mit Frauen zu besetzen, mehrfach wiederholt. Für sein
Kompetenzteam im Wahlkampf aber hat Laschet bislang nur eine Person
benannt: Friedrich Merz. Damit will er den Wirtschaftsflügel der Partei
einbinden.
Fragt man Armin Laschet bei der Vorstellung des Union-Wahlprogramms nach
seinem Team, antwortet er ausweichend: „Lassen Sie sich überraschen. Man
wird noch andere Persönlichkeiten sehen als die, die wir alle schon
kennen.“
Bleibt die Frage: Wer könnten die Frauen sein, die mit Laschet an der
Spitze weiter aufsteigen?
An einem Montag Ende April hat er sich im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses
zu einer Pressekonferenz eingefunden. Der CDU-Chef hangelt sich tapfer an
seinem Sprechzettel entlang: „Wir brauchen eine neue Gründerzeit“, sagt er,
spricht von altem und neuem Mittelstand, von Start-ups und Digitalisierung.
Dann hat Nadine Schön das Wort, die an dem Redepult neben Laschets steht.
Fröhlich lächelnd und mit saarländischer Färbung sagt sie, dass Start-ups
weit mehr als ein „hippes Thema“ seien. Sie spricht über Mut und
Gestaltungswillen, schlägt lässig den Bogen von Klimawandel und Pandemie
über innovative Ideen, die in Unternehmen stecken, und eine dringend
notwendige Staatsreform bis hin zu Geopolitik und der Künstlichen
Intelligenz, die man nicht China überlassen dürfe. Das sei auch eine Frage
der Werte.
Schön, 38, ist eine von elf stellvertretenden Vorsitzenden der
Unionsfraktion im Bundestag, Co-Chefin des Netzwerks Digitalisierung der
CDU und [1][einer der Köpfe hinter „Neustaat“]. Mit diesem Projekt will die
Unionsfraktion staatliche Strukturen reformieren, sie effektiver und
schneller machen. Wie dringend nötig das ist, hat Corona gezeigt. „Wir
müssen den Staat ganz neu denken“, sagt Schön. Und zu der Erkenntnis
kommen, dass die Art, wie wir arbeiten, kein Modell für die Zukunft ist.
Vierzig Maßnahmen hat die Fraktion dafür vorgeschlagen, im Bereich
Bürokratieabbau etwa oder in der Digitalisierung. Hört man sich in Berlin
um, mit welchen CDU-Frauen künftig zu rechnen sei, ist Nadine Schön meist
dabei.
Ein anderer Name, der stets fällt, ist der von Serap Güler,
Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen. Güler, 40, ist die
einzige Muslima im Bundesvorstand ihrer Partei. Jetzt kandidiert sie zum
ersten Mal für den Bundestag.
Ein Mittwochmittag Anfang Juni, Serap Güler nickt dem Besuch kurz zu, dann
spricht sie weiter auf Türkisch in ihr Handy. „Das war meine Mutter“,
entschuldigt sie sich später, „das war jetzt wichtig“. Güler sitzt in ein…
nüchternen Besprechungsraum im achten Stock eines Hochhauses in
Düsseldorf-Unterbilk. Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und
Integration ist vorübergehend hier untergebracht.
„Integrationspolitik ist vor allem ein symbolisches Thema“, sagt sie. „We…
wir die Integration in diesem Land voranbringen wollen, müssen wir für
Menschen mit Einwanderungsgeschichte ein Zugehörigkeitsgefühl schaffen.“
Das aber fehle bei vielen Menschen. Und es gebe diese politischen Debatten,
die erschweren würden, dass dieses Gefühl entsteht – etwa jene über Mesut
Özil und sein Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Das Foto sei
zweifellos falsch gewesen. Viele türkischstämmige Menschen aber habe
erschreckt, dass Deutschtürken offenbar nur unter Vorbehalt akzeptiert
würden – und es damit schnell vorbei sein könne.
„Da müssen wir besser werden“, sagt Güler und meint auch die eigene Partei
damit. „Mit Armin Laschet als Parteivorsitzenden und auch als Kanzler wird
Integrationspolitik stärker in den Mittelpunkt rücken.“
Laschet, heute nordrhein-westfälischer Ministerpräsident, war von 2005 bis
2010 Integrationsminister in Düsseldorf, der erste bundesweit. Er hat Güler
damals als Referentin im Ministerium eingestellt und sie dann auch in die
Politik geholt. Güler wiederum kann man getrost als „Laschet-Ultra“
bezeichnen. Kaum jemand hat sich im Machtkampf zwischen ihm und CSU-Chef
Markus Söder öffentlich so klar für Laschet starkgemacht.
Nadine Schön stand in dem erbitterten Kampf auf der anderen Seite. Sie war
eine der CDU-Bundestagsabgeordneten, die Söder wollten, weil sie ihn für
den aussichtsreicheren Kanzlerkandidaten hielten. „Das Meinungsbild in der
CDU Saar war überwiegend für Markus Söder.“ Mittlerweile sei sie aber
überzeugt davon, dass die Union die richtige Entscheidung gefällt habe,
sagt Schön und lobt Laschets Integrationsfähigkeit.
Es ist Ende Juni, die letzte reguläre Sitzungswoche in dieser
Legislaturperiode, Schöns Terminkalender quillt über. Sie hat ein Büro im
fünften Stock des Jakob-Kaiser-Hauses, vom Balkon aus kann man auf die
Spree blicken.
Schön ist in einem Dorf im Saarland aufgewachsen, der Vater war Polizist,
die Mutter Krankenschwester. Aus Langeweile kam sie mit 15 zur Jungen
Union. „Es gab nichts, wo wir uns abends mit Freunden treffen konnten,
außer der Bushaltestelle oder an der Schulmauer.“ Deshalb habe man die JU
wiederbelebt und sich für einen Jugendraum und ein Basketballfeld
eingesetzt. „Von den Themen her hätte es aber auch eine andere
Jugendorganisation sein können. Es ging nicht um die große Politik“, sagt
Schön und lacht.
Auf das Abitur folgt ein Jurastudium, dann macht sie mit der CDU schnell
Karriere. Mit 21 Jahren zieht die Saarländerin als jüngste Abgeordnete in
den Landtag ein, mit 26 Jahren, im Jahr 2009, in den Bundestag, seit 2014
ist sie Vizevorsitzende der Fraktion mit den Schwerpunkten Familie, Frauen
und Digitale Agenda.
Sie sei überrascht gewesen, als ihr Kreisvorsitzender sie fragte, ob sie
sich eine Landtagskandidatur auf einem Nachrückerplatz vorstellen könne,
erzählt Schön. Groß war die Überraschung auch, als der Platz bereits wenige
Wochen nach der Wahl frei wurde. Der Anfang ihrer Landtagszeit sei
megaanstrengend gewesen, sagt Schön. Parallel dazu musste sie ihr
Jurastudium und die Journalistenakademie der Konrad-Adenauer-Stiftung zu
Ende bringen. „Damals habe ich sieben Kilo weniger gewogen als heute.“
Serap Gülers Eltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei ins Ruhrgebiet,
die Familie lebte in einer Bergarbeitersiedlung in Marl. Nach dem Abitur
machte sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, dann studierte sie
Kommunikationswissenschaften und schloss mit einer Arbeit über die
„Konstruktion eines Mythos genannt Parallelgesellschaft“ ab.
Güler war 13 Jahre alt, als Rechtsextremisten im Sommer 1993 in Solingen
das Haus der Familie Genç in Brand steckten, fünf Menschen starben. Von
Solingen bis Marl ist es nicht weit, Gülers Familie stammt wie die Gençs
aus der Türkei, sie sind Muslime.
„Das hat in mein Leben eine Schwere gebracht: Diese Angst, dass das jedem
von uns hätte passieren können“, sagt Güler. „Mit Cem gab es dann aber
plötzlich ein Vorbild, das uns allen Hoffnung gemacht hat.“ Gemeint ist
damit Cem Özdemir, der 1994 als erster türkischstämmiger Abgeordneter in
den Bundestag einzog. „Das war ein Knaller“, sagt Güler. „Erst hieß es:
‚Unsere Leute werden hier angegriffen‘, dann: ‚Einer von uns sitzt im
Bundestag‘.“ Özdemir sei immer ein „Riesenvorbild“ gewesen, seine
Parteizugehörigkeit völlig egal.
Politisiert worden sei sie aber während des Studiums. Anfang der 2000er
Jahre diskutierte die Republik erregt über Parallelgesellschaften, über
Ehrenmorde und Zwangsehen. „Auf einmal“, sagt Güler, „standen viele junge
Frauen wie ich im Visier der Gesellschaft.“ Ihre deutschen Freunde hätten
sie damals sogar vor einem Urlaub in der Türkei gefragt, ob sie jetzt
zwangsverheiratet werde. „Menschen, die mich und meine Familie kannten, nur
weil wir aus der Türkei stammen und Muslime sind. Das tat ganz schön weh.“
Da habe sie gemerkt, wie eine öffentliche Debatte das gesellschaftliche
Klima vergiften kann.
Auf einer Veranstaltung, auf der sie dem Grünen Cem Özdemir zuhören will,
lernt Güler schließlich Armin Laschet kennen, der ihr nach dem Studium
einen Job als Referentin in seinem Ministerium anbietet. 2009, mit 29
Jahren, tritt Güler in die CDU ein, 2012 wird sie Landtagsabgeordnete, fünf
Jahre später Staatssekretärin.
Politikerinnen wie Güler und Schön braucht die CDU dringend – nicht nur,
weil sie Frauen sind, und die eine auch noch aus einer Familie mit
Migrationsgeschichte stammt. Güler und Schön stehen für Kompetenz in
Zukunftsthemen: Integration und Digitalisierung. Und sie verkörpern
Aufbruch und Modernität.
Hat Angela Merkel, Deutschlands erste Kanzlerin, etwas mit ihrem Weg in der
CDU zu tun? Schön und Güler winken ab. Sie wurden von Männern in die
Politik geholt. Von Männern, die begriffen haben, dass die CDU diverser
werden muss, wenn sie Volkspartei bleiben will. Noch immer sind nur 26
Prozent der CDU-Mitglieder Frauen. Auch bei den Bundestagsabgeordneten tut
sich wenig: Gerade 40 Christdemokratinnen sitzen in der Unionsfraktion, das
ist ein Fünftel der CDU-Abgeordneten. Damit, das hat ein interner Bericht
der CDU 2018 leicht frustriert festgestellt, ist der Anteil so hoch wie vor
gut 20 Jahren.
Merkel selbst hat sich nie dezidiert als Frauenpolitikerin positioniert.
Aber sie hat Frauen wie Ursula von der Leyen den Weg geebnet, die als
Familien- und Frauenministerin eine – für eine Christdemokratin –
bemerkenswert moderne Politik gemacht hat. Und als eine Art Türöffnerin
sieht sich die Kanzlerin schon. „Niemand lacht ein junges Mädchen heute
mehr aus, wenn es sagt, dass es später einmal Ministerin oder sogar
Bundeskanzlerin werden will“, sagte Merkel 2018 bei einer Veranstaltung zu
„100 Jahren Frauenwahlrecht“. Und fügte hinzu: „Es soll sogar schon Frag…
geben, ob es auch ein Mann werden darf.“ Im Jahr darauf sagte sie im
Interview mit der Zeit: „Parität scheint mir logisch.“
Auch Schön betont, dass Merkels Kanzlerschaft für die Gleichberechtigung
eine große Bedeutung habe. „Wir brauchen solche Vorbilder.“ Merkel habe
sich nach außen nicht exponiert, intern habe sie, etwa im Kabinett, Frauen
aber durchaus unterstützt. Merkel verlieh Güler im CDU-Präsidium sogar eine
Art Ritterschlag, wie es im Spiegel vor Jahren hieß. Nach den Anschlägen
von Paris hatte Güler in der FAZ geschrieben, die deutschen Muslime müssten
sich stärker von gewaltbereiten Islamisten abgrenzen. Merkel ließ demnach
Kopien des Textes im Präsidium verteilen – und signalisierte damit, dass
Güler in der CDU-Spitze durchaus richtig sei.
Zu der Zeit, als Nadine Schön 2009 in den Bundestag einzieht, beginnen ihre
Freundinnen mit der Jobsuche – und sind dabei weniger erfolgreich als
Männer mit gleich guten Abschlüssen. Es sind Erfahrungen wie diese, die
Schön zu einer Befürworterin der Quote machen. 2012 unterschreibt sie eine
überparteiliche Petition für eine 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte
und Vorstände, später fordert sie eine Quote für ihre Partei. Damit ist sie
der CDU um Jahre voraus. Auch Güler sagt: „Eine Quote wäre eine
Möglichkeit, für mehr Frauen zu sorgen. Das kann und darf aber nicht das
einzige Mittel sein.“
Oft sind es aber auch die Frauen selbst, die zögern. Schön sagt: „Wenn man
Frauen fragt, sagen die: ‚Ich weiß nicht, ob ich das kann. Und ich kann
nicht bei jeder Sitzung dabei sein.‘ Männern ist das oft völlig schnuppe.“
Auch sie selbst habe gezögert, als der ehemalige Fraktionschef Volker
Kauder sie zu seiner Vize machen wollte. Ich kann das nicht, das ist doch
erst meine zweite Legislaturperiode – das habe sie gedacht. Doch Kauder war
hartnäckig. „Meine Erfahrung ist: Es kostet mehr Kraft und Mühe, Frauen zu
animieren, und manchmal gibt es Ärger. Aber es lohnt sich“, sagt Schön.
Eigentlich sollte die CDU inzwischen eine Frauenquote haben. Vor gut einem
Jahr hatte sich die Struktur- und Satzungskommission nach zähem Ringen auf
eine stufenweise Einführung einer Quote bei Vorstandswahlen ab der
Kreisebene geeinigt. Der Parteitag im Dezember sollte das beschließen.
Dann kam Corona – die Abstimmung steht bis heute aus. Das Bewusstsein aber,
sagt Schön, habe sich auch in der CDU verändert: „Ein Bild wie das aus dem
BMI wird es nicht mehr geben.“ Das Bundesinnenministerium hatte bei
Amtsantritt 2018 ein Foto der neuen Hausspitze veröffentlicht, darauf:
[2][neun Männer, keine einzige Frau].
Inzwischen achtet die Parteispitze vielerorts immerhin darauf, dass Frauen
bei Listenaufstellungen stärker berücksichtigt werden. Es bleibt aber noch
viel zu tun: Erst im März trat in Sachsen-Anhalt die stellvertretende
Landesvorsitzende der Frauenunion empört aus, weil die Liste zur
Landtagswahl die „frauenfeindlichste“ sei, die die Landes-CDU jemals
aufgestellt habe. Auf die ersten 20 Plätze wurden nur drei Frauen gewählt.
Die CSU hingegen hat gerade medienwirksam eine paritätisch besetzte Liste
für die Bundestagswahl beschlossen. Weil die meisten der Unionsabgeordneten
über Direktmandate einziehen, hat das aber vor allem symbolische Bedeutung.
In den Kreisverbänden hapert es häufig noch am Bewusstsein für Parität.
Nadine Schön und Serap Güler haben beide keine sicheren Wahlkreise, aber
ziemlich sichere Listenplätze. Die Saarländerin hat sich allerdings bereits
dreimal hintereinander in St. Wendel durchgesetzt. Güler will den Wahlkreis
101, zu dem Köln-Mülheim und Leverkusen gehören, dem omnipräsenten
SPD-Coronaexperten Karl Lauterbach abnehmen.
Warum aber überhaupt die CDU? Güler sagt, an ihr sei nichts links. Sie sei
konservativ, aber auch liberal – „und vor allem sozial“. Familie ist ihr
wichtig, Abtreibung, das hat sie jüngst Tilo Jung [3][in einem Interview
verraten], will sie nur im engen Rahmen zulassen und der Forderung nach
einer neuen Leitkultur kann sie durchaus etwas abgewinnen. Furore machte
Güler 2018 mit dem Vorstoß, Mädchen unter 14 Jahren das Kopftuchtragen zu
verbieten. Weil er juristisch schlecht vorbereitet war, [4][musste sie ihn
wieder kassieren]. Inhaltlich aber steht sie dazu.
Güler und Schön sind beide in der CDA, der christlichen Arbeitnehmerschaft.
Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei es, was sie unter konservativ
verstehe, sagt Schön. Ob sie sich als Feministin bezeichnen würde? „Ja. Ich
trete ein für Frauen, ihre Rechte und Verwirklichungschancen.“ Güler
dagegen winkt ab. „Ich bin eine emanzipierte Frau, aber es ist nicht so,
dass ich das Frausein über alles stelle.“ Auch die Kanzlerin will sich
selbst nicht so bezeichnen.
Für manche aber passt Serap Güler, die Muslima, lange nicht in die CDU, die
das Christliche im Namen trägt. 2012, bei ihrer ersten Landtagskandidatur,
fragt ein Parteifreund sie auf offener Bühne, wann sie konvertiere. „Nicht
ob, sondern wann war die Frage“, sagt sie. Seitdem aber habe sich in der
CDU viel verändert.
Güler wollte lange keine Deutsche werden, weil sie dafür den türkischen
Pass abgeben muss. Heimat, das ist eben auch der Ort in der Türkei, aus dem
die Eltern kamen – und wohin es jedes Jahr in den Sommerferien ging. Ihr
Vater, der gerade gestorben ist, ist dort begraben. Doch nachdem Güler 2010
für die CDU erstmals Wahlkampf machte, entschied sie sich doch für die
deutsche Staatsbürgerschaft. Plakate kleben und dann selbst nicht wählen
dürfen – das passte ihr nicht.
Bei der doppelten Staatsbürgerschaft liegt Güler quer zur Mehrheit in der
CDU, auch wenn sie diese nur für die erste Generation nach der Einwanderung
und dann einen Schnitt will. Als die CDU 2016 auf einem Parteitag
beschloss, den Doppelpass für Kinder wieder abzuschaffen, stimmte sie gegen
den Antrag. Wenn es um Rassismus und Diskriminierung geht, kann die
Deutschtürkin auch kräftig austeilen. Den südthüringischen
Christdemokraten, die den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg
Maaßen jüngst zu ihrem Direktkandidaten machten, [5][bescheinigte sie via
Twitter]: „Ihr habt echt den Knall nicht gehört!“
Dafür musste sie von Friedrich Merz heftige Kritik einstecken. Von
Migrantenorganisationen aber wird die medienpräsente Güler gelobt. „Ich
schätze ihre Arbeit“, sagt etwa Kenan Küçük vom Multikulturellen Forum in
NRW, der selbst SPD-Mitglied ist und im Landesbeirat für Migration sitzt.
Güler sei „ein Sprachrohr“ für die Migrant:innen geblieben.
Auch Nadine Schön ist immer wieder mit Positionen ihrer Partei nicht
einverstanden. Sie setzte sich früh für die Homoehe ein, schloss sich einem
fraktionsübergreifenden Netzwerk an, das die Bedingungen für junge Mütter
im Bundestag verbessern will, auch mit dem Betreuungsgeld kann sie wenig
anfangen: „Das hätte ich nicht gebraucht.“ Nachdem Verbesserungen
ausgehandelt wurden, stimmt sie aber zu.
Schön erzählt, dass sie mit sich gerungen habe, ob sie bei der
Bundestagswahl im September noch einmal antreten soll. „Abgeordnete, das
ist ja nichts, was man vom Anfang des Berufslebens bis zum Ende macht.“
Dann aber habe sich das „Neustaat“-Projekt so rasant entwickelt, die
Unterstützung sei – auch durch Corona – groß. „Da muss der Ball jetzt i…
Ziel.“ Dieter Janecek von den Grünen sitzt mit Schön im Bundestagsausschuss
für Digitale Agenda. Schön sei im Umgang angenehm und verbindlich, sagt er.
„Aber mir ist nicht klar, wofür sie inhaltlich wirklich steht.“ Pointierte
Einlassungen jedenfalls gebe es nicht.
Fragt man Güler, was sie auf Bundesebene in Sachen Integrationspolitik
verändern würde, sagt sie zweierlei: Sie würde eine
Bundeseinwanderungsbehörde schaffen, die Einwanderung zentral steuern soll.
Und ein Ministerium für gesellschaftlichen Zusammenhalt einrichten, das
mehr sein soll als ein Integrationsministerium. „Es geht ja nicht nur um
Menschen mit Einwanderungsgeschichte.“ Ein Problem derzeit sei, dass die
wichtigen Entscheidungen in Sachen Integration im Bundesinnenministerium
fallen, wo man insbesondere die Risiken sehen würde. „Man muss aber vor
allem die Chancen im Blick haben. Das ist unser Ansatz in
Nordrhein-Westfalen, mit dem wir sehr erfolgreich sind.“
Ein Bundesintegrationsministerium, das Laschet in der Vergangenheit
gefordert hat, steht nicht im Wahlprogramm der Union. Für Güler könnte das
Amt der Integrationsstaatsministerin im Bundeskanzleramt bleiben. Ein
Digitalministerium hingegen will die Union nach der Wahl einrichten.
Wäre das etwas für Nadine Schön? Als Reaktion auf diese Frage betont sie,
wie einflussreich die parlamentarische Arbeit sei. „Ich hätte nichts
dagegen, das weiter zu tun.“ Jedoch habe sie zwei kleine Söhne und wohne im
Saarland, „da muss man das Private und das Politische gut abwägen“.
Wie hatte sie zu Beginn des Gesprächs noch gesagt? Frauen sind manchmal
ganz schön zögerlich.
11 Jul 2021
## LINKS
[1] /CDU-Politikerin-ueber-Entbuerokratisierung/!5691859
[2] /Weisse-Maenner-im-Heimatministerium/!5494882
[3] https://www.youtube.com/watch?v=bdV8qQY0yv4
[4] /Kopftuchverbot-fuer-Schuelerinnen-in-NRW/!5645062
[5] https://twitter.com/serapgueler/status/1388210356191903750
## AUTOREN
Sabine am Orde
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CDU
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