# taz.de -- CDU-Politikerinnen mit Zukunft: Die Frauenfrage | |
> Wenn Angela Merkel als Kanzlerin abtritt, gibt es in der ersten Reihe der | |
> CDU fast keine Frau mehr. Welche Politikerinnen könnten aufsteigen? | |
Mitte Januar, er ist gerade zum CDU-Chef gewählt, sitzt Armin Laschet im | |
ZDF-Studio und soll Halbsätze vervollständigen. „Dass die nächste Kanzlerin | |
ein Mann ist …“, gibt die Moderatorin vor. „Ist sehr wahrscheinlich“, | |
antwortet er. „Ein Kabinett Laschet zur Hälfte mit Frauen zu besetzen …“, | |
fährt der Co-Moderator fort, „… muss das Ziel sein“, ergänzt Laschet. U… | |
sagt: „Wir brauchen Parität in der nächsten Bundesregierung.“ | |
Sechzehn Jahre lang stand eine Frau an der Spitze der Bundesrepublik, gut | |
zwanzig Jahre führten Frauen die Christlich Demokratische Union. Nach der | |
Bundestagswahl im September wird Angela Merkel als Kanzlerin abtreten, als | |
Parteichefin ist auch ihre Nachfolgerin bereits Geschichte. | |
Schaut man jetzt auf die erste Reihe der CDU, sieht man kaum noch eine | |
Frau. Für den Parteivorsitz kandidierten drei Männer, um die | |
Kanzlerkandidatur stritten sich zwei. Der CDU-Generalsekretär: ein Mann, | |
der Fraktionschef im Bundestag ebenso. Und die beiden CDU-Minister, die in | |
der Pandemie vor allem im Fokus der Öffentlichkeit standen, weil sie das | |
Gesundheits- und das Wirtschaftsressort leiten und damit das Bild der | |
Regierung stark prägten: ebenfalls Männer. | |
Armin Laschet, inzwischen Kanzlerkandidat der Union, hat erkannt, dass dies | |
für seine Partei ein Problem werden könnte. 2017, bei der letzten | |
Bundestagswahl, haben deutlich mehr Frauen als Männer die CDU gewählt. Will | |
er Kanzler werden, muss Laschet die Wählerinnen halten. Seit dem Interview | |
im ZDF im Januar hat er das Versprechen, als Kanzler die Hälfte der | |
Bundesregierung mit Frauen zu besetzen, mehrfach wiederholt. Für sein | |
Kompetenzteam im Wahlkampf aber hat Laschet bislang nur eine Person | |
benannt: Friedrich Merz. Damit will er den Wirtschaftsflügel der Partei | |
einbinden. | |
Fragt man Armin Laschet bei der Vorstellung des Union-Wahlprogramms nach | |
seinem Team, antwortet er ausweichend: „Lassen Sie sich überraschen. Man | |
wird noch andere Persönlichkeiten sehen als die, die wir alle schon | |
kennen.“ | |
Bleibt die Frage: Wer könnten die Frauen sein, die mit Laschet an der | |
Spitze weiter aufsteigen? | |
An einem Montag Ende April hat er sich im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses | |
zu einer Pressekonferenz eingefunden. Der CDU-Chef hangelt sich tapfer an | |
seinem Sprechzettel entlang: „Wir brauchen eine neue Gründerzeit“, sagt er, | |
spricht von altem und neuem Mittelstand, von Start-ups und Digitalisierung. | |
Dann hat Nadine Schön das Wort, die an dem Redepult neben Laschets steht. | |
Fröhlich lächelnd und mit saarländischer Färbung sagt sie, dass Start-ups | |
weit mehr als ein „hippes Thema“ seien. Sie spricht über Mut und | |
Gestaltungswillen, schlägt lässig den Bogen von Klimawandel und Pandemie | |
über innovative Ideen, die in Unternehmen stecken, und eine dringend | |
notwendige Staatsreform bis hin zu Geopolitik und der Künstlichen | |
Intelligenz, die man nicht China überlassen dürfe. Das sei auch eine Frage | |
der Werte. | |
Schön, 38, ist eine von elf stellvertretenden Vorsitzenden der | |
Unionsfraktion im Bundestag, Co-Chefin des Netzwerks Digitalisierung der | |
CDU und [1][einer der Köpfe hinter „Neustaat“]. Mit diesem Projekt will die | |
Unionsfraktion staatliche Strukturen reformieren, sie effektiver und | |
schneller machen. Wie dringend nötig das ist, hat Corona gezeigt. „Wir | |
müssen den Staat ganz neu denken“, sagt Schön. Und zu der Erkenntnis | |
kommen, dass die Art, wie wir arbeiten, kein Modell für die Zukunft ist. | |
Vierzig Maßnahmen hat die Fraktion dafür vorgeschlagen, im Bereich | |
Bürokratieabbau etwa oder in der Digitalisierung. Hört man sich in Berlin | |
um, mit welchen CDU-Frauen künftig zu rechnen sei, ist Nadine Schön meist | |
dabei. | |
Ein anderer Name, der stets fällt, ist der von Serap Güler, | |
Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen. Güler, 40, ist die | |
einzige Muslima im Bundesvorstand ihrer Partei. Jetzt kandidiert sie zum | |
ersten Mal für den Bundestag. | |
Ein Mittwochmittag Anfang Juni, Serap Güler nickt dem Besuch kurz zu, dann | |
spricht sie weiter auf Türkisch in ihr Handy. „Das war meine Mutter“, | |
entschuldigt sie sich später, „das war jetzt wichtig“. Güler sitzt in ein… | |
nüchternen Besprechungsraum im achten Stock eines Hochhauses in | |
Düsseldorf-Unterbilk. Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und | |
Integration ist vorübergehend hier untergebracht. | |
„Integrationspolitik ist vor allem ein symbolisches Thema“, sagt sie. „We… | |
wir die Integration in diesem Land voranbringen wollen, müssen wir für | |
Menschen mit Einwanderungsgeschichte ein Zugehörigkeitsgefühl schaffen.“ | |
Das aber fehle bei vielen Menschen. Und es gebe diese politischen Debatten, | |
die erschweren würden, dass dieses Gefühl entsteht – etwa jene über Mesut | |
Özil und sein Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Das Foto sei | |
zweifellos falsch gewesen. Viele türkischstämmige Menschen aber habe | |
erschreckt, dass Deutschtürken offenbar nur unter Vorbehalt akzeptiert | |
würden – und es damit schnell vorbei sein könne. | |
„Da müssen wir besser werden“, sagt Güler und meint auch die eigene Partei | |
damit. „Mit Armin Laschet als Parteivorsitzenden und auch als Kanzler wird | |
Integrationspolitik stärker in den Mittelpunkt rücken.“ | |
Laschet, heute nordrhein-westfälischer Ministerpräsident, war von 2005 bis | |
2010 Integrationsminister in Düsseldorf, der erste bundesweit. Er hat Güler | |
damals als Referentin im Ministerium eingestellt und sie dann auch in die | |
Politik geholt. Güler wiederum kann man getrost als „Laschet-Ultra“ | |
bezeichnen. Kaum jemand hat sich im Machtkampf zwischen ihm und CSU-Chef | |
Markus Söder öffentlich so klar für Laschet starkgemacht. | |
Nadine Schön stand in dem erbitterten Kampf auf der anderen Seite. Sie war | |
eine der CDU-Bundestagsabgeordneten, die Söder wollten, weil sie ihn für | |
den aussichtsreicheren Kanzlerkandidaten hielten. „Das Meinungsbild in der | |
CDU Saar war überwiegend für Markus Söder.“ Mittlerweile sei sie aber | |
überzeugt davon, dass die Union die richtige Entscheidung gefällt habe, | |
sagt Schön und lobt Laschets Integrationsfähigkeit. | |
Es ist Ende Juni, die letzte reguläre Sitzungswoche in dieser | |
Legislaturperiode, Schöns Terminkalender quillt über. Sie hat ein Büro im | |
fünften Stock des Jakob-Kaiser-Hauses, vom Balkon aus kann man auf die | |
Spree blicken. | |
Schön ist in einem Dorf im Saarland aufgewachsen, der Vater war Polizist, | |
die Mutter Krankenschwester. Aus Langeweile kam sie mit 15 zur Jungen | |
Union. „Es gab nichts, wo wir uns abends mit Freunden treffen konnten, | |
außer der Bushaltestelle oder an der Schulmauer.“ Deshalb habe man die JU | |
wiederbelebt und sich für einen Jugendraum und ein Basketballfeld | |
eingesetzt. „Von den Themen her hätte es aber auch eine andere | |
Jugendorganisation sein können. Es ging nicht um die große Politik“, sagt | |
Schön und lacht. | |
Auf das Abitur folgt ein Jurastudium, dann macht sie mit der CDU schnell | |
Karriere. Mit 21 Jahren zieht die Saarländerin als jüngste Abgeordnete in | |
den Landtag ein, mit 26 Jahren, im Jahr 2009, in den Bundestag, seit 2014 | |
ist sie Vizevorsitzende der Fraktion mit den Schwerpunkten Familie, Frauen | |
und Digitale Agenda. | |
Sie sei überrascht gewesen, als ihr Kreisvorsitzender sie fragte, ob sie | |
sich eine Landtagskandidatur auf einem Nachrückerplatz vorstellen könne, | |
erzählt Schön. Groß war die Überraschung auch, als der Platz bereits wenige | |
Wochen nach der Wahl frei wurde. Der Anfang ihrer Landtagszeit sei | |
megaanstrengend gewesen, sagt Schön. Parallel dazu musste sie ihr | |
Jurastudium und die Journalistenakademie der Konrad-Adenauer-Stiftung zu | |
Ende bringen. „Damals habe ich sieben Kilo weniger gewogen als heute.“ | |
Serap Gülers Eltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei ins Ruhrgebiet, | |
die Familie lebte in einer Bergarbeitersiedlung in Marl. Nach dem Abitur | |
machte sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, dann studierte sie | |
Kommunikationswissenschaften und schloss mit einer Arbeit über die | |
„Konstruktion eines Mythos genannt Parallelgesellschaft“ ab. | |
Güler war 13 Jahre alt, als Rechtsextremisten im Sommer 1993 in Solingen | |
das Haus der Familie Genç in Brand steckten, fünf Menschen starben. Von | |
Solingen bis Marl ist es nicht weit, Gülers Familie stammt wie die Gençs | |
aus der Türkei, sie sind Muslime. | |
„Das hat in mein Leben eine Schwere gebracht: Diese Angst, dass das jedem | |
von uns hätte passieren können“, sagt Güler. „Mit Cem gab es dann aber | |
plötzlich ein Vorbild, das uns allen Hoffnung gemacht hat.“ Gemeint ist | |
damit Cem Özdemir, der 1994 als erster türkischstämmiger Abgeordneter in | |
den Bundestag einzog. „Das war ein Knaller“, sagt Güler. „Erst hieß es: | |
‚Unsere Leute werden hier angegriffen‘, dann: ‚Einer von uns sitzt im | |
Bundestag‘.“ Özdemir sei immer ein „Riesenvorbild“ gewesen, seine | |
Parteizugehörigkeit völlig egal. | |
Politisiert worden sei sie aber während des Studiums. Anfang der 2000er | |
Jahre diskutierte die Republik erregt über Parallelgesellschaften, über | |
Ehrenmorde und Zwangsehen. „Auf einmal“, sagt Güler, „standen viele junge | |
Frauen wie ich im Visier der Gesellschaft.“ Ihre deutschen Freunde hätten | |
sie damals sogar vor einem Urlaub in der Türkei gefragt, ob sie jetzt | |
zwangsverheiratet werde. „Menschen, die mich und meine Familie kannten, nur | |
weil wir aus der Türkei stammen und Muslime sind. Das tat ganz schön weh.“ | |
Da habe sie gemerkt, wie eine öffentliche Debatte das gesellschaftliche | |
Klima vergiften kann. | |
Auf einer Veranstaltung, auf der sie dem Grünen Cem Özdemir zuhören will, | |
lernt Güler schließlich Armin Laschet kennen, der ihr nach dem Studium | |
einen Job als Referentin in seinem Ministerium anbietet. 2009, mit 29 | |
Jahren, tritt Güler in die CDU ein, 2012 wird sie Landtagsabgeordnete, fünf | |
Jahre später Staatssekretärin. | |
Politikerinnen wie Güler und Schön braucht die CDU dringend – nicht nur, | |
weil sie Frauen sind, und die eine auch noch aus einer Familie mit | |
Migrationsgeschichte stammt. Güler und Schön stehen für Kompetenz in | |
Zukunftsthemen: Integration und Digitalisierung. Und sie verkörpern | |
Aufbruch und Modernität. | |
Hat Angela Merkel, Deutschlands erste Kanzlerin, etwas mit ihrem Weg in der | |
CDU zu tun? Schön und Güler winken ab. Sie wurden von Männern in die | |
Politik geholt. Von Männern, die begriffen haben, dass die CDU diverser | |
werden muss, wenn sie Volkspartei bleiben will. Noch immer sind nur 26 | |
Prozent der CDU-Mitglieder Frauen. Auch bei den Bundestagsabgeordneten tut | |
sich wenig: Gerade 40 Christdemokratinnen sitzen in der Unionsfraktion, das | |
ist ein Fünftel der CDU-Abgeordneten. Damit, das hat ein interner Bericht | |
der CDU 2018 leicht frustriert festgestellt, ist der Anteil so hoch wie vor | |
gut 20 Jahren. | |
Merkel selbst hat sich nie dezidiert als Frauenpolitikerin positioniert. | |
Aber sie hat Frauen wie Ursula von der Leyen den Weg geebnet, die als | |
Familien- und Frauenministerin eine – für eine Christdemokratin – | |
bemerkenswert moderne Politik gemacht hat. Und als eine Art Türöffnerin | |
sieht sich die Kanzlerin schon. „Niemand lacht ein junges Mädchen heute | |
mehr aus, wenn es sagt, dass es später einmal Ministerin oder sogar | |
Bundeskanzlerin werden will“, sagte Merkel 2018 bei einer Veranstaltung zu | |
„100 Jahren Frauenwahlrecht“. Und fügte hinzu: „Es soll sogar schon Frag… | |
geben, ob es auch ein Mann werden darf.“ Im Jahr darauf sagte sie im | |
Interview mit der Zeit: „Parität scheint mir logisch.“ | |
Auch Schön betont, dass Merkels Kanzlerschaft für die Gleichberechtigung | |
eine große Bedeutung habe. „Wir brauchen solche Vorbilder.“ Merkel habe | |
sich nach außen nicht exponiert, intern habe sie, etwa im Kabinett, Frauen | |
aber durchaus unterstützt. Merkel verlieh Güler im CDU-Präsidium sogar eine | |
Art Ritterschlag, wie es im Spiegel vor Jahren hieß. Nach den Anschlägen | |
von Paris hatte Güler in der FAZ geschrieben, die deutschen Muslime müssten | |
sich stärker von gewaltbereiten Islamisten abgrenzen. Merkel ließ demnach | |
Kopien des Textes im Präsidium verteilen – und signalisierte damit, dass | |
Güler in der CDU-Spitze durchaus richtig sei. | |
Zu der Zeit, als Nadine Schön 2009 in den Bundestag einzieht, beginnen ihre | |
Freundinnen mit der Jobsuche – und sind dabei weniger erfolgreich als | |
Männer mit gleich guten Abschlüssen. Es sind Erfahrungen wie diese, die | |
Schön zu einer Befürworterin der Quote machen. 2012 unterschreibt sie eine | |
überparteiliche Petition für eine 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte | |
und Vorstände, später fordert sie eine Quote für ihre Partei. Damit ist sie | |
der CDU um Jahre voraus. Auch Güler sagt: „Eine Quote wäre eine | |
Möglichkeit, für mehr Frauen zu sorgen. Das kann und darf aber nicht das | |
einzige Mittel sein.“ | |
Oft sind es aber auch die Frauen selbst, die zögern. Schön sagt: „Wenn man | |
Frauen fragt, sagen die: ‚Ich weiß nicht, ob ich das kann. Und ich kann | |
nicht bei jeder Sitzung dabei sein.‘ Männern ist das oft völlig schnuppe.“ | |
Auch sie selbst habe gezögert, als der ehemalige Fraktionschef Volker | |
Kauder sie zu seiner Vize machen wollte. Ich kann das nicht, das ist doch | |
erst meine zweite Legislaturperiode – das habe sie gedacht. Doch Kauder war | |
hartnäckig. „Meine Erfahrung ist: Es kostet mehr Kraft und Mühe, Frauen zu | |
animieren, und manchmal gibt es Ärger. Aber es lohnt sich“, sagt Schön. | |
Eigentlich sollte die CDU inzwischen eine Frauenquote haben. Vor gut einem | |
Jahr hatte sich die Struktur- und Satzungskommission nach zähem Ringen auf | |
eine stufenweise Einführung einer Quote bei Vorstandswahlen ab der | |
Kreisebene geeinigt. Der Parteitag im Dezember sollte das beschließen. | |
Dann kam Corona – die Abstimmung steht bis heute aus. Das Bewusstsein aber, | |
sagt Schön, habe sich auch in der CDU verändert: „Ein Bild wie das aus dem | |
BMI wird es nicht mehr geben.“ Das Bundesinnenministerium hatte bei | |
Amtsantritt 2018 ein Foto der neuen Hausspitze veröffentlicht, darauf: | |
[2][neun Männer, keine einzige Frau]. | |
Inzwischen achtet die Parteispitze vielerorts immerhin darauf, dass Frauen | |
bei Listenaufstellungen stärker berücksichtigt werden. Es bleibt aber noch | |
viel zu tun: Erst im März trat in Sachsen-Anhalt die stellvertretende | |
Landesvorsitzende der Frauenunion empört aus, weil die Liste zur | |
Landtagswahl die „frauenfeindlichste“ sei, die die Landes-CDU jemals | |
aufgestellt habe. Auf die ersten 20 Plätze wurden nur drei Frauen gewählt. | |
Die CSU hingegen hat gerade medienwirksam eine paritätisch besetzte Liste | |
für die Bundestagswahl beschlossen. Weil die meisten der Unionsabgeordneten | |
über Direktmandate einziehen, hat das aber vor allem symbolische Bedeutung. | |
In den Kreisverbänden hapert es häufig noch am Bewusstsein für Parität. | |
Nadine Schön und Serap Güler haben beide keine sicheren Wahlkreise, aber | |
ziemlich sichere Listenplätze. Die Saarländerin hat sich allerdings bereits | |
dreimal hintereinander in St. Wendel durchgesetzt. Güler will den Wahlkreis | |
101, zu dem Köln-Mülheim und Leverkusen gehören, dem omnipräsenten | |
SPD-Coronaexperten Karl Lauterbach abnehmen. | |
Warum aber überhaupt die CDU? Güler sagt, an ihr sei nichts links. Sie sei | |
konservativ, aber auch liberal – „und vor allem sozial“. Familie ist ihr | |
wichtig, Abtreibung, das hat sie jüngst Tilo Jung [3][in einem Interview | |
verraten], will sie nur im engen Rahmen zulassen und der Forderung nach | |
einer neuen Leitkultur kann sie durchaus etwas abgewinnen. Furore machte | |
Güler 2018 mit dem Vorstoß, Mädchen unter 14 Jahren das Kopftuchtragen zu | |
verbieten. Weil er juristisch schlecht vorbereitet war, [4][musste sie ihn | |
wieder kassieren]. Inhaltlich aber steht sie dazu. | |
Güler und Schön sind beide in der CDA, der christlichen Arbeitnehmerschaft. | |
Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei es, was sie unter konservativ | |
verstehe, sagt Schön. Ob sie sich als Feministin bezeichnen würde? „Ja. Ich | |
trete ein für Frauen, ihre Rechte und Verwirklichungschancen.“ Güler | |
dagegen winkt ab. „Ich bin eine emanzipierte Frau, aber es ist nicht so, | |
dass ich das Frausein über alles stelle.“ Auch die Kanzlerin will sich | |
selbst nicht so bezeichnen. | |
Für manche aber passt Serap Güler, die Muslima, lange nicht in die CDU, die | |
das Christliche im Namen trägt. 2012, bei ihrer ersten Landtagskandidatur, | |
fragt ein Parteifreund sie auf offener Bühne, wann sie konvertiere. „Nicht | |
ob, sondern wann war die Frage“, sagt sie. Seitdem aber habe sich in der | |
CDU viel verändert. | |
Güler wollte lange keine Deutsche werden, weil sie dafür den türkischen | |
Pass abgeben muss. Heimat, das ist eben auch der Ort in der Türkei, aus dem | |
die Eltern kamen – und wohin es jedes Jahr in den Sommerferien ging. Ihr | |
Vater, der gerade gestorben ist, ist dort begraben. Doch nachdem Güler 2010 | |
für die CDU erstmals Wahlkampf machte, entschied sie sich doch für die | |
deutsche Staatsbürgerschaft. Plakate kleben und dann selbst nicht wählen | |
dürfen – das passte ihr nicht. | |
Bei der doppelten Staatsbürgerschaft liegt Güler quer zur Mehrheit in der | |
CDU, auch wenn sie diese nur für die erste Generation nach der Einwanderung | |
und dann einen Schnitt will. Als die CDU 2016 auf einem Parteitag | |
beschloss, den Doppelpass für Kinder wieder abzuschaffen, stimmte sie gegen | |
den Antrag. Wenn es um Rassismus und Diskriminierung geht, kann die | |
Deutschtürkin auch kräftig austeilen. Den südthüringischen | |
Christdemokraten, die den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg | |
Maaßen jüngst zu ihrem Direktkandidaten machten, [5][bescheinigte sie via | |
Twitter]: „Ihr habt echt den Knall nicht gehört!“ | |
Dafür musste sie von Friedrich Merz heftige Kritik einstecken. Von | |
Migrantenorganisationen aber wird die medienpräsente Güler gelobt. „Ich | |
schätze ihre Arbeit“, sagt etwa Kenan Küçük vom Multikulturellen Forum in | |
NRW, der selbst SPD-Mitglied ist und im Landesbeirat für Migration sitzt. | |
Güler sei „ein Sprachrohr“ für die Migrant:innen geblieben. | |
Auch Nadine Schön ist immer wieder mit Positionen ihrer Partei nicht | |
einverstanden. Sie setzte sich früh für die Homoehe ein, schloss sich einem | |
fraktionsübergreifenden Netzwerk an, das die Bedingungen für junge Mütter | |
im Bundestag verbessern will, auch mit dem Betreuungsgeld kann sie wenig | |
anfangen: „Das hätte ich nicht gebraucht.“ Nachdem Verbesserungen | |
ausgehandelt wurden, stimmt sie aber zu. | |
Schön erzählt, dass sie mit sich gerungen habe, ob sie bei der | |
Bundestagswahl im September noch einmal antreten soll. „Abgeordnete, das | |
ist ja nichts, was man vom Anfang des Berufslebens bis zum Ende macht.“ | |
Dann aber habe sich das „Neustaat“-Projekt so rasant entwickelt, die | |
Unterstützung sei – auch durch Corona – groß. „Da muss der Ball jetzt i… | |
Ziel.“ Dieter Janecek von den Grünen sitzt mit Schön im Bundestagsausschuss | |
für Digitale Agenda. Schön sei im Umgang angenehm und verbindlich, sagt er. | |
„Aber mir ist nicht klar, wofür sie inhaltlich wirklich steht.“ Pointierte | |
Einlassungen jedenfalls gebe es nicht. | |
Fragt man Güler, was sie auf Bundesebene in Sachen Integrationspolitik | |
verändern würde, sagt sie zweierlei: Sie würde eine | |
Bundeseinwanderungsbehörde schaffen, die Einwanderung zentral steuern soll. | |
Und ein Ministerium für gesellschaftlichen Zusammenhalt einrichten, das | |
mehr sein soll als ein Integrationsministerium. „Es geht ja nicht nur um | |
Menschen mit Einwanderungsgeschichte.“ Ein Problem derzeit sei, dass die | |
wichtigen Entscheidungen in Sachen Integration im Bundesinnenministerium | |
fallen, wo man insbesondere die Risiken sehen würde. „Man muss aber vor | |
allem die Chancen im Blick haben. Das ist unser Ansatz in | |
Nordrhein-Westfalen, mit dem wir sehr erfolgreich sind.“ | |
Ein Bundesintegrationsministerium, das Laschet in der Vergangenheit | |
gefordert hat, steht nicht im Wahlprogramm der Union. Für Güler könnte das | |
Amt der Integrationsstaatsministerin im Bundeskanzleramt bleiben. Ein | |
Digitalministerium hingegen will die Union nach der Wahl einrichten. | |
Wäre das etwas für Nadine Schön? Als Reaktion auf diese Frage betont sie, | |
wie einflussreich die parlamentarische Arbeit sei. „Ich hätte nichts | |
dagegen, das weiter zu tun.“ Jedoch habe sie zwei kleine Söhne und wohne im | |
Saarland, „da muss man das Private und das Politische gut abwägen“. | |
Wie hatte sie zu Beginn des Gesprächs noch gesagt? Frauen sind manchmal | |
ganz schön zögerlich. | |
11 Jul 2021 | |
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[3] https://www.youtube.com/watch?v=bdV8qQY0yv4 | |
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