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# taz.de -- CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet: Bloß keine Veränderung
> Armin Laschet will ein „Modernisierungsjahrzehnt“ für Deutschland. Seine
> Ahnungslosigkeit ist ein Zeichen für ein sich anbahnendes Systemversagen.
Bild: Was genau meint der Mann mit seinem tollen Slogan? Und warum zieht er so …
Heute früh nach dem Aufwachen [1][habe ich an Armin Laschet gedacht] und
seinen grandiosen Slogan vom Modernisierungsjahrzehnt. Keine Sorge, sonst
geht es mir gut.
Ich habe mir vorgestellt, wie er mit seinen Berater*innen – denn ich
gehe davon aus, dass er auch auf Frauen hört – in einem Raum saß. Nun
musste eine Strategie her. Bislang war er gut ohne Konzepte ausgekommen,
und vielleicht war es auch zu viel, einen Plan zu erarbeiten. Sie waren
sich schließlich einig bei der CDU, dass die Menschen nicht durch Ideen
verschreckt werden wollten.
Laschet aber hatte vor einiger Zeit davon gehört, dass der Klimawandel ein
ziemlich großes Ding werden würde, mehr als eine Mode. Auf einmal reden
alle davon, sagte er wieder einmal, obwohl das für seine Berater*innen
– wie gesagt, sind Frauen im Raum? – doch etwas peinlich war.
Aber so ist das mit Chefs, die rumpelig auftreten und ihre eigene
Verlorenheit durch Selbstsicherheit überspielen. Am besten nicht
widersprechen, am besten einfach an etwas anderes denken. „Dieses
Jahrzehnt“, sagte Laschet, und war von der Kühnheit seines Gedankens selbst
berauscht, „dieses Jahrzehnt wird entscheidend“.
## Armin, der Kühne
Er ließ offen, für was. Der Satz pendelte seltsam orientierungslos im Raum,
und einige der Berater*innen, die zugehört hatten, wurden unruhig. War es
nun an ihnen, den Satz zu beenden? Entscheidend für mich, Armin, den
Kühnen? Entscheidend für uns, die CDU? Entscheidend für dieses Land?
Eigentlich, das wussten sie natürlich, ist dieses Jahrzehnt entscheidend
für die Zukunft dieses Planeten, unserer Kinder und all derer, die noch
kommen werden. Aber das wollten sie nicht sagen. Das wollte Armin, der
Kühne, auch nicht hören.
Ein Jahrzehnt also musste her, das wie eine Epoche, wie ein Plan, wie ein
Konzept klang – aber ohne den verstörenden Beigeschmack echter Veränderung
oder grundsätzlichen oder auch nur oberflächlichen Wandels. Was für ein
Jahrzehnt also sollten sie ausrufen?
Die Linken in den USA hatten ihren Green New Deal. Das war ein umfassender
Plan, das Verhältnis von Staat, Arbeit und Umwelt neu und nachhaltig zu
organisieren. Der Plan war eigentlich gar nicht soooo links, wenn man genau
hinschaute. Man konnte ihn jedenfalls so runterdimmen, dass er auch für
eine moderne konservative Partei annehmbar wäre, wenn sie mehr sein wollte
als ein Mythenverwaltungsverein oder eine Interessensvertretung für die
Gilde von Gestern.
## Bloß keine Veränderung
Niemand im Raum sagte etwas. Laschet wurde unruhig. Was er wollte: Dynamik,
Richtung, die Kommandobrücke – aber keine Veränderung, bloß keine
Veränderung. Und als sich doch ein paar der Berater*innen gemeldet
hatten, auch ein paar Frauen, als sie einige Varianten durchgespielt
hatten, kamen sie zu dem Ergebnis, dass die ideale Verbindung von
50er-Jahre-Kühlschrankversprechen und 70er-Jahre-Ferienanspruchsdenken,
kombiniert mit einem Gefühl von „Tempo ist die letzte Freiheit“ dieses eine
Wort wäre – [2][Modernisierungsjahrzehnt.]
Es hat, und das wussten die Studierten im Raum, eine etwas bedenkliche
Begriffsgeschichte. Schließlich, könnte man sagen, ist die Vorstellung von
Moderne, wie sie im späten Kapitalismus umgesetzt wurde, ursächlich für
genau die Klimakrise, deren Jahrzehnt diese 20er Jahre sind.
Egal, Modernisierung ist es also für die CDU. Es ist nicht klar, was damit
gemeint ist, aber darum geht es auch nicht. Denn nach den eineinhalb Jahren
der Pandemie, in denen sich gezeigt hat, dass Politik und politisches
Handeln direkt und persönlich ist, mit unmittelbaren Auswirkungen auf die
eigene Existenz, auf Ängste und Hoffnungen, nach diesem Blick auf eine
andere politische Realität kommt ein Wahlkampf um die Ecke, der in fast
allem von der Vorstellung des Alten geprägt ist, ganz sicher in dem
Verständnis davon, dass Politik vor allem das ist, was Politiker tun und
sagen.
Der Riss der Realität, der Bruch von Biografien, der Schock dieser
Gesellschaft, vor allem die Einsicht in die radikalen Konsequenzen des
Klimawandels, wird verborgen hinter Worten von einschläfernder und
gefährlicher Normalität.
Politik aber ist mehr als das, was im Parlament passiert. Politik ist mehr
als Rhetorik. Politik setzt sich aus Prinzipien wie Teilhabe,
Verantwortung, Zeit zusammen. Es sind Bestandteile eines demokratischen
Gefühls, das über die Prozesse hinausreicht, weil es größer ist als
einzelne Personen oder Parteien.
Und weil die einzelnen Bestandteile von Politik im Zweifel stehen, steht
die Politik als solche im Zweifel. Teilhabe wird weiter vor allem
symbolisch organisiert durch Wahlen und erschwert durch wachsende
ökonomische Ungleichheit. Verantwortung würde sich zeigen durch
entschiedenes Handeln im Zeichen der Klimakrise. Und Zeit ist die
Perspektive von Zukunft, die all die betrifft, die heute nicht wählen
dürfen oder können.
## Strategische Ahnungslosigkeit
Die strategische Ahnungslosigkeit von Armin Laschet ist also nur ein
Zeichen für ein sich anbahnendes Systemversagen. Es ist ein Coup der
Jetzigen, die sich – und das hat [3][das Bundesverfassungsgericht ja klar
gesagt] – gegen die Rechte der Künftigen vergehen. Wenn Laschet mit
Modernisierungsjahrzehnt meint, dass Windkraft verhindert, Protest
kriminalisiert und Rechte, wie die vom Bundesverfassungsgericht explizit
benannten, eingeschränkt werden sollen, dann ist das eine autoritäre
Version von Spätmoderne, die vor allem Kapitalinteressen und
Sicherheitsversprechen austariert.
Dabei ginge es gerade darum, die Moderne aufzubrechen, in ihren
Widersprüchen zu benennen und den Menschen, der im Zentrum steht, wieder an
seinen Platz zu setzen: nicht an der Spitze der Pyramide, sondern als Teil
des wunderbaren und leider wackeligen Systems, das man Erde, Natur, Gaia,
Umwelt nennen kann und das vor allem eines meint – Leben, Überleben.
14 Jul 2021
## LINKS
[1] /Laschets-Steuerpolitik/!5781084
[2] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wahlprogramm-der-union-laschet-v…
[3] https://www.tagesschau.de/inland/klimaschutzgesetz-bundesverfassungsgericht…
## AUTOREN
Georg Diez
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