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# taz.de -- Opposition in Aserbaidschan: Blogger in Todesangst
> Der aserbaidschanische Oppositionelle Mohammed Mirzali lebt im
> französischen Exil. Bei einem Angriff wurde er verletzt. Jetzt wird er
> erneut bedroht.
Bild: Mohammed Mirzali verließ 2016 Aserbaidschan
Berlin taz | „Ich werde bald getötet werden, das spüre ich. Sollte das so
kommen, sind zwei Seiten schuld: Alijew und die Gleichgültigkeit der
französischen Regierung“, heißt es in einem Tweet des aserbaidschanischen
Bloggers Mohammed Mirzali.
Die Befürchtungen des 27-Jährigen, der Aserbaidschan 2016 aus politischen
Gründen verlassen hatte und derzeit mit seiner Familie in Nantes lebt, sind
begründet: Bereits im vergangenen Oktober hatte ein Unbekannter auf das
Auto des Oppositionellen geschossen und Mirzali an der Schulter verletzt.
Im März dieses Jahres wurde er in Nantes Opfer eines Messerangriffs. Er
verlor drei Liter Blut und musste sich einer mehrstündigen Notoperation
unterziehen.
Anfang Juni wurde ein Fenster seines Wagens eingeschlagen und auf dem
Rücksicht eine Notiz in türkischer Sprache hinterlassen: „Das ist für
dich!“ Kurz darauf hatte ein Mann Mirzalis Wohnhaus fotografiert und
versucht, sich Zutritt zu dessen Wohnung zu verschaffen.
Der Grund für die neuerlichen Bedrohungen dürfte in einem Interview zu
suchen sein, das Mirzali dem armenischen Nachrichtenportal CivilNet am 31.
Mai gegeben hatte. „Ihr seid Armenier, ich bin Aserbaidschaner. Vielleicht
wird es Leute in unseren Ländern geben, die uns als Verräter bezeichnen.
Doch unser Dialog ist das erste Samenkorn für einen Frieden. Wie lange
werden wir uns noch gegenseitig töten? Das muss aufhören“, sagt Mirzali.
## Über 8000 Kriegstote
Damit bezieht er sich auf den jüngsten Krieg zwischen Armenien und
Aserbaidschan um das Gebiet Bergkarabach im vergangenen Herbst. Bei den
bewaffneten Auseinandersetzungen mit über 8.000 Toten [1][hatte
Aserbaidschan mit Unterstützung der Türkei mehrere Gebiete zurückerobert].
Die Umsetzung eines Waffenstillstandsabkommens überwachen russischen
Truppen.
Die Armenier seien glücklich, die Aserbaidschaner hingegen würden zu Kreuze
kriechen. „Aserbaidschans Regierung hat uns belogen und gesagt, wir hätten
den Krieg gewonnen. Doch ist das ein Sieg, jetzt, wo wir die russische
Armee nach Bergkarabach hineingelassen haben?“, fragt Mirzali in dem
Interview.
Besonders diese Aussagen dürften [2][Aserbaidschans Präsidenten Ilham
Alijew] gar nicht gefallen. Alijew ist für seinen brutalen Umgang mit
Kritiker*innen bekannt. Das gilt besonders für diejenigen, die die
korrupten Machenschaften seines Familienclans anprangern.
Enthüllungen über Korruption sind auch eine Spezialität von Mirzali. Sein
YouTube-Kanal „Made In Azerbaijan“ hat 268.000 Abonnent*innen, manchmal
verzeichnen seine Videos Millionen Klicks. Trotz der Drohungen will er
nicht locker lassen. „Mein Land und meine Familie werden von der
aserbaidschanischen Regierung verfolgt. Wie kann ich da ruhig bleiben? Ich
habe mich bis jetzt geäussert und werde das auch weiter tun, auch wenn das
tödlich endet“, zitiert ihn das Nachrichtenprotal von Radio Free Europe.
## Tod in Istanbul
Am 2. Mai 2021 wurde der aserbaidschanische Blogger Bayram Mammadow in
Istanbul tot aufgefunden. Dort hielt er sich zu Studienzwecken auf. Der
27-jährige, Mitglied der pro-demokratischen Jugendbewegung NIDA, war 2016
wegen eines Graffiti in Baku zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.
Offiziell lautete die Anklage auf Drogenbesitz. Drei Jahre später kam er im
Zuge einer allgemeinen Amnesty frei. Danach wurde er noch mehrmals
festgenommen und berichtete auch immer wieder von Folter.
Während die Polizei zunächst von einem möglichen Suizid sprach, glauben
enge Freunde Mammadows, dass er ermordet worden sein könnte. Die
Ermittlungen dauern an.
8 Jun 2021
## LINKS
[1] /Militaerparade-in-Aserbaidschan/!5730525
[2] /Corona-in-Aserbaidschan/!5670971
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Schwerpunkt Bergkarabach
Aserbaidschan
Opposition
Ilham Alijew
Medien
Schwerpunkt Pressefreiheit
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