# taz.de -- Stiftungsprofessur wird abgewickelt: Aserbaidschan nicht mehr in Be… | |
> Aus für aserbaidschanische Geschichte an der HU: Der Studierendenrat | |
> hatte die von dem Regime finanzierte Professur scharf kritisiert. | |
Bild: Skurril-Schauriges aus dem Trophäenpark in Baku, Aserbaidschan | |
Berlin taz | Der Lehrstuhl „Geschichte Aserbaidschans“ an der | |
Humboldt-Universität (HU) ist demnächst selbst Geschichte: Wenn am 30. | |
September die Inhaberin der Professur am Institut für | |
Geschichtswissenschaften, Eva-Maria Auch (65), ihre Tätigkeit beendet, | |
werde das Institut „andere Schwerpunkte in seiner Arbeit setzen“ und die | |
Stiftungs-Gastprofessur „nicht weiterführen“. Das teilte die Philosophische | |
Fakultät der HU vorletzte Woche auf der Universitäts-Website mit. | |
Einstimmig beschlossen habe dies der Fakultätsrat bereits Ende April. | |
Damit endet ein umstrittenes Kapitel, das 2010 begann, dessen Aufarbeitung | |
damit aber wohl noch nicht abgeschlossen ist. Erst Ende Juli | |
veröffentlichte der RefRat der HU – das Pendant zu den Allgemeinen | |
Studierendenausschüssen AstA an anderen Unis – einen Aufruf. Darin fordert | |
das Gremium „ein Ende der Einflussnahme des aserbaidschanischen Regimes auf | |
die freie Lehre am Institut für Geschichte“ und bezichtigt den von Auch | |
besetzten Lehrstuhl, „sich mit der aserbaidschanischen Staats- und | |
Kriegspropaganda gemein zu machen“. | |
Der Hintergrund: Die Stiftungs-Gastprofessur wird größtenteils vom | |
[1][aserbaidschanischen Staat] finanziert. Die Fördersumme, die von der | |
aserbaidschanischen Botschaft an die Drittmittelverwaltung der HU floss, | |
betrug von 2010 bis 2015 rund 100.000 Euro jährlich, bis 2020 waren es | |
sogar rund 150.000 Euro. Ein ziemlich einzigartiges Konstrukt: An der HU | |
gibt es lediglich eine weitere Gastprofessur am Nordeuropa-Institut, die | |
mittelbar von einer ausländischen Regierung finanziert wird – in diesem | |
Fall der norwegischen. | |
Bei Auchs Professur, so der RefRat, handele es sich jedoch um einen | |
„Lobby-Lehrstuhl, der sich mit den nationalistischen Narrativen des | |
autoritären Alijew-Regimes gemein macht“. Das postsowjetische Regime | |
zeichne sich „durch Repression von Minderheiten sowie gänzlich [2][fehlende | |
Presse- und Meinungsfreiheit] aus“, heißt es in dem Aufruf. In der von der | |
Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen aufgestellten „Rangliste | |
der Pressefreiheit“ 2021 liege das Land am Kaspischen Meer sogar noch neun | |
Plätze hinter Belarus. | |
## Im April 2021 in Baku | |
Des Weiteren bezieht sich der RefRat auf die im Kontext der | |
„[3][Aserbaidschan-Affäre]“ bekannt gewordenen Versuche der Einflussnahme | |
auf Politiker_innen von CDU und CSU, gegen die Ermittlungsverfahren laufen | |
oder liefen. In diesen Lobbyismus füge sich auch die Stiftungsprofessur | |
ein, „denn ihr erklärtes zentrales Ziel ist es, Aserbaidschan in | |
Deutschland bekannter zu machen, gleichzeitig kann die Botschaft die | |
Inhalte mitbestimmen“. | |
Statt unabhängig zur Südkaukasusregion zu forschen, „findet am Lehrstuhl | |
dem Regime genehme Lehre und Forschung unter anderem zur Nationen- und | |
Elitenbildung Aserbaidschans statt“, so die Studierenden, und weiter: „Im | |
Sinne der Herausbildung eines deutsch-aserbaidschanischen | |
Karrierenetzwerkes haben am Lehrstuhl dem Regime nahestehende | |
Wissenschaftler_innen promoviert beziehungsweise an einem Studienaustausch | |
teilgenommen“. | |
Besonders brisant, so der RefRat, sei „der skandalöse Umstand, dass Prof. | |
Dr. Eva-Maria Auch ausgerechnet zu Ende des Bergkarabach-Kriegs zwischen | |
Armenien und Aserbaidschan im April 2021 eine Reise nach Baku antrat, um | |
sich mit dem Machthaber Alijew zu treffen“. Sie habe auf dieser Reise den | |
„bizarren und menschenverachtenden ‚Trophäen-Park‘ zum Kriegssieg“ | |
begutachtet und sich dabei „sehr über die aserbaidschanische Einnahme der | |
armenisch-geprägten Region gefreut“. Dieser „Park“, der erbeutetes | |
armenisches Kriegsgerät präsentiert, zeigt auch karikierende plastische | |
Darstellungen von armenischen Soldaten. | |
## Unangenehme Verbindung | |
Tatsächlich zitiert die Aserbaidschanische Staatliche Nachrichtenagentur | |
AZERTAG auf ihrer deutschsprachigen Seite Auch mit recht parteiischen | |
Worten: „Sie haben viele Jahre darauf gewartet, Ihr Land von der Besatzung | |
zu befreien, Sie haben im Rahmen des Völkerrechts gehandelt“, soll Auch im | |
April in Baku gesagt haben. Sie hoffe sehr, so das Zitat weiter, „dass | |
meine Kollegen nach diesem Besuch richtige Informationen in ihren Ländern | |
verbreiten werden“. | |
Mit dem Trophäenpark in Verbindung gebracht zu werden ist Eva-Maria Auch | |
sehr unangenehm: Sie habe bei ihrem Aufenthalt in Baku im April – | |
anlässlich eines internationalen Expertenforums zur Zukunft Karabachs der | |
Erasmus-Partneruniversität ADA – an dem Rundgang über das | |
Ausstellungsgelände nicht teilgenommen, teilt sie auf Nachfrage der taz | |
über die Pressestelle der Universität mit. Denn: Sie „verabscheue als | |
Wissenschaftlerin und als Mensch jegliche Darstellung von Gewalt und | |
Krieg“, so Auch. „Allein der Begriff ‚Trophäen‘ ruft bei mir Assoziati… | |
mit Kriegsverbrechen im und nach dem Zweiten Weltkrieg hervor.“ Diese | |
Kritik habe sie auch in Baku geäußert. | |
Ihr Auftreten in der aserbaidschanischen Hauptstadt, aber auch in der | |
kriegszerstörten Stadt Agdam in Berg-Karabach werde „verzerrt und | |
manipulativ“ wiedergegeben so Auch, außerdem sehe sie „die Verflechtung | |
verschiedener ‚Aserbaidschan-Skandale‘ mit dem Lehrstuhl“ als „gezieltes | |
Konstrukt gegen jegliche Wissensvermittlung über Aserbaidschan in | |
Deutschland“, sagte sie bereits Ende April in einem von der HU-Pressestelle | |
selbst geführten und veröffentlichten Interview. Die Universität reagierte | |
damit auf einen kritischen Bericht im Online-Magazin Vice – dessen | |
Recherche der RefRat zeitlich verzögert aufgegriffen hat. | |
Die Professorin bestreitet in dem Interview jegliche Einflussnahme des | |
aserbaidschanischen Staates auf die Arbeit ihres Instituts: „Es gab und | |
gibt keine inhaltlichen Vorgaben.“ Zu Beginn habe es „Fragen | |
aserbaidschanischer Kolleginnen und Kollegen“ gegeben, „ob und welche | |
aserbaidschanischen Geschichtsbücher ich benutze, aber es wurde schnell | |
akzeptiert, dass wir in Deutschland völlig andere Lehr- und | |
Forschungsmethoden haben“. Einzelne kritische Anmerkungen durch die | |
Botschaft habe es durchaus gegeben: etwa zu „Einladungen von oppositionell | |
eingestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“. | |
## Studierende wollen unabhängigen Lehrstuhl | |
Auch, die in den 1970ern fünf Jahre in Baku Orientalistik studierte, | |
beklagte gegenüber HU-Sprecher Hans-Christoph Keller, mit den Angriffen auf | |
sie werde „nach über 40 Berufsjahren als Wissenschaftlerin und | |
Hochschullehrerin nicht nur meine Arbeit diskreditiert“: Die „Kampagnen um | |
den Stiftungslehrstuhl“ sollten auch „die Fortführung der | |
wissenschaftlichen Beschäftigung mit Aserbaidschan verhindern“. | |
Auf die Frage, ob die Stiftungsprofessur über ihr Ausscheiden hinaus | |
weitergeführt werden solle, erwiderte sie, „gerade wegen des massiven | |
Drucks“ solle der Lehrstuhl erhalten bleiben: „Wenn Deutschland alle | |
Wissenschafts- und Kulturkontakte zu autoritär geführten Ländern abbrechen | |
würde, wäre der Entwicklung der dortigen Zivilgesellschaften kaum | |
geholfen.“ Sie regte die „Etablierung eines Kaukasusschwerpunktes an der | |
HU“ an, „der nationalgeschichtliche Grenzen bewusst überschreitet und zum | |
Beispiel mit Hilfe des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft | |
finanziert wird“. | |
Das ist tatsächlich gar nicht so weit entfernt von der Forderung des | |
RefRats, einen „unabhängigen Lehrstuhl für südkaukasische Geschichte“ | |
einzurichten, „der kritische Forschung zu Georgien, Armenien und | |
Aserbaidschan betreibt und historische Perspektiven aller drei Länder | |
erforscht“. Am HU-Institut für Geschichtswissenschaften hat man sich | |
offensichtlich aber nun weder den einen noch den anderen Vorschlag zu | |
Herzen genommen. | |
3 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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