# taz.de -- Konflikt in Bergkarabach: Russland droht zweite Front | |
> Moskaus Truppen müssen bewaffnete Zusammenstöße zwischen Armenien und | |
> Aserbaidschan in Bergkarabach schlichten. Kiew kommt das gelegen. | |
Bild: Archivbild eines russischen Panzers in Bergkarabach, in der Nähe der arm… | |
BERLIN taz | In dem von Armenien kontrollierten Teil der [1][Region | |
Bergkarabach] geht wieder die Angst um. In der vergangenen Woche hatten | |
aserbaidschanische Truppen die Demarkationslinie überschritten und das von | |
Armenier*innen bewohnte Dorf Parukh (Aserbaidschanisch Faruhk) | |
eingenommen. | |
Die örtliche Bevölkerung, mehrere Dutzend Menschen, wurde evakuiert. Laut | |
armenischen Berichten seien dabei zwei armenische Soldaten getötet und fünf | |
verletzt worden. Die aserbaidschanische Seite machte keine entsprechenden | |
Angaben. Bei dem Angriff sollen auch [2][türkische Drohnen] vom Typ | |
Bayraktar TB2 zum Einsatz gekommen sein. | |
In einer Stellungnahme des Moskauer Verteidigungsministeriums heißt es, | |
dass Aserbaidschan nach Verhandlungen unter Beteiligung russischer | |
Friedenstruppen seine Soldaten am Sonntag wieder abgezogen habe. Die | |
Menschen zögerten jedoch, in ihre Häuser zurückzukehren. | |
Im Herbst 2020 waren die Feinseligkeiten zwischen den beiden | |
Südkaukasusrepubliken Aserbaidschan und Armenien um die [3][von | |
Armenier*innen bewohnte Region Bergkarabach] mit voller Wucht | |
ausgebrochen. Der 44-tägige Krieg, in dem sich die Türkei an der Seite | |
Bakus positioniert hatte, endete am 10. November mit einer von Russland | |
vermittelten [4][Waffenstillstandsvereinbarung]. Armenien verlor nicht nur | |
die Kontrolle über sieben an Bergkarabach grenzende Regionen, sondern auch | |
über Teile Bergkarabachs selbst. Die Einhaltung des Waffenstillstands | |
sichern derzeit 2.000 russische Soldaten, ihr Einsatz soll auf fünf Jahre | |
begrenzt sein. | |
## Kein Gas, keine Heizung, keine Schule | |
Seit drei Wochen kommt es auf armenisch kontrolliertem Territorium jedoch | |
immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen. „Aserbaidschan verfolgt in | |
Bergkarabach eine Politik der ethnischen Säuberung durch terroristische | |
Anschläge“, sagt der armenische Menschenrechtler Arman Tatojan. Armenische | |
Dörfer würden beschossen, um Zivilist*innen durch psychologische | |
Einschüchterung und die Androhung von Gewalt dazu zu bringen, ihre Häuser | |
zu verlassen. | |
Laut Tatojan bahne sich in Bergkarabach eine humanitäre Katastrophe an. Am | |
7. März wurde die einzige Pipeline, über die Armenien Bergkarabach mit Gas | |
versorgt und die über aserbaidschanisch kontrolliertes Gebiet führt, | |
infolge einer Explosion schwer beschädigt. Baku hindert die armenische | |
Seite bislang daran, die Gasleitung wieder instandzusetzen. | |
In der Region herrscht ein harter Winter, die Temperaturen liegen bei knapp | |
über null Grad. Da die Heizung ausgefallen ist, wurden Schulen und | |
Kindergärten in Bergkarabach geschlossen, geplante Operationen in | |
Krankenhäusern mussten mehrfach verschoben werden. Die Menschen frieren in | |
ihren Wohnungen. | |
In einer Erklärung des aserbaidschanischen Außenministeriums heißt es dazu, | |
es gebe keinen Grund zur Hysterie. Die Unterbrechung der Gasleitung sei ein | |
rein technisches Problem, das Witterungsbedingungen geschuldet sei. | |
## Ukrainekrieg befördert die Angst | |
In Jerewan werden unterdessen Befürchtungen laut, Aserbaidschan könne | |
jetzt, wo Russland in der Ukraine Krieg führt, versucht sein, durch einen | |
großangelegten Angriff weitere Fakten in Bergkarabach zu schaffen. | |
Aus Sicht der Ukraine wäre das jedoch höchst willkommen. „Die Öffnung einer | |
zweiten Front auf dem Territorium eines anderen Landes gegen Russland würde | |
uns helfen“, zitiert das Nachrichtenportal Ukrainska Pravda den Sekretär | |
des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Oleksij | |
Danilow. | |
Der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte postete auf Facebook, dass | |
die russische Militärführung plane, einige Einheiten von ihrer Militärbasis | |
mit 5.000 Soldaten in der zweitgrößten armenischen Stadt Gjumri in die | |
Ukraine zu verlegen. | |
Auf den sozialen Netzwerken bricht sich die Wut der Menschen in Armenien | |
über die Ukraine Bahn. „Nun müssen wir Armenier*innen sterben, nur | |
damit ihr den Krieg gewinnt?“, heißt es in einem Post. „Schämt euch!“ | |
29 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tigran Petrosyan | |
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