# taz.de -- Türkei im Berg-Karabach-Konflikt: Abhängig von Baku | |
> Mit Entschlossenheit unterstützt Ankara die Führung Aserbaidschans. | |
> Erdoğan ist auf das Geld Aliyevs und auf Öl- und Gaslieferungen | |
> angewiesen. | |
Bild: Jens Stoltenberg besucht den türkischen Präsidenten | |
ISTANBUL taz | Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan von | |
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei seinem Besuch Anfang der Woche in | |
Ankara gebeten wurde, doch auf einen Waffenstillstand im Krieg zwischen | |
Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach zu drängen, hatte dieser eine | |
einfache Antwort parat: Armenien solle sich aus den besetzten Gebieten in | |
Aserbaidschan zurückziehen, dann würden auch die Waffen schweigen. | |
Tatsächlich gibt sich Erdoğan fest entschlossen, seinen aserbaidschanischen | |
Amtskollegen Ilham Aliyev dieses Mal bedingungslos bei dessen Versuch zu | |
unterstützen, das von armenischen Truppen 1994 eroberte aserbaidschanische | |
Gebiet zurückzugewinnen. Jahrelang hat Aliyev seine Truppen mit dem Geld | |
aus Ölverkäufen aufgerüstet – mit militärischem Gerät aus der Türkei, v… | |
allem aber auch aus Russland und Israel. | |
Aliyev ist ein Autokrat, der sich durch Repression und gefälschte Wahlen an | |
der Macht hält und für dessen Legitimation die Propaganda über die | |
„Rückeroberung der Heimat“ eine wichtige Stütze ist. Tatsächlich wurden … | |
rund 800.000 Aserbaidschaner, die 1994 von den Armeniern aus ihren Dörfern | |
vertrieben wurden, jahrelang rund um Baku in erbärmlichen Hütten | |
untergerbacht, nicht zuletzt, um den Konflikt am Kochen zu halten. | |
Zwar bestreitet die Türkei, direkt militärisch involviert zu sein, doch | |
Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte bei einem Besuch in Baku am Dienstag, | |
man werde Militär schicken, wenn Aserbaidschan dies wünsche. Bislang hat | |
sich Erdoğan darauf beschränkt, [1][nach bewährter Taktik zunächst einmal | |
syrische Söldner] für die Front in Berg-Karabach zu rekrutieren. | |
Obwohl die Angaben über ihre Anzahl schwanken, wird die Tatsache an sich | |
kaum noch bestritten. Während die syrischen Beobachtungsstelle für | |
Menschenrechte in London zunächst von 300 Söldnern sprach und die | |
armenische Regierung 4.000 gesehen haben will, berichteten ausländische | |
Reporter von rund 1.000. | |
Liz Cookman schrieb in der Zeitschrift Foreign Policy von 1.500 syrischen | |
Kämpfern und beruft sich dabei auf Quellen aus der FSA, der Freien | |
Syrischen Armee, unter deren Dach mittlerweile die von der Türkei | |
kontrollierten ehemaligen Rebellen zusammengefasst sind. Sie werden für | |
1.000 bis 2.000 Dollar angeheuert und nach Aussagen von Angehörigen in | |
Syrien an der Front verheizt. Bereits am vergangenen Sonntag seien die | |
ersten 50 Toten nach Syrien zurückgebracht worden. | |
## Abhängig vom Öl aus Aserbaidschan | |
Während Armeniens Regierungschef Nikol Paschijan im Interview mit dem | |
Spiegel [2][sagte], Erdoğan wolle jetzt den Völkermord an den Armeniern, | |
der 1915 im damaligen Osmanischen Reich stattgefunden hat, beenden, sind | |
Erdoğans Motive hinter der Unterstützung Aliyevs wohl weit weniger | |
dramatisch: Erdoğan ist auf das Geld Aliyevs und die aserbaidschanischen | |
Öl- und Gaslieferungen aus dem Kaspischen Meer angewiesen. | |
Die Türkei ist de facto pleite, ihre letzten Geldgeber sind die Führung in | |
Katar, die Erdoğan am Donnerstag in Doha besuchte, sowie Ilham Aliyev. | |
Aserbaidschan ist in den letzten Jahren zu einem der größten Investoren in | |
der Türkei aufgestiegen und die Öllieferungen aus Baku übertreffen in | |
diesem Jahr sogar die von Russland. | |
Deshalb wird in der Türkei auch darauf hingewiesen, dass dem jetzigen | |
Angriff Aserbaidschans ein militärischer Zwischenfall in der Grenzstadt | |
Tovuz im Juli dieses Jahres voranging. Tovuz ist weit entfernt von | |
Karabach, aber durch den Ort läuft die Baku-Tiflis-Ceyhan Ölpipline, die | |
für Aliyev und Erdoğan lebenswichtig ist. Eine parallele Gaspipline ist im | |
Bau und soll Ende des Jahres in Betrieb gehen. Erdoğan will die Sicherheit | |
dieser Pipelines gewährleistet sehen und er will die Macht Aliyevs | |
absichern. | |
9 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Krieg-in-Libyen/!5668759 | |
[2] https://www.spiegel.de/politik/ausland/bergkarabach-nikol-paschinjan-betrac… | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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