| # taz.de -- Waffenstillstand in Berg-Karabach: Auf Druck aus Russland | |
| > Armenien und Aserbaidschan einigen sich in Moskau auf einen | |
| > Waffenstillstand. Der ist brüchig, die Kämpfe um Berg-Karabach gehen | |
| > weiter. | |
| Bild: Nach Raketenangriffen suchen in der aserbaidschanischen Stadt Ganja Rettu… | |
| Moskau taz | Seit Samstag, den 10. Oktober 12 Uhr mittags, herrscht an der | |
| kaukasischen Front an den Grenzen Berg-Karabachs zumindest auf dem Papier | |
| ein [1][Waffenstillstand]. Wladimir Putin hatte die Kampfparteien Ende der | |
| Woche zu Friedensverhandlungen aufgefordert und beide nach Moskau | |
| einbestellt. Sie reagierten auch sofort auf die Order aus Russland. Nach | |
| zehn Stunden Verhandlungen einigten sich die Außenminister Aserbaidschans | |
| und Armeniens in der Nacht zum Samstag in Moskau auf den Waffenstillstand. | |
| Zunächst sollen Kriegsgefangene ausgetauscht und gefallene Soldaten | |
| übergeben werden. Die Logistik des Austauschs übernimmt das Internationale | |
| Rote Kreuz. Beide Kriegsparteien hielten sich am Samstag über längere Zeit | |
| jedoch noch nicht an die Vereinbarungen. Stattdessen [2][beschuldigten sie | |
| sich gegenseitig,] die Übereinkunft nicht einzuhalten. | |
| Die Fortführung der Friedensverhandlungen soll die Minsker Gruppe im Rahmen | |
| der OSZE übernehmen, die seit 26 Jahren den Konflikt begleitet. Neben | |
| Russland und den USA gehört auch Frankreich der Vermittlergruppe an. Sie | |
| hat in den letzten Jahren jedoch keine entscheidende Mittlertätigkeit mehr | |
| übernommen. | |
| Der Konflikt um Berg-Karabach schwelte, von der internationalen | |
| Gemeinschaft kaum beachtet, vor sich hin. 2018, 2016 und auch 2015 kam es | |
| zu kurzen blutigen Ausbrüchen, die Dutzende Opfer forderten. Das | |
| grundlegende Problem des territorialen Streits zwischen Aserbaidschan und | |
| Armenien um die Bergregion wurde jedoch nicht aufgegriffen. | |
| ## Beide Seiten betrachten Berg-Karabach als ihr Gebiet | |
| Der letzte Angriff Aserbaidschans von [3][Ende September 2020] kostete | |
| bislang mehr als 320 armenische Soldaten das Leben. Tausende Einwohner | |
| wurden aus Karabach in die Flucht getrieben. Aserbaidschan hält die eigenen | |
| Verluste unter Verschluss, beklagte aber den Tod von 30 Zivilisten. | |
| Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew sah in dem Moskauer Treffen eine | |
| „letzte Chance“ für eine friedliche Lösung des Konflikts. Gegenüber dem | |
| Sender RBK sagte er, Aserbaidschan sei bereit, sich „schon morgen“ an den | |
| Verhandlungstisch unter Leitung der Minsker Gruppe zu setzen. | |
| Armenien müsse sich aber damit abfinden, dass es die aserbaidschanischen | |
| Gebiete Karabachs „niemals wiedersieht und keine Versuche unternimmt, sie | |
| militärisch loszuschlagen“, meinte Alijew. Schon die aggressive Sprachwahl | |
| dürfte in Jerewan als ein erneuter Angriff gewertet werden. | |
| Beide Seiten betrachten Berg-Karabach als ihr Gebiet. In den 1920er Jahren | |
| hatte die Sowjetunion das Bergland der Sowjetrepublik Aserbaidschan | |
| zugeschlagen, damals war das nur ein Verwaltungsakt. Der Anteil der | |
| aserischen Bevölkerung stieg danach von 5 auf 23 Prozent. Seit Ende des | |
| Krieges um Karabach 1994, den die Armenier für sich entscheiden konnten, | |
| kommt die Region nicht mehr zur Ruhe. Aserbaidschan beharrt zu Recht | |
| darauf, dass Karabach völkerrechtlich Teil des eigenen Staatsgebietes ist. | |
| ## Die Türkei stützt Aserbaidschan | |
| Bislang hat auch Armenien die Existenz Berg-Karabachs als unabhängiger | |
| Staat nicht anerkannt. Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan brachte | |
| dies vor den Verhandlungen in Moskau öffentlich an. | |
| Aserbaidschan dürfte dies nicht ausreichen. Baku besteht auf Rückgabe der | |
| besetzten Territorien. Auch die [4][Türkei unterstützt Aserbaidschan]. | |
| Bislang hatte Ankara die turksprachigen Aseris zur Zurückhaltung aufgerufen | |
| und für eine friedliche Lösung des Konflikts votiert. Das geopolitische | |
| Gleichgewicht um den territorialen Streit hat sich jedoch verschoben. | |
| Moskau hatte mit der Intervention zum Waffenstillstand lange gewartet. | |
| Gewöhnlich schaltete es sich bei früheren Übergriffen schon nach ein paar | |
| Tagen ein. Womöglich haben Ankaras Aktivitäten den Kreml zum Warten | |
| veranlasst. Moskau wollte die Partnerschaft mit der Türkei gegen den Westen | |
| wohl nicht aufs Spiel setzen. | |
| Die Vermittlung der Moskauer Feuerpause verlief trotz des verzögertes | |
| Beginns recht schnell. Am Ende hinterließ der Kreml sogar noch den Eindruck | |
| eines neutralen Vermittlers. Daran zweifelten sowohl Armenien als auch | |
| Aserbaidschan. Baku misstraut dem Militärbündnis zwischen Moskau und | |
| Jerewan. Armenien hingegen ist enttäuscht, weil Moskau seinen | |
| Bündnisverpflichtungen angeblich nicht nachkommt. Moskau zögert indes, da | |
| es weder die Beziehungen zu Baku noch zu Jerewan gefährden möchte. | |
| 11 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus-Helge Donath | |
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