# taz.de -- Texte aus dem Osteuropa-Workshop Herbst 2022: Die Türen offen halt… | |
> Die taz Panter Stiftung lädt 14 Journalist:innen aus sechs | |
> postsowjetischen Staaten ein. Keine Selbstverständlichkeit. Doch der | |
> Austausch gelingt. | |
Bild: Die Tür öffnen – dazu möchte auch die taz Panter Stiftung ihren Beit… | |
Wenn am Ende des Tages die Sonne untergeht, zweifeln Menschen bisweilen | |
daran, ob sie sich am anderen Morgen wiedersehen werden. Der 24. Februar | |
2022 ist eine Zäsur: Noch vor dem Aufstehen schlagen die ersten russischen | |
Raketen in mehreren ukrainischen Städten ein, der Großangriff hat begonnen. | |
Was viele als Beginn der russischen Invasion wahrnehmen, ist jedoch nur die | |
Fortsetzung eines seit nunmehr acht Jahren andauernden Kriegs gegen das | |
Nachbarland. | |
Im März 2022 startet die [1][taz Panter Stiftung] ein Projekt: | |
[2][Tagebucheinträge unter dem Titel: „Krieg und Frieden“], die fortan | |
regelmäßig in der taz erscheinen. Die Idee ist, das Kriegsgeschehen und | |
seine Bedeutung für den Alltag der Menschen aus unterschiedlichen | |
Perspektiven zu dokumentieren und publizistisch zu begleiten. 17 | |
Journalist:innen sind bereit, bei dem Projekt mitzumachen. Sie | |
schreiben aus der Ukraine, Russland, Belarus, Moldau, aber auch aus den | |
baltischen Staaten Estland und Lettland, den beiden Südkaukasusrepubliken | |
Armenien und Georgien sowie aus Kirgistan in Zentralasien. Die | |
Kolleg:innen sehen sich plötzlich ganz neuen Herausforderungen | |
gegenüber, denn dieser Krieg hat unmittelbare Auswirkungen auf alle Staaten | |
des postsowjetischen Raums. | |
Um mit dem Schriftsteller Wolfgang Borchert zu sprechen: Unsere | |
Autor:innen stehen „draußen vor der Tür“: [3][Eine unserer | |
Mitstreiter:innen verlässt bereits 2014 die Krim], nachdem Russland die | |
ukrainische Halbinsel annektiert hat. Ein anderer Kollege entzieht sich | |
Verfolgung und wachsendem Druck in der Ostukraine, er geht in den Westen | |
seines Landes. Zwei unserer russischen Teilnehmer:innen suchen Zuflucht | |
in Estland und Lettland. Ihre Gründe dafür sind nicht nur der Krieg gegen | |
die Ukraine, sondern auch wachsende Repressionen gegen Andersdenkende. | |
Derzeit scheint es, dass ihnen, zumindest so lange Wladimir Putin und seine | |
Entourage an der Macht sind, die Tür nach Russland verschlossen bleiben | |
wird. | |
[4][Eine belarussische Kollegin lebt ebenfalls im Exil – in Georgien]. 2020 | |
ist sie eine von Hunderttausenden, die nach der gefälschten Präsidentenwahl | |
am 9. August vor allem in der Hauptstadt Minsk wochenlang gegen das Regime | |
von Alexander Lukaschenko auf die Straße gehen. | |
Heute, zwei Jahre später, sind die Proteste verstummt, doch das Regime geht | |
mit beispiellosem Terror gegen die Bevölkerung vor. Mehr als 1.000 Menschen | |
sitzen als politische Gefangene in Haft, darunter auch zahlreiche | |
unabhängige Journalist:innen. Doch für sie, und das nicht nur in | |
Belarus, ist Aufgeben keine Option, auch wenn die Tür geschlossen ist. | |
Die Tür öffnen, und sei es nur einen Spalt breit – dazu möchte auch die taz | |
Panter Stiftung ihren Beitrag leisten. Will heißen: kritischen | |
Autor:innen eine Plattform geben, damit ihre Stimmen gehört werden – | |
auch hier. | |
In der ersten Novemberwoche öffnet die taz Panter Stiftung in Berlin die | |
Türen für ihre Autor:innen aus Osteuropa. Die persönliche Begegnung soll | |
die Chance bieten, allen Widrigkeiten zum Trotz Kommunikationskanäle über | |
Ländergrenzen hinweg offen zu halten. | |
14 Journalist:innen folgen dieser Einladung. Und sie nutzen diese | |
Chance: Es wird diskutiert, gestritten, um Worte gerungen, und manchmal | |
knistert auch die Luft. Doch am Ende steht die Erkenntnis: Wir können und | |
wollen miteinander reden. Themen gibt es genug. Wie blicken wir auf den | |
Krieg? Wie können wir als Journalist:innen arbeiten angesichts einer | |
Situation, die es kaum zuzulassen scheint, unparteiisch zu bleiben. Vor | |
allem dann nicht, wenn die Auswirkungen dieses Kriegs tagtäglich hautnah am | |
eigenen Leib spürbar sind. | |
Die Texte aus diesem Workshop sind als achtseitige Sonderbeilage am 12. | |
November in der taz erschienen und jetzt hier nachzulesen. Das alles ist | |
keine Selbstverständlichkeit in Zeiten des Kriegs, wo Zwietracht und Hass | |
immer mehr die Oberhand gewinnen und ein Austausch kaum noch möglich | |
erscheint. Dennoch kann er gelingen. | |
Genau deshalb gilt es weiterzumachen. Dieser Workshop, den das Auswärtige | |
Amt gefördert hat, ist nur der Anfang. Weitere müssen folgen. Denn selbst | |
wenn die Waffen schweigen, wird dieser Krieg noch lange nicht zu Ende sein. | |
Wir sind aufgefordert, immer wieder an die Tür zu klopfen, mal leise, mal | |
laut, aber immer hörbar. Irgendwann werden wir sie öffnen. Oder vielleicht | |
ganz aus den Angeln heben … | |
Tigran Petrosyan ist Leiter der Osteuropa-Projekte der [5][taz Panter | |
Stiftung] | |
14 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /!p4258/ | |
[2] /Kolumne-Krieg-und-Frieden/!t5839531 | |
[3] /Ein-halbes-Jahr-Krieg-in-der-Ukraine/!5873518 | |
[4] /Flucht-aus-Belarus/!5776111 | |
[5] /Journalismus-in-Osteuropa/!vn5881840 | |
## AUTOREN | |
Tigran Petrosyan | |
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