# taz.de -- Projekte der taz Panter Stiftung: Ein „Nugget“ Glück im ganzen… | |
> Die taz Panter Stiftung hat als Reaktion auf den russischen | |
> Angriffskrieg osteuropäische Journalist:innen in einem Projekt | |
> zusammengebracht. | |
Bild: Solidarität mit der Ukraine nach dem Einmarsch der russischen Armee am 1… | |
Ein Jahr Krieg. Ein Jahr Krieg, das heißt für die Opfer all das, was wir | |
uns nicht vorstellen und was sie nur selbst erzählen können. Es heißt für | |
uns, für die auf der anderen Seite: Nachdenken und Mitgefühl, in vielen | |
Fällen auch Hilfe und Engagement. Wie sehr beschäftigt mich die Ukraine, | |
was tue ich für die Leute dort und die Geflüchtete hier, und nehme ich sie | |
zum Beispiel in die Wohnung auf, oder überlasse ich die Hilfe anderen | |
Leuten? Gebe ich Geld, gebe ich Zeit, gebe ich ein Zeichen? | |
Das können wir selbst entscheiden, und das ist der wahre Luxus in der | |
politischen Nachbarschaft im Frieden nach einem Jahr Krieg. | |
Hier und jetzt, zu diesem Tag, machen wir dreierlei: Wir geben Betroffenen | |
das Wort. Wir geben Nino Haratischwili das Wort. Und wir erzählen, was | |
diese Stiftung macht. Mit einer schönen Pointe am Schluss. | |
## Schutzwesten und Förderung kritischer Medien | |
Die taz Panter Stiftung hat auf den Krieg schnell reagiert, ihrem Auftrag | |
gemäß, indem sie schaute: Wer braucht jetzt Hilfe, um zu schreiben, zu | |
reisen, zu berichten? Wer braucht Schutz, wer braucht Geld, wer sucht | |
eventuell nach einer Erweiterung des Netzwerks? | |
Die erste Aktion war die dringlichste: Schutzwesten liefern. Einen Beitrag | |
zu leisten zum physischen Überleben von Menschen, die sich in Gefahr | |
begeben, um ihre Arbeit zu tun. In den ukrainischen Städten unter | |
Bombardierung, in den Zonen der Besatzung im Osten des Landes und, diese | |
Formulierung lässt sich nicht vermeiden, auch an der Front. | |
Dann ging es um Unterstützung, wie man sie Freunden gewährt: Man fragt, was | |
sie brauchen, und lässt sie tun, was sie für richtig halten. Nach dieser | |
Devise hat die taz Panter Stiftung kritische Medien in Russland, in Belarus | |
und in der Ukraine gefördert. Genauer: SIE haben das getan; alle Spender, | |
alle Unterstützer. Mit Ihrem Geld, mit Ihrem Wohlwollen – denn wer kein | |
Geld, aber Wohlwollen hatte, der beteiligte sich an der Wortspenden-Aktion. | |
200.000 Euro, tausend gute Worte in drei Sprachen, das war eine Bilanz des | |
vergangenen Jahres, ab dem 24. Februar. | |
## Tagebuch „Krieg und Frieden“ | |
Und schließlich die dritte Aktion: [1][das kollektive Tagebuch „Krieg und | |
Frieden“]. Stimmen aus dem postsowjetischen Raum, aus unmittelbaren | |
Kriegsgebieten; aus einer Region, kurz gesagt, in der Menschen zum Teil | |
anders auf die Welt blicken als wir. In denen anders gelebt, gedacht und | |
erinnert wird. Aber in diesen Ländern wird dasselbe gewünscht, nämlich das | |
humane Minimum: Frieden. Und ein politisch selbstbestimmtes Leben. Auch | |
wenn eben das erkämpft werden muss. | |
Das ging allerdings gar nicht so, wie wir uns das im diskursfrohen Berlin | |
naiverweise dachten: -Dass die Tagebuchschreiber:innen spontan ins | |
Gespräch kommen würden. Dass sie sich ergänzen, befragen, ins Wort fallen. | |
Nicht nur, weil die Autor:innen mit Eigenem beschäftigt sind – mit eher | |
abstrakten oder konkreten Befürchtungen, mit Sorge für den Körper, den | |
Geist und die Moral –, sondern es fehlte am Ausgangsstoff jeden Gesprächs: | |
Es brauchte eben ein Grundvertrauen. Vertrauen in dieses Experiment. | |
Da ist jemand in Sankt Petersburg, in Odessa, in Minsk, in Tbilissi, in | |
Wladikawkas, mit dem ich frei sprechen kann. Ich habe den Kopf im Krieg, | |
die andere Person aber hat ihren Körper dort. Oder: Ich habe den Krieg im | |
Kopf, er aber hat neue Gedanken. Da ist jemand – in Jerewan, in Riga, in | |
Lwiw – der anderes weiß als ich, anderes erlebt und anderes fürchtet, aber | |
von der ich gewiss sein darf: Wir können einander vertrauen. | |
## Ein Workshop in Berlin | |
Der vierte Schritt der Stiftung war, diese Journalist:innen nach Berlin | |
zu einem Workshop einzuladen und einen geschützten Raum anzubieten. Uns war | |
besonders wichtig, dass Vertrauen entstehen kann. Fünf Tage lang wurde | |
diskutiert, ausgetauscht, gefeiert und geschrieben. Und damit ging es zur | |
Pointe, zu einem „Nugget“ Glück im ganzen Elend. [2][„Die Türen offen | |
halten“, so hieß die taz-Beilage, die aus diesem Treffen im November | |
entstand.] | |
Wie misst man aber da einen „Erfolg“, woran merkt man, dass Vertrauen | |
entstand? Es gibt ein untrügliches Zeichen: Wenn man gemeinsam lachen, wenn | |
man einen Witz machen kann, der niemanden kränkt und alle erlöst – dann ist | |
Vertrauen da. Denn Humor kann man nicht dirigieren, auch nicht beschwören; | |
er ist der vielleicht schönste, sicher aber leichteste Überschuss | |
wirklicher Verständigung. Ein kleines Vertrauenswunder, erst recht unter | |
diesen Umständen. | |
Und so ist es gewesen: Bei der Abschlussrunde, wo jede/r noch einmal sagte, | |
wie ihm zumute ist und wie es womöglich weitergeht: Da war, nach Alphabet | |
sortiert, eine Journalistin aus Russland als Erste dran. Sie fragte, mit | |
skrupulöser Höflichkeit, ob es denn allen recht sei, wenn ausgerechnet sie | |
aus dem Angreiferland, aus der Kriegsnation hier buchstäblich den Ton | |
angebe? | |
Und da sagte einer aus der Tiefe des Raums: Ihr habt den Krieg angefangen, | |
dann kannst du auch mit der Feedbackrunde anfangen. Und es wurde gelacht. | |
Neue Beiträge aus dieser Tagebuchgruppe gibt es hier. Und wenn beim Lesen | |
jählings der Wunsch aufkommt, eine Stiftung zu unterstützen, die solche | |
Projekte macht: Bitte nicht zögern. Wir danken, und wir machen mit allem | |
weiter. | |
Elke Schmitter ist Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung | |
Dieser Text ist Teil der [3][taz Panter Beilage] zur taz-Sonderausgabe „Ein | |
Jahr Krieg in der Ukraine“ | |
24 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Elke Schmitter | |
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