| # taz.de -- Ukraine-Kriege und Alltag: Zwischen Fronten und Flucht | |
| > Frühere Teilnehmer*innen von Osteuropa-Workshops der taz Panter | |
| > Stiftung berichten von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf ihren | |
| > Alltag. | |
| Bild: Bucha, am 4.4.: Ira Gavriluk steht vor den Trümmern ihres Hauses, in dem… | |
| Als der Krieg in der Ukraine begann, saß ich mit meiner Kollegin und guten | |
| Freundin [1][Anastasia Magasowa] in einer Bar in Berlin-Kreuzberg. Sie | |
| sagte mir, sie werde in die Ukraine fahren. Nicht nur, weil ihre Heimat | |
| nach ihr ruft, sondern auch weil sie Journalistin aus Leidenschaft ist. Sie | |
| kann nicht schweigen, wenn unschuldige Menschen in der Ukraine durch | |
| russische Kriegsverbrecher sterben. | |
| Schon bald kam aus Kiew ihr erster Tagebucheintrag: „Erst kürzlich war ich | |
| an so einem Ort, an dem eine Rakete herunterkam. Sie fiel in den Hof einer | |
| Wohnsiedlung. Mit einem Schlag waren sechs Häuser zerstört: vier | |
| fünfstöckige Wohnhäuser, eine Schule und ein Kindergarten. Innerhalb einer | |
| Sekunde war damit das alte Leben von Hunderten Menschen einfach weg.“ | |
| Seit dem 24. Februar 2022 führt Russlands Präsident Wladimir Putin gegen | |
| die Ukraine einen erbarmungslosen Krieg. Doch der tobt auch an der | |
| Heimatfront in Russland: Mutige Stimmen, die gegen das Regime aufbegehren, | |
| werden gewaltsam zum Schweigen gebracht – mehr als über 15.000 Menschen, | |
| die gegen den Krieg demonstriert haben, sind bereits festgenommen worden. | |
| Der Kreml hat die freie Meinungsäußerung unabhängiger Medien unterdrückt, | |
| zahlreiche Journalist:innen haben das Land bereits verlassen oder | |
| wurden als „ausländische Agenten“ gesperrt. | |
| ## Einblicke aus erster Hand | |
| So beschreibt die Journalistin Olga Lizunkova in ihrem Tagebuch [2][die | |
| Situation in ihrem Land]: „Wenn du die Macht unterstützt, bist du ein | |
| Watnik (ein Schimpfwort für Russen, die an die Propaganda ihrer Regierung | |
| glauben; d. Red.). Wenn du die Staatsmacht nicht unterstützt, bist du ein | |
| Verräter. Wenn du nicht protestierst, bist du ein Feigling. Und wenn du auf | |
| die Straße gehst, dann bist du ein Verbrecher.“ | |
| Auch in vielen Staaten der früheren Sowjetunion wie Belarus, Armenien und | |
| Georgien verfolgen Journalist:innen die jüngsten Entwicklungen mit | |
| wachsender Unruhe. Was kommt noch auf uns zu? Sie berichten mehrmals | |
| wöchentlich in der taz-Kolumne „Krieg und Frieden“ und liefern mit ihren | |
| Tagebuchberichten Einblicke aus erster Hand. | |
| Sie schreiben von der Front, von ihrem Fluchtweg, zwischen Bomben und | |
| Leichen, aus dem Keller und dem Bunker und aus ihren Wohnungen in Moskau | |
| und Minsk. Und sie warten jeden Tag darauf, dass „es eine Hausdurchsuchung | |
| gibt und sie vor Gericht kommen“. | |
| ## Sie wissen, dass ihre Stimmen gehört werden | |
| Doch sie können nicht anders und kennen es auch nicht anders. Sie wollen | |
| schreiben. Für sie ist es eine Art Therapie zu wissen, dass ihre Stimmen | |
| gehört und gelesen werden. | |
| Finanziert wird das Projekt durch die taz Panter Stiftung. Seit 2011 führt | |
| sie Workshops zur Stärkung der Pressefreiheit und Zivilgesellschaft mit | |
| Journalist:innen aus Osteuropa durch. Einige von ihnen publizieren | |
| regelmäßig in der taz und melden sich auch jetzt wieder zu Wort. Aber nicht | |
| nur sie. | |
| Das osteuropäische Netzwerk hat sich gerade stark erweitert – für den | |
| Frieden und gegen den Krieg. Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt | |
| der Verlag edition.fotoTAPETA im September als Dokumentation heraus. | |
| Der Autor leitet das Projekt der taz Panter Stiftung „Tagebuch zum Krieg | |
| und Frieden“. Online auf Russisch und Deutsch: | |
| [3][taz.de/KriegFrieden]. | |
| 3 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Anastasia-Magasowa/!a37213/ | |
| [2] /Schuldgefuehle-im-Krieg/!5840834 | |
| [3] /KriegFrieden | |
| ## AUTOREN | |
| Tigran Petrosyan | |
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