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# taz.de -- Theater-Chef über die Zeit nach Corona: „Kommt, das macht Spaß�…
> Mit Open Air die Stadtgesellschaft einladen: Bremens Theater-Intendant
> Michael Börgerding über das Bühnenleben nach der Pandemie.
Bild: Herzerwärmend auch bei Nachtfrost: Der Liederabend Istanbul im Theaterga…
taz: Herr Börgerding, mögen Sie Freilichttheater?
Michael Börgerding: Persönlich? Ich bin ja mit einer Freilichtbühne groß
geworden, als Kind, in Lohne. Die [1][Freilichtbühne Lohne] ist ein tolles
Amateurtheater. Das war etwa einen halben Kilometer von meinem Elternhaus
entfernt. Ich kenne auch viele, die da gespielt haben. Aber das ist jetzt …
…fürs Theater Bremen keine dauerhafte Option?
Ich weiß schon, was man in einem Freilufttheater machen kann – und auch,
was nicht.
Dann sind die Open-Air-Aufführungen momentan eine Art Überlebensstrategie?
Ja, natürlich. Es war ja irgendwann klar im Laufe dieser Saison, dass wir
zu einem Punkt kommen: Draußen geht vor drinnen. Und selbstverständlich
haben wir uns dann gefragt, was können wir da machen. Im vergangenen Jahr
hatten wir im Hof gespielt, da hatten wir weniger Plätze und irgendwann gab
es [2][Ärger mit den Nachbarn]. Und den Theatergarten gibt es zwar schon
ewig in den Wallanlagen. Aber den kennt man nicht so richtig. Irgendwann
bin ich da mit dem Fahrrad hingefahren und dachte: Mensch, da machen wir
was.
Das klappt?
Es ist eine sehr schöne Location, die Leute mögen es sehr. Wir haben
bislang drei Vorstellungen dort gehabt, die waren toll. Es war kalt,
vielleicht ist Mai zu früh, um in der norddeutschen Tiefebene draußen etwas
zu machen, und das Publikum war komplett durchgefroren. Aber es war
trotzdem sehr begeistert.
Also wird das Theater am Ende Corona überlebt haben?
Da bin ich sehr zuversichtlich. Es wird weiterhin ein großes Bedürfnis
geben nach Theater. Wir machen ja im Grunde draußen zweierlei: Der
Theatergarten ist wirklich so ein Zeichen, kommt, das macht Spaß, eine Art
Willkommensgruß. Da spielen wir die komische Oper [3][L'Italiana in Algeri]
und den Liederabend Istanbul: Das ist wirklich Theater für jeden,
niedrigschwellig, eine Öffnung zur Stadtgesellschaft. Und auf dem
Goetheplatz machen wir auch noch eine ganze Reihe von Aktionen. Jetzt kommt
Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen mit „King Arthur“, das ist eher
ein Spektakel als eine Opernaufführung. Und dann gibt es über fast sechs
Wochen ein Programm umsonst und draußen als eine Einladung, diesen Platz
wieder zu erobern.
Nur den Platz?
Wir fangen auch wieder an, drinnen zu spielen. Am 17. Juni haben wir eine
Uraufführung …
… die heißersehnte Premiere von [4][Akın Şipals] „Mutter Vater Land“!
Die war für November geplant und da auch schon verschoben, das stimmt. Wir
hoffen, dass wir in der allerletzten Woche dann auch noch „Wüst“ von der
Enis Maci unterkriegen.
An anderen Häusern wurden fertige Produktionen dann gestreamt. Aber Bremen
hat sich online sehr zurückgehalten: Ist digital nicht so Ihrs?
Das ist nicht nur eine Leitungsfrage, das zieht sich, glaube ich, durchs
ganze Haus: Wir haben diesen Beruf nicht gewählt, um irgendwelche
Filmaufnahmen zu machen. Dafür geht keiner ans Theater.
Das heißt nicht, dass man es gar nicht machen darf.
Nein. Wir können das. Und dort, wo es funktioniert, haben wir es aber
gemacht – im Kinder- und Jugendtheater gab es spezielle Projekte, die on
demand für Schulen abrufbar sind, bei „Drei Tage Tanz“ hatten wir ein, wie
ich finde, sehr gutes Streaming. Und Erfahrungen haben wir auch bei dem
Festival Out Now gemacht. Wenn man dann sieht, wie wenige Leute dabei
zuschauen, dann ist das wirklich niederschmetternd. Die Menschen haben
keine Lust, Theater am Bildschirm zu sehen. Ich selbst muss mich auch
zwingen, Streaming-Aufführungen zu schauen. Es macht keinen Spaß. Ich merke
höchstens, dass es mir im Saal großen Spaß gemacht hätte.
Die endlich wieder geöffnet werden müssen?
Manche meiner Intendant*innen-Kolleg*innen hatten sich da ja anfangs
ziemlich aus dem Fenster gehängt mit ihren Forderungen. Aber die Position,
wir müssen spielen, egal, was da ist an Pandemie, war überhaupt nicht
meine. Jetzt kommen wir aber an einen Punkt, wo sich die Dinge ändern.
Was ist denn neu?
Nach dem Sommer wird das gesamte Ensemble durchgeimpft sein, auch alle
Kolleginnen und Kollegen im Haus. Dann gibt es aus meiner Sicht endgültig
keinen Grund mehr, die Abstandsregeln auf der Bühne einzuhalten. Da ändert
sich auch bei mir die Position. Die Berufsgenossenschaft behauptet, dass
vollständig geimpfte Menschen nicht 100-prozentig steril immun sind. Wenn
das zur Voraussetzung gemacht wird, kann man nur ganz aufhören, Theater zu
spielen. Das muss im Herbst, wenn es wieder losgeht, geklärt sein.
Ist es nicht?
Nein. Wie viele Menschen dürfen wir reinlassen, wie müssen wir uns auf den
Bühnen verhalten – das sind die offenen Fragen, in ganz Deutschland.
Und dann müssen Theaterbesucher*innen Impf- oder Testnachweise
vorlegen?
Als wir geschrieben hatten, nur geimpfte, getestete und genesene Menschen
würden zu den Vorstellungen zugelassen, haben wir wirklich massiv böse
Briefe bekommen – von Impfgegner:innen! Momentan erlaubt uns der
Inzidenzwert, darauf zu verzichten. Im Herbst, wenn wirklich alle, die sich
impfen lassen wollen, geimpft sind, spricht aus meiner Sicht nichts mehr
dagegen, auch Ungeimpfte zuzulassen. Das ist dann wirklich deren Risiko.
Kommt denn das Publikum zurück?
Ich glaube schon. Wenn wir auf die Vorverkaufszahlen für draußen schauen,
da sind jetzt fast alle Vorstellungen schon ausverkauft. Jetzt dürfen wir
ja 60 Plätze mehr vergeben, und die zusätzlichen Karten sind gerade auf den
Markt gekommen, mal sehen, wie die weggehen. Ich glaube, auch drinnen
werden die Menschen wieder kommen. Man merkt ja, wie sie sich freuen.
4 Jun 2021
## LINKS
[1] https://fblohne.de/
[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/nachbarschaftslaerm-lae…
[3] https://www.theaterbremen.de/de_DE/kalender/die-italienerin-in-algier-l-ita…
[4] /Autor-ueber-tuerkisch-deutsche-Beziehung/!5727960
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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