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# taz.de -- Neue Serie „La Jauría“ bei Arte: Incel-Meute auf der Jagd
> Die chilenische Serie „La Jauría“ besticht mit ruhigen Bildern und
> Aktualität: Hass im Netz, Gewalt gegen Frauen und Machtmissbrauch an
> Schulen.
Bild: Sie schreien, aber werden sie auch gehört? Schüler*innen in der Serie �…
„Die männliche Natur ist gewalttätig, territorial und dominant“, erscheint
in grünen Buchstaben auf einem Computerbildschirm. So beginnt das „Spiel
des Wolfes“, das den Verlauf der chilenischen Produktion „La Jauría“ (auf
deutsch: „Die Meute“) bestimmt. In acht Folgen arbeitet sich die Serie der
Produzentenbrüder Juan de Dios und Pablo Larraín und der Regisseurin Lucía
Puenzo an den Themen Machtmissbrauch, [1][Gewalt gegen Frauen] und Hass im
Netz ab.
An einer katholischen Privatschule in Santiago de Chile werden
Missbrauchsvorwürfe gegenüber dem Schauspielerlehrer Ossandón (Marcelo
Alonso) laut. Einzeln filmt er Schülerinnen, erteilt den Mädchen
Anweisungen, gibt ihnen Posen vor und animiert sie, lustvolles Stöhnen zu
imitieren. Das Unwohlsein ist den Jugendlichen anzusehen, doch keine von
ihnen traut sich den Instruktionen des Lehrers zu widersprechen. Als Blanca
Ibarra (Antonia Giesen) doch den Mut findet und die Vorfälle bei der
Schulleitung meldet, wird ihre Beschwerde abgeschmettert.
Die Proteste, die daraufhin von den Schülerinnen inszeniert werden und den
Unterricht lahmlegen, erinnern an die durch eine Performance des
feministischen Kollektivs „Lastesis“ entbrannten Demonstrationen in Chiles
Hauptstadt: Tausende skandierten im Oktober 2019 [2][„El violador eres tu!“
(Der Vergewaltiger bist du!)], demonstrierten gegen repressive Maßnahmen
der chilenischen Regierung sowie die andauernde Gewalt gegen Frauen.
Signifikant für die Proteste waren rote und pinke Sturmhauben, die auch bei
den Schülerinnen in „La Jauría“ Gebrauch finden.
Eine weitere Inspiration dürfte den Drehbuchautor*innen ein Fall aus
dem Jahr 2016 gewesen sein, bei dem eine 18-Jährige im spanischen Pamplona
von einer Gruppe Männer vergewaltigt wurde. Die Männer filmten die Tat und
teilten das Video später in einer Whatsapp-Gruppe mit dem Namen „La Manada“
(dt.: Das Wolfsrudel). In „La Jauría“ nennt sich die Gruppe, die Blanca
vergewaltigt, „Meute“.
Sie folgt dabei den Anweisungen eines Onlinespiels, dessen Anführer sich
„der Wolf“ nennt. Er führt die Spieler per Zufallsprinzip zusammen. Mit
wenig subtilen Botschaften über die Gefahren, die vom weiblichen Geschlecht
ausgehen würden, und eine vermeintlich natürliche patriarchale Weltordnung,
die es wiederherzustellen gelte, stachelt der Wolf seine Jünger an, Frauen
psychisch wie physisch zu missbrauchen.
Die Macher*innen der Serie ziehen damit eine Linie zur
[3][Incel-Culture], deren Anhänger – unfreiwillig zölibatär lebende Männer
– sich im Netz zusammenfinden, um Misogynie und Hetze zu verbreiten. Wie
real dieses Problem auch in Deutschland ist, zeigt unter anderem das
Tatvideo des [4][Halle-Attentäters Stephan B]., in dem er dem Feminismus
eine Mitschuld am vermeintlichen Niedergang der Gesellschaft gibt.
„La Jauría“ verknüpft das Incel-Phänomen mit einem weiteren Kriminalfall:
Nach der Vergewaltigung verschwindet Blanca spurlos. Die Kommissarinnen
Olivia Fernández, Carla Farías und Elisa Murillo, – sehr stark gespielt von
Antonia Zegers, María Gracia Omegna und Daniela Vega – setzen alles daran,
das Mädchen zu finden, und geraten dabei selbst ins Visier der
Frauenhasser.
In wunderbar ruhigen Bildern und blassen Farben, wie man sie schon von den
Brüdern Larraín aus „El Club“ kennt, sorgt die Serie für Spannung bis zur
letzten Minute. Dank vielschichtiger Frauenfiguren und des aktuellen
Themenbezugs verwundert es nicht, dass „La Jauría“ vom Unterhaltungsmagazin
Variety zu einer der besten Serien 2020 gekürt wurde.
24 Jun 2021
## LINKS
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[3] /Anklage-gegen-Frauenmoerder-in-Kanada/!5687349
[4] /Attentaeter-von-Halle/!5629072
## AUTOREN
Sophia Zessnik
## TAGS
Incels
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Chile
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