Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anschläge von „Incels“: Terroristen oder Würstchen?
> Sollte man Anschläge von „Incels“ als „Terror“ bezeichnen? Eine
> Gratwanderung. Denn die Bedrohung muss man ernst nehmen – ohne die Täter
> zu überhöhen.
Bild: Trauerbekundung vor dem Lidl-Supermarkt in der Wolesley Road nahe des Bid…
Es gehört auch zu unseren fortschrittlichen Zeiten dazu, dass man sich
eigentlich immer und überall vor Männern fürchten muss, die plötzlich
morden. Weil sie wütend sind. Und weil andere Männer sie im Netz darin
bestätigt haben, dass da irgendjemand anderes schuld ist. Meist Frauen.
Aber auch PoC, Juden, LGBT. Ist das schon Terror? Fühlt sich jedenfalls so
an. Aber nicht jedes Gefühl ist auch ein guter Begriff.
Ein 22-Jähriger hat vergangene Woche im südenglischen Plymouth in einem
Wohnviertel um sich geschossen und fünf Menschen getötet, darunter seine
Mutter und eine Dreijährige. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt.
Dass der Täter trotz psychischer Probleme mit Gewaltneigung einen
Waffenschein hatte, fällt wohl unter Behördenversagen.
Der Täter hatte frauenfeindliche Seiten im Netz besucht und ist den
„Incels“ zuzuordnen. Ein Verschwörungskult gegen alles, was nicht ein
hetero Mann mit breitem Unterkiefer ist. Inceltum hat schon häufiger zu
tödlichen Gewalttaten geführt und wird deswegen [1][in Kanada inzwischen
als „Terror“] verfolgt.
In Plymouth schloss die Polizei ein „terroristisches Motiv“ zunächst aus,
nun aber wird im Königreich durchaus diskutiert, ob man dem kanadischen
Beispiel folgen sollte. Kriminolog*innen hoffen, dass dann mehr in den
Netzwerken des jeweiligen Täters ermittelt würde, warnen aber auch davor,
alle erbärmlichen Würste im Netz zur Gefahr für die öffentliche Sicherheit
zu erklären.
## Analytischer Begriff und Hülse zugleich
Gleichzeitig mag das Ringen um Begrifflichkeiten nach einer solchen Tat
kleinlich wirken. Journalist*innen müssen aufgeladene Wörter wie
[2][„Amok, Anschlag, Terror“] sehr präzise abwägen. Für die Betroffenen …
die schockierte Bevölkerung sind sie nach einem solchen Ereignis nicht das
Wichtigste. Letztlich muss über die Definition aber gesprochen werden. Mit
etwas Abstand zum Ereignis sei es gestattet. Was ist Terror?
In unserer Epoche post 9/11 ist „Terror“ zweierlei: erstens der Versuch
einer analytischen Definition vom gewaltsamem Handeln. Von einem, das auf
Angst in großen Teilen der Bevölkerung ausgerichtet und ideologisch
motiviert ist. Und zweitens ist „Terror“ eine politische Worthülse, die von
allen ständig verwendet wird. Von autoritären Regimen, die damit Zensur und
Repression begründen, über demokratische Regierungen, die so Überwachung
legitimieren, bis hin zu Kretschmännern, die vom „Tugendterror“ faseln.
Was hat man also davon, Incels „Terroristen“ zu nennen? Vor allem vor dem
Hintergrund, dass Taten wie die in Plymouth auch immer ein Schrei nach
Bedeutsamkeit sind. Macht mich ruhig zum Monster, Hauptsache, ihr macht
mich größer, als ich bin.
Beim Begriff „Terror“ scheint es bloß darum zu gehen, dass alle, Behörden,
Medien, Politik, anfangen, etwas endlich ernst zu nehmen, was bis vor
Kurzem noch als ganz normal galt: dass Männer zu Gewalt neigen.
20 Aug 2021
## LINKS
[1] /Amoklauf-im-englischen-Plymouth/!5793714
[2] /Anschlag-in-Berlin/!5702995
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Kolumne Unisex
Incels
Terror
Maskulinisten
Attentat von Orlando
Kolumne Unisex
Amoklauf
Incels
Terror
## ARTIKEL ZUM THEMA
Queerfeindlicher Terror in Bratislava: Wenn man weiterfeiern muss
Nach dem LGBT-feindlichen Attentat in Bratislava ist in der Community die
Verunsicherung groß. Das Problem ist: Trotzdem muss man weiterfeiern.
ZDF-Sitcom „The Drag and Us“: Lasst bei queerem TV die Profis ran
Die neue queere Sitcom vom ZDF ist sehr schlecht. Keine Pointe ist lustig,
das Tempo stockt. Hier ein paar Ideen, wie es besser laufen könnte.
Amoklauf im englischen Plymouth: Polizei schließt Terror aus
Ein 22-Jähriger erschießt fünf Menschen, bevor er sich selbst tötet. Er
bewegte sich offenbar in der Incel-Szene.
Neue Serie „La Jauría“ bei Arte: Incel-Meute auf der Jagd
Die chilenische Serie „La Jauría“ besticht mit ruhigen Bildern und
Aktualität: Hass im Netz, Gewalt gegen Frauen und Machtmissbrauch an
Schulen.
Anklage gegen Frauenmörder in Kanada: „Incel“-Mord gilt als Terrorismus
Ein Jugendlicher hatte eine 24-Jährige aus Frauenhass erstochen. Dabei soll
er von der so genannten „Incel“-Bewegung inspiriert gewesen sein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.