| # taz.de -- Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan: Die Taliban übernehmen die … | |
| > Die USA wollen bald all ihre Truppen aus Afghanistan abziehen. Und die | |
| > Taliban sagen für eine geplante Friedenskonferenz ab. Was heißt das für | |
| > die Zukunft des Landes? | |
| Bild: Seit 2001 am Hindukusch: US-Hubschrauber auf Kontrollflug 90 Kilometer … | |
| Berlin taz | Eigentlich sollten sich in neun Tagen in Istanbul hochrangige | |
| Vertreter der afghanischen Regierung, der Taliban und weiterer afghanischer | |
| Fraktionen zu einer internationalen Friedenskonferenz, auf zehn Tage Dauer | |
| veranschlagt, treffen. Sie sollten dort ein Rahmenabkommen schließen, das | |
| den Kurs zu einer neuen Regierung und damit dem Ende des seit 40 Jahren | |
| andauernden Krieges in dem zentralasiatischen Land absteckt. Die Idee dazu | |
| [1][kam von der Biden-Administration], die die Beendigung des militärischen | |
| US-Engagements in Afghanistan beschleunigen wollte, aber nicht völlig ohne | |
| Aussicht auf einen innerafghanischen Friedensschluss. | |
| Auch der Entwurf des Abkommens stammte aus Washington. Es sollte den schon | |
| im September 2020 begonnenen, aber kaum vorangekommenen innerafghanischen | |
| Gesprächen in Katars Hauptstadt Doha neue Impulse verleihen. Am Dienstag | |
| schließlich luden die Vereinten Nationen gemeinsam mit Gastgeber Türkei und | |
| Katar offiziell dazu ein. | |
| Die Beteiligten machten die [2][Rechnung ohne die Taliban]. Als am selben | |
| Tag die US-Regierung an die Washington Post durchsickern ließ, Präsident | |
| Joe Biden würde einen bedingungslosen Truppenabzug bis zum 11. September | |
| anordnen, nicht zum bisher mit den Taliban vereinbarten Termin 1. Mai, | |
| sagten sie ihre Teilnahme ab. Per Tweet erklärte ihr Sprecher Muhammad Naim | |
| lakonisch: „Solange nicht alle ausländischen Streitkräfte völlig aus | |
| unserem Heimatland abgezogen sind, wird das Islamische Emirat“ – so die | |
| Selbstbezeichnung der Taliban – „an keiner Konferenz teilnehmen, die | |
| Beschlüsse über Afghanistan trifft.“ | |
| Zuletzt hatten die USA nach eigenen Angaben noch 2.500 Soldaten in | |
| Afghanistan. Dazu kommen, wie Mitte März die New York Times enthüllte, | |
| weiter 1.000 geheime Kämpfer, die zum Teil der CIA unterstellt seien, sowie | |
| etwa 7.500 Nato- und andere Verbündete, darunter 1.300 Bundeswehrsoldaten. | |
| Ihr Abzug sowie der der 13.500 ausländischen privaten | |
| Sicherheitsdienstleister wurden ebenfalls [3][im US-Taliban-Abkommen vom | |
| Februar 2020] festgeschrieben. Für Deutschland erklärte am Mittwoch | |
| Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, sie gehe davon aus, | |
| dass die Nato den gemeinsamen Abzug noch am selben Tag beschließen werde. | |
| Die Republikanerin Elissa Slotkin, laut Washington Post eine der wenigen | |
| Abgeordneten, die vorab in den Biden-Beschluss eingeweiht wurden, sagte, es | |
| müsse zuerst Garantien geben, dass die Taliban „globale Standards“ | |
| einhalten, bevor die USA eine neue afghanische Regierung anerkennen und | |
| Sanktionen gegen die Taliban aufheben würden. Dies wäre Voraussetzung für | |
| weitere Entwicklungszusammenarbeit, auf die Afghanistan angewiesen sein | |
| wird. | |
| ## Afghanistan bleibt auf Hilfe angewiesen | |
| Laut UNO leben fast 90 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Dies | |
| ist auch den Taliban klar, die sich in ihrem Abkommen mit den USA zusichern | |
| ließen, Washington werde sich nach einem Friedensschluss um weitere | |
| Unterstützung für das Land bemühen. Der EU-Sondergesandte in Kabul, der | |
| Deutsche Andreas von Brandt, tweetete am Dienstag, auch weitere EU-Hilfe | |
| werde „an Bedingungen geknüpft“ sein. Solche Garantien könnten in | |
| bilateralen Verhandlungen erlangt werden. | |
| Die Taliban-Absage für Istanbul bedeutet keine generelle Absage von | |
| Verhandlungen. Aber ein Friedensschluss und eine Machtteilung werden nur | |
| noch zu ihren Bedingungen möglich. Die Frage ist nun, ob sie die | |
| Doha-Gespräche fortsetzen oder einen neuen Verhandlungsrahmen suchen | |
| werden. | |
| Die Ankündigung des US-Rückzugs schwächt aber gleichzeitig Afghanistans | |
| Präsidenten Mohammad Aschraf Ghani weiter, dessen Regierung damit ihres | |
| wichtigsten Schutzes beraubt wird. Ghani steht auch innenpolitisch unter | |
| starkem Druck. Eine breites Spektrum, von dem weiter politisch | |
| ambitionierten Ex-Präsidenten Hamed Karsai bis zu den Warlords an der | |
| Spitze der Mudschaheddin-Fraktionen, will ihn stürzen und hat deshalb dem | |
| US-Vorhaben einer Interimsregierung zugestimmt, die Teil des US-Plans für | |
| die Istanbul-Konferenz war. | |
| Eine offizielle Reaktion Ghanis auf den US-Abzug steht bisher aus. Ein | |
| hoher Regierungsvertreter sagte aber anonym: „Wir werden dessen | |
| Auswirkungen überleben müssen, und die Entscheidung sollte auch nicht als | |
| Sieg oder Machtübernahme der Taliban betrachtet werden.“ Ghani hat sich | |
| bisher stets als Verfechter eines „unabhängigen und demokratischen | |
| Afghanistan“ präsentiert. | |
| Allerdings machten die Taliban gerade in den letzten Tagen wiederholt klar, | |
| was sie von demokratischen Verhältnissen halten. In einem „Meinungsbeitrag“ | |
| auf ihrer Website schrieben sie am Montag, die Demokratie sei „keine | |
| unfehlbare Lösung für alle Probleme“, Afghanistan besitze ein „besseres | |
| Regierungsmodell“. Ihr früherer Sprecher und Mitglied ihres | |
| Verhandlungsteams in Doha, Sabihullah Mudschahed, sagte, die Taliban | |
| bevorzugten weiterhin ein islamisches Emirat. Sie stellten auch die für | |
| Istanbul von den USA vorgeschlagene 50:50-Machtteilung mit Kabul infrage. | |
| Das könnte einen Friedensschluss definieren. Viele der | |
| Mudschaheddin-Fraktionen, die Kabul mitregieren, stehen den Taliban | |
| ideologisch nahe, vor allem was ihre Einstellung zu demokratischen und | |
| Menschen-, insbesondere Frauenrechten betrifft. Die jüngere Geschichte | |
| Afghanistans, etwa nach dem Ende des sowjetischen Besatzung 1989, weist | |
| Beispiele für Regimewechsel durch veränderte Koalitionen auf. | |
| 14 Apr 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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