# taz.de -- Verhandlungen mit den Taliban: Schachzüge beim Friedensplan | |
> Afghanistans Präsident Aschraf Ghani versucht, die Taliban zu | |
> Kompromissen zu bewegen. Doch er kann sich der Unterstützung der USA | |
> nicht sicher sein. | |
Bild: Präsident Aschraf Ghani bei der Konferenz im tadschikischen Duschanbe | |
BERLIN taz | Der afghanische Präsident Aschraf Ghani hat seinen Widerstand | |
gegen die Installation einer Interimsregierung aufgegeben, die einen | |
Friedensvertrag für sein von mehr als 40 Jahren Krieg zerstörtes Land | |
ermöglichen soll. In einer Rede in Tadschikistans Hauptstadt Duschanbe am | |
Dienstag beim sonst wenig beachteten „Heart of Asia – Istanbul-Prozess“, | |
einer türkisch-afghanischen Initiative zur regionalen Zusammenarbeit in | |
Zentralasien, legte er die Konturen eines neuen Friedensplanes vor. Der | |
soll in Neuwahlen für sein Amt als Staatschef kulminieren. | |
Bisher hatte sich Ghani stets geweigert, einer nicht gewählten | |
Übergangsregierung Platz zu machen. Nun schlägt er die Bildung einer | |
„friedensschaffenden Regierung“ aus Vertretern seiner gegenwärtigen | |
Regierung und „anderen Afghanen“ vor. | |
Damit sind die aufständischen Taliban sowie andere, zu ihm in Opposition | |
stehende Fraktionen gemeint. Ghani hofft offenbar, dass die wegen ihres | |
Truppenabzugs aus Afghanistan unter Zeitdruck stehende US-Regierung nun die | |
Taliban bewegen wird, einem solchen Kompromiss zuzustimmen. | |
Ghanis Vorstoß deckt sich, wenn auch nicht in der Terminologie, mit einem | |
[1][Plan der Biden-Regierung]. Sie will bis zum 1. Mai ihre restlichen | |
3.500 Soldaten aus Afghanistan abziehen und deshalb bis dahin einen | |
Friedensschluss und eine Machtteilung zwischen Kabul und den Taliban | |
erzwingen. | |
## Ghani stellt aber auch Bedingungen | |
Beides soll eigentlich bei einer [2][Konferenz in Istanbul] besiegelt | |
werden, welche die Türkei auf Wunsch Washingtons noch vor Beginn des | |
islamischen Fastenmonats Ramadan am 14. April ausrichten soll. | |
Ghani kommt den USA einen Schritt entgegen, stellt aber auch Bedingungen. | |
Vor allem besteht er darauf, dass er selbst die Amtsgeschäfte an einen | |
gewählten Nachfolger übergibt, der nach seinen Vorstellungen erst nach dem | |
Friedensschluss und unter UN-Überwachung gewählt werden würde. | |
Indirekt sagt er damit, dass die Übergangsregierung unter ihm arbeiten | |
würde. Gleichzeitig enthält Ghanis Plan deutliche Elemente, dass er sich | |
vor allem selbst einen Platz im politischen System Afghanistans nach einem | |
Friedensabkommen sichern will. Unter einer überarbeiteten Verfassung, wie | |
die Taliban sie fordern, könnte er sogar zum dritten Mal kandidieren, was | |
die jetzige Verfassung untersagt. | |
## Den USA gilt Ghani inzwischen als unbequem | |
Die dürfte nicht nur den Taliban missfallen, sondern auch der US-Regierung. | |
Diese versucht seit längerem, den von ihrer Militär- und Finanzhilfe | |
abhängigen, aber wegen seiner bisherigen Weigerung, einer Interimsregierung | |
Platz zu machen, als unbequem geltenden Ghani loszuwerden. | |
Der hofft aber offenbar, dass Washington ihn als international anerkannten | |
Staatschef nicht offen fallen lassen kann und präsentiert sich zugleich als | |
Verteidiger der verfassungsmäßigen Rechte aller Afghan:innen. Linda | |
Thomas-Greenfield, Bidens UNO-Botschafterin, sagte vorige Woche im | |
Sicherheitsrat, ihre Regierung werde bei diesem Thema „keinen Inch“ | |
nachgeben. | |
Doch spielt Washington nicht mit, könnte Ghani mit seinem Kompromissangebot | |
den Beginn seines eigenen Untergangs eingeleitet haben. Noch aber ist | |
offen, ob die Istanbul-Konferenz rechtzeitig stattfinden wird. Die USA | |
wollen dort unter UN-Ägide China, Russland, Pakistan, Iran und Indien als | |
Garantiemächte einladen, die aber untereinander wie oft auch mit den USA in | |
Konflikt liegen. | |
Bei einer Vorfeldkonferenz vorige Woche in Moskau war Indien nicht | |
eingeladen, und Iran reiste nicht an. Ghanis Idee längerer Verhandlungen | |
mit den Taliban könnten sich also doch als realistisch erweisen. Zieht | |
Biden allerdings die US-Truppen ab, wäre Ghanis Position dann sogar noch | |
schwächer als jetzt. | |
31 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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