# taz.de -- US-Truppenabzug aus Afghanistan: Ohne Bedingungen | |
> US-Präsident Biden will seine Truppen aus Afghanistan bis zum Jahrestag | |
> von 9/11 abziehen. Kritik an dem Vorhaben regt sich auch in seinem Land. | |
Bild: Wandgemälde in Kabul zeigt US-Gesandten in Afghanistan und Taliban Mulla… | |
BERLIN taz | Für Joe Biden ist der Moment gekommen. Jetzt muss er nicht | |
mehr als Barack Obamas Vizepräsident für einen Abzug der US-Truppen aus | |
Afghanistan werben, nur um dann im Gegenteil eine Aufstockung der Truppen | |
mitverantworten zu müssen. [1][Bis zum 11. September], dem 20. Jahrestag | |
der Terroranschläge auf New York und Washington, sollen die letzten | |
US-Truppen Afghanistan verlassen haben. Der längste militärische | |
Auslandseinsatz der USA soll schließlich zu Ende gehen. | |
Damit auch wirklich nichts mehr dazwischenkommen kann, verzichtet Biden | |
darauf, den Abzug an Bedingungen zu knüpfen. Denn falls die US-Soldaten nur | |
dann gehen, wenn irgendein Ergebnis dauerhaft abgesichert ist, gehen sie | |
nie – so Bidens Überzeugung. | |
Damit übernimmt Biden letztlich, ohne das so auszusprechen, wenigstens in | |
diesem Punkt die Politik seines Vorgängers Donald Trump. Einziger, aber für | |
Bidens Absichten bedeutsamer Unterschied: Die einige Monate längere Frist | |
und die Verkündung parallel zu einem Brüsseler Nato-Treffen signalisieren, | |
dass Biden „America First“ anders versteht als Trump: Die USA verkünden den | |
Abzug zwar zuerst, nehmen aber alle Bündnispartner mit. | |
Denn [2][die Invasion in Afghanistan] war 2001 nach den Angriffen vom 11. | |
September der erste in der Nato-Geschichte nach Artikel 5 des | |
Nordatlantikvertrags ausgerufene Bündnisfall, und auch wenn die USA stets | |
die militärische Vormachtstellung hatten, blieb es offiziell ein | |
Nato-Einsatz. Und das bis heute, obwohl die Gründe der Ausrufung des | |
Bündnisfalls, also die Verteidigung gegen den Angriff auf einen | |
Nato-Mitgliedsstaat, längst obsolet waren. | |
Das allerdings sehen auch in den USA heute nicht alle so. Auch jetzt melden | |
sich Stimmen zu Wort, die befürchten, wenn man Afghanistan sich selbst – | |
und das heißt, einer absehbaren Vorherrschaft der Taliban – überlasse, | |
könne es erneut zum [3][sicheren Hafen terroristischer Organisationen wie | |
al-Qaida] werden. Der republikanische Senator James Inhofe aus Oklahoma | |
etwa bezeichnet den Entschluss zum Abzug als „leichtsinnig und gefährlich“. | |
Er sagt: „Willkürliche Abzugsdaten bringen unsere Soldaten in Gefahr, | |
setzen allen Fortschritt aufs Spiel, den wir erreicht haben, führen zum | |
Bürgerkrieg in Afghanistan und schaffen eine Brutstätte des internationalen | |
Terrorismus.“ | |
## Scheitern auf ganzer Linie | |
Auch der republikanische Senator Lindsay Graham, in dieser Frage ebenfalls | |
ein erklärter Gegner des Vorgängerpräsidenten Donald Trump, nannte den | |
Abzug „teuflisch gefährlich“. Und dass auch die ursprünglich noch | |
vorgesehene Stationierung einer reduzierten Antiterrortruppe inzwischen vom | |
Tisch und die Istanbuler Friedenskonferenz durch die Absage der Taliban | |
obsolet geworden ist, bestärkt diese Fraktion. Was übrig bleibt, ist ein | |
Scheitern auf ganzer Linie. | |
Für US-Präsident Joe Biden ist der Schritt hingegen nur konsequent. Schon | |
in seiner ersten außenpolitischen Grundsatzrede Anfang Februar hatte er – | |
wenn auch indirekt – deutlich gemacht, dass er sich von den Konfliktherden | |
der Vergangenheit lösen will zugunsten eines stärkeren Engagements im | |
Heute: China, Asien, Russland. Afghanistan hatte er in seiner Rede nicht | |
einmal mehr erwähnt. | |
Die nach dem Anfangserfolg 2001/2002 – Sturz der Taliban-Regierung, | |
Vertreibung der Al-Qaida-Basen – veränderten langfristigen Kriegsziele | |
scheinen schon lange unerreichbar. Biden zieht jetzt die Konsequenz. Wie es | |
der demokratische Senator Tim Kaine aus Virginia formuliert: „Die USA sind | |
2001 nach Afghanistan gegangen, um diejenigen zu schlagen, die die USA am | |
11. September angegriffen hatten. Jetzt ist es Zeit, unsere Soldaten nach | |
Hause zu holen, unsere Partnernation weiterhin diplomatisch und humanitär | |
zu unterstützen und uns auf die heutigen dringenden Sicherheitsbelange zu | |
konzentrieren.“ | |
Populär jedenfalls dürfte das Ende der Mission in der breiten | |
Öffentlichkeit sein. Jon Soltz, Sprecher der Kriegsveteranenorganisation | |
VoteVets, sagte gegenüber US-Medien: „Worte können nicht beschreiben, wie | |
wichtig das für Soldaten und Militärfamilien ist, die fast zwei Jahrzehnte | |
lang Einsatz um Einsatz erlebt haben, ohne Ende in Sicht.“ | |
Rund 800.000 US-Soldaten absolvierten seit 2001 mehrmonatige Einsätze in | |
Afghanistan. Die Gesamtkosten werden auf rund 2 Billionen US-Dollar | |
geschätzt. | |
14 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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