# taz.de -- Truppenabzug aus Afghanistan: Tür auf für die Taliban | |
> Mit der Ankündigung, alle Truppen abzuziehen, überlassen die USA und ihre | |
> Verbündeten Afghanistan bewaffneten Fraktionen – bedingungslos. | |
Bild: Demnächst auf dem Rückzug: US-Soldaten in Afghanistan während eines Be… | |
In [1][Afghanistan] beginnt nach fast 20 Jahren das Endspiel der | |
gescheiterten US-Intervention nach den islamistischen Anschlägen des 11. | |
September. Mit der Ankündigung, alle Truppen bedingungslos abzuziehen, | |
(wenn auch nicht wie ursprünglich mit den Taliban vereinbart zum 1. Mai), | |
schließen die USA dieses Kapitel für sich und ihre Verbündeten ab. | |
Afghanistan überlassen sie sich selbst, oder genauer gesagt, den | |
bewaffneten Fraktionen, von denen die Taliban nur eine sind. | |
Aber das Endspiel ist nicht gleichbedeutend mit dem Ende. In einem neuen | |
Kapitel werden die Karten, das heißt die Macht, neu verteilt. Nur, dass die | |
USA und der Westen insgesamt darauf nicht mehr viel Einfluss haben werden. | |
Auch eine Verhandlungslösung ist damit nicht vom Tisch. | |
Die Taliban haben zwar ihre Teilnahme an der von den USA angeregten | |
Afghanistan-Friedenskonferenz Ende des Monats in Istanbul abgesagt. Sie | |
geben damit aber lediglich zu verstehen, dass ein Friedensschluss und eine | |
Machtteilung nur noch zu ihren Bedingungen und nach ihrem Zeitplan | |
stattfinden werden. Kalt spielen sie ihre militärische Kontrolle über die | |
Hälfte des Landes aus sowie ihre politisch-diplomatische Position, in die | |
sie das bilaterale Abkommen mit den USA vom Februar 2020 und nun auch die | |
Ankündigung des bedingungslosen Truppenrückzugs gebracht haben. Wer etwas | |
anderes erwartet hatte, folgte einer Illusion. | |
Es ist nicht zu vermuten, dass [2][die Taliban] nach dem Abzug im September | |
einen militärischen Durchmarsch nach Kabul versuchen werden. Das würde sie | |
sofort international isolieren. Das auch nach 20 Jahren westlichen | |
Engagements immer noch extrem arme Land wird auch mit ihnen an der Macht, | |
allein oder (zunächst?) in einer Art Koalition, von externen Zuschüssen | |
abhängig sein. Zudem verfügt die derzeitige Regierung noch über 300.000 | |
Soldaten und Polizisten. Scheitert aber eine innerafghanische Regelung, | |
dann könnten Teile dieser Truppen zum vermeintlichen Sieger überlaufen, ein | |
neuer Fraktionskrieg könnte ausbrechen. | |
Was häufig übersehen wird: Auch die amtierende [3][afghanische Regierung] | |
besteht zu großen Teilen aus Islamisten, die sich ideologisch nicht sehr | |
von den Taliban unterscheiden, besonders in Bezug auf Frauenrechte, aber | |
auch auf demokratische Rechte und Menschenrechte insgesamt. Um sich an der | |
Macht zu halten, könnten zumindest einige von ihnen zu den Taliban | |
umschwenken. | |
Da die USA und ihre westlichen Verbündeten nicht unschuldig an der | |
verfahrenen Lage in Afghanistan sind, ist der Truppenabzug als Türöffner | |
für die Taliban zumindest selbstvergessen. Gegenüber der afghanischen | |
Zivilbevölkerung aber, die allein die Konsequenzen tragen muss, ist er | |
nichts als arrogant. Mit der Hand am Geldhahn kann der Westen vielleicht | |
noch einige der schlimmsten Folgen auffangen. | |
Mehr aber auch nicht. | |
15 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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