| # taz.de -- Truppenabzug aus Afghanistan: Zentrale Fragen bleiben offen | |
| > Die Bundeswehr zieht ab, die USA räumen bis zum 4. Juli das Feld. | |
| > Gleichzeitig werden die Taliban stärker, die Gefahr eines Bürgerkrieges | |
| > wächst. | |
| Bild: Das wars dann: Soldaten in Masar-i-Scharif kurz vor ihrem Abflug nach Deu… | |
| New York taz | Am Ende von fast 20 Jahren hatte es die Bundeswehr eilig, | |
| Afghanistan zu verlassen. Am Dienstag stiegen die letzten 450 deutschen | |
| SoldatInnen in Masar-i-Scharif im Norden des Landes in Militärmaschinen. | |
| Unter ihnen waren auch die [1][Mitglieder der Elitetruppe KSK]. Sie flogen | |
| über Georgiens Hauptstadt Tiflis nach Deutschland, wo sie ohne Zeremonie | |
| empfangen wurden. | |
| Aber in New York erklärte Verteidigungsministerin Annegret | |
| Kramp-Karrenbauer am Rande der Vereinten Nationen: „Sie haben ihre Aufgabe | |
| erfüllt“. Auf Twitter schrieb sie, bei ihrem „intensivsten Auslandseinsatz… | |
| hätten die deutschen SoldatInnen „alle Aufträge erfüllt, die ihnen der | |
| Bundestag gegeben hat. Sie können stolz auf diesen Einsatz sein“. | |
| Insgesamt 150.000 BundeswehrsoldatInnen waren in den zurückliegenden Jahren | |
| in Afghanistan im Einsatz, um das Land – so die Nato-Mission – „sicher zu | |
| machen“. 59 deutsche SoldatInnen kamen dort ums Leben, davon 35 bei | |
| Kämpfen. Am selben Tag wie die letzten BundeswehrsoldatInnen zogen auch die | |
| letzten georgischen Truppen aus Afghanistan ab. Und in Kabul sprach | |
| US-General Austin Miller bei einem Interview mit dem US-Militärblatt Stars | |
| and Stripes von den „besorgniserregenden“ Gebietsgewinnen der Taliban und | |
| der wachsenden Gefahr eines Bürgerkriegs. | |
| Zu dem Gedränge beim Abzug aus Afghanistan war es gekommen, nachdem | |
| Washington seinen Truppenabzug beschleunigt hatte. Im April hatte Joe Biden | |
| angekündigt, die letzten US-Truppen würden das Land am 11. September | |
| verlassen – auf den Tag genau zwei Jahrzehnte nach den Attentaten in New | |
| York und Washington – und fast ebenso lang nach der Invasion Afghanistans. | |
| Militärische Verantwortliche der USA hatten vor einem kompletten | |
| Truppenabzug gewarnt. Aber kaum hatte der Präsident gesprochen, drängte die | |
| Spitze des Pentagon zur Eile. Gleichzeitig eskalierten [2][die Taliban] | |
| ihre Kampfhandlungen in Afghanistan. Seit Anfang Mai eroberten sie Dutzende | |
| von Bezirken im Land. | |
| Sie berufen sich auf ein Abkommen, das sie im vergangenen Jahr in Doha mit | |
| der Regierung von Ex-Präsident Donald Trump unterzeichnet hatten. Darin | |
| hatte Trump den kompletten Truppenabzug der USA bis zum 1. Mai 2021 | |
| angekündigt. Das Angebot neuer Friedensgespräche lehnten die Taliban ab, so | |
| lange noch US-und Nato-Truppen im Land sind. | |
| „Fegefeuer“ nannten US-Militärs die heikle Zeit bis zum September. „Rüc… | |
| ist eine delikate Operation“, sagte Michèle Flournoy, die einst | |
| Vize-Verteidigungsministerin von Barack Obama war, „besonders wenn | |
| Alliierte am Boden zurückbleiben, die erben, was man hinterlässt“. | |
| Um neue US-Verluste zu vermeiden, begannen die USA direkt nach Bidens | |
| Ankündigung mit dem Abtransport von Kriegsmaterial und Truppen. Sie | |
| schlossen den Militärflughafen in Kandahar. Und sie begannen auf ihrer | |
| größten Basis in Bagram mit der Sprengung von Material. | |
| ## Deadline 4. Juli | |
| Nach gegenwärtiger Planung werden die meisten der jetzt noch 2.500 | |
| US-SoldatInnen Afghanistan bis zum 4. Juli, dem Nationalfeiertag der USA, | |
| verlassen. Auch die rund 17.000 MitarbeiterInnen von privaten | |
| Zuliefererunternehmen für das US- und das afghanische Militär – unter ihnen | |
| 6.000 US-AmerikanerInnen – werden das Land verlassen. | |
| An ihrem Nationalfeiertag können die USA über das Ende ihres längsten | |
| Krieges aufatmen. Aber in Afghanistan werden ab dem Tag die Regierung in | |
| Kabul und ihre zu weiten Teilen von Material und Personal aus den USA | |
| abhängige Luftwaffe allein mit den Taliban sein. Vor dem US-Kongress hat | |
| General Kenneth McKenzie, der Chef des Zentralkommandos im Pentagon, im | |
| April zu dem möglichen Umgang mit künftigen terroristischen Drohungen aus | |
| Afghanistan gesagt: „Es wird extrem schwierig, aber nicht unmöglich“. | |
| Biden hat dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani auch für die Zukunft | |
| militärischen Beistand im Kampf gegen den Terrorismus zugesagt. Wie das | |
| logistisch funktionieren soll, ist offen. Die nördlichen Anrainerstaaten | |
| Turkmenistan, Usbekistan und Tadjikistan sind Nachbarn Russlands und | |
| ehemalige Sowjetrepubliken. Sie zeigen keine Neigung, größere | |
| US-Truppenkontingente aufzunehmen. Pakistan, Afghanistans Nachbar im Süden, | |
| pflegt enge Beziehungen zu den Taliban. Die nächsten US-Basen im Golf und | |
| auf Flugzeugträgern sind weit. | |
| Unklar ist auch [3][die Situation von Zigtausenden von AfghanInnen, die in | |
| den letzten Jahren für die ausländischen Truppen gearbeitet haben]. | |
| Kramp-Karrenbauer sagte am Dienstag in New York erneut zu, dass | |
| AfghanInnen, die seit 2013 für die Bundeswehr gearbeitet haben sowie ihre | |
| Angehörigen nach Deutschland kommen könnten. | |
| ## Tätigkeitsnachweis für die Bundeswehr | |
| Dazu reiche der Nachweis der Tätigkeit für die Bundeswehr, sowie die | |
| Erklärung, dass sie bedroht seien. Die Ministerin schätzt, dass rund 5.000 | |
| Personen nach Deutschland kommen könnten. In den USA hat Biden angekündigt, | |
| dass er 18.000 afghanischen ÜbersetzerInnen „sichere Standorte“ anbieten | |
| werde. | |
| Auch die Sicherheit der afghanischen Flughäfen ist gefährdet. In Kandahar | |
| ist schon jetzt die Radaranlage zusammengebrochen, und der Flughafen kann | |
| nur noch tagsüber benutzt werden. Der Flughafen von Kabul, über den | |
| DiplomatInnen, NGO-Personal und humanitäre Hilfen ins Land kommen, wird | |
| jetzt noch von türkischen Soldaten gesichert. Sowohl die afghanische | |
| Regierung als auch Ankara wollen daran festhalten. Aber die Taliban | |
| verlangen, dass auch das Nato-Land Türkei seine Truppen abzieht. | |
| Vor Antworten auf die Frage: Was haben die 20 Jahre Krieg gebracht? drücken | |
| sich die politisch Verantwortlichen. US-General Austin Scott Miller | |
| verweist dazu bei einem Pressegespräch, das TeilnehmerInnen wie ein | |
| Abschied von Kabul vorkam, auf die Geschichtsbücher. | |
| Und in New York spricht Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bei ihrem | |
| Treffen mit UN-Generalsekretär António Guterres nicht nur über Afghanistan | |
| nach dem Nato-Abzug, sondern auch über Mali. Dort waren am vergangenen | |
| Freitag zwölf BundeswehrsoldatInnen bei einem Anschlag verletzt worden. | |
| Sowohl die deutsche Ministerin als auch der UN-Generalsekretär sowie der | |
| UN-Sicherheitsrat wollen an dem Minusma-Einsatz festhalten. | |
| 30 Jun 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rechtsextremismus-beim-KSK/!5775003 | |
| [2] /Abzug-der-US-Soldaten-aus-Afghanistan/!5761083 | |
| [3] /Afghanische-Ortskraefte-der-Bundeswehr/!5772109 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
| ## TAGS | |
| Nato | |
| Bundeswehr | |
| Taliban | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| USA | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Bundeswehr | |
| Afghanistaneinsatz | |
| Nato | |
| Bundeswehr | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| US-Reaktion auf Taliban-Vormarsch: Asyl für mehr Afghanen | |
| Die US-Regierung will jetzt auch Ex-Mitarbeitern von Medien und | |
| Hilfsorganisationen Schutz ermöglichen. Derweil rücken die Taliban weiter | |
| vor. | |
| Nach dem Abzug internationaler Truppen: Taliban greifen Provinzhauptstadt an | |
| Während in Kabul ein Abschiebeflug aus Deutschland eintrifft, greifen die | |
| Taliban eine Provinzhauptstadt an. Sie bewegten sich frei durch Kala-e Nau. | |
| Abzug aus Afghanistan: Feigheit vor den Freunden | |
| Die Ortskräfte mussten zusehen, wie der letzte deutsche Soldat Afghanistan | |
| verlässt. Sie selbst bleiben ihrem Schicksal und den Taliban überlassen. | |
| Afghanistan nach dem Bundeswehr-Abzug: Kein Anschluss unter dieser Nummer | |
| Die Bundesregierung hatte angekündigt, sich um ihre Ortskräfte zu kümmern. | |
| Zuständige Stellen sind jedoch unerreichbar oder reagieren nicht. | |
| 10 Jahre ohne Wehrpflicht: Die Freiwilligenarmee | |
| Am 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Seitdem gibt es | |
| Recruitingkampagnen anstatt der Ladung zur Musterung. | |
| Bundeswehr-Abzug aus Afghanistan: Taliban vor den Städten | |
| Deutschland hat seine letzten Soldaten aus Afghanistan ausgeflogen. Die | |
| Islamisten fahren unterdessen eine Großoffensive im ländlichen Raum. | |
| Abzug aus Afghanistan: Operation misslungen | |
| Die internationalen Truppen lassen ein politisch instabiles Land zurück. | |
| Die Taliban sind auf dem Vormarsch, ihre Gegner zerstritten und korrupt. | |
| Afghanische Ortskräfte der Bundeswehr: Breites Bündnis für Aufnahme | |
| Eine Initiative fordert, afghanische Mitarbeitende deutscher Stellen | |
| schnell nach Deutschland zu holen. Das bisherige Verfahren sei zu | |
| bürokratisch. | |
| Terroranschlag in Kabul: Bombenangriff auf Schule | |
| Bei einem verheerenden Anschlag in Afghanistans Hauptstadt Kabul sterben | |
| Dutzende Schülerinnen. Der Angriff galt der schiitischen Minderheit. | |
| Truppenabzug aus Afghanistan: „Hier wird das Chaos ausbrechen“ | |
| Für manche ist der angekündigte Abzug der USA und Nato ein Déjà-vu. In | |
| Kabul blicken die Menschen einer ungewissen Zukunft entgegen. | |
| Truppenabzug aus Afghanistan: Tür auf für die Taliban | |
| Mit der Ankündigung, alle Truppen abzuziehen, überlassen die USA und ihre | |
| Verbündeten Afghanistan bewaffneten Fraktionen – bedingungslos. | |
| Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan: Die Taliban übernehmen die Regie | |
| Die USA wollen bald all ihre Truppen aus Afghanistan abziehen. Und die | |
| Taliban sagen für eine geplante Friedenskonferenz ab. Was heißt das für die | |
| Zukunft des Landes? |