# taz.de -- Abzug aus Afghanistan: Operation misslungen | |
> Die internationalen Truppen lassen ein politisch instabiles Land zurück. | |
> Die Taliban sind auf dem Vormarsch, ihre Gegner zerstritten und korrupt. | |
Bild: Unterstützer der afghanischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen die Tali… | |
Natürlich lief nicht alles schlecht in Afghanistan, aber unterm Strich ist | |
die westliche und damit auch die bundesdeutsche [1][Intervention] dort klar | |
gescheitert – militärisch und politisch. Zwar ging nach 9-11 von | |
Afghanistan Dank Intervention kein weiterer Terrorangriff mehr aus. Aber | |
Al-Qaidas damaliger Gastgeber, die dann besiegten Taliban, sind heute | |
stärker denn je seit 2001. Sie kontrollieren wieder große Landesteile und | |
dürften bald noch mehr Macht gewinnen, wahrscheinlich auch in Kabul. | |
Gescheitert ist die Intervention aber vor allem politisch. Afghanistan ist | |
nicht stabil, sein politisches System ist dysfunktional. Es gibt unter den | |
Taliban-Gegnern mehrere sich bekämpfende Machtzentren, die von Korruption | |
zerfressen sind. Dies weckt bei nicht wenigen Afghanen Sehnsucht nach | |
harter Führung, wie sie die Taliban versprechen. Gemessen an den hohen | |
menschlichen wie finanziellen Kosten sind die Ergebnisse der Intervention | |
äußerst dürftig. | |
Dabei ist das Afghanistan im Jahr 2021 mit mehr (städtischer) Bildung, | |
[2][selbstbewussteren Frauen], Internet und Mobilfunk nicht mehr das | |
Afghanistan von 2001. Es ist viel komplexer. Doch haben der Ruf und die | |
politische Überzeugungskraft der führenden Interventionsländer stark | |
gelitten. | |
Die westliche Intervention und die Uno sind daran gescheitert, eine | |
traditionelle Gesellschaft im Wechselspiel zwischen Militär, Politik, | |
wirtschaftlichem Wiederaufbau, rivalisierenden regionalen Interessen, | |
kultureller Hegemonie und lokalen Traditionen und Identitäten gleichzeitig | |
zu befrieden, zu modernisieren und zu demokratisieren. Aus heutiger Sicht | |
war das eine klare Überforderung, die auf Naivität, Überheblichkeit, | |
teilweise auch Good Will und Solidarität basierte, und zugleich | |
neoimperiale Ziele des Westens verfolgte. | |
## Wer sollte die Probleme in Afghanistan lösen? | |
Hinzu kamen die mit Militäreinsätzen verbundenen Probleme wie die | |
Eigeninteressen des militärisch-industriellen Komplexes und die | |
Eigendynamik von [3][Gewalt, die neue Opfer] fordert und neue Widerstände | |
provoziert. Dies umso mehr, wenn die Nutznießer der Intervention eigentlich | |
diskreditierte Warlords sind, welche die Werte, in deren Namen die | |
Intervention angeblich stattfindet, ungestraft mit Füßen treten. | |
Das Ende des Einsatzes am Hindukusch ist deshalb eine überfällige logische | |
Konsequenz. Dabei löst der jetzt plötzlich aus taktischen Gründen | |
überhastete Abzug keins der afghanischen Probleme. Vielmehr stärkt er die | |
Enttäuschung und das Gefühl im Land, im Stich gelassen zu werden. | |
Afghanistan muss seine Probleme in erster Linie vor allem selbst lösen, von | |
außen kann es nur Hilfestellung geben. Doch wurde die afghanische | |
Eigenverantwortung immer erst dann entdeckt, wenn die Interventionsmächte | |
nicht mehr weiter wussten. | |
Dies hat nicht funktioniert, abgesehen davon sind sich auch die Afghanen | |
heute so wenig einig wie vorher. Zurück bleiben neue Opfer, Enttäuschung | |
und Ratlosigkeit und die Herausforderung, aus der Intervention die | |
notwendigen Lehren zu ziehen. Das sich abzeichnende Scheitern in Mali | |
zeigt, dass dafür keine Zeit bleibt. | |
30 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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