Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brandschutz in der Rigaer Straße 94: Bezirk prüft selbst
> Überraschend hat am Dienstagmorgen eine Brandschutzbegehung in der Rigaer
> 94 stattgefunden. Eigentümer und Senat sind düpiert.
Bild: Streitpunkt Rigaer Straße
Berlin taz | Eine Mitarbeiterin der Brandaufsicht des Bezirks
Friedrichshain-Kreuzberg hat am Dienstagmorgen eine Begehung des
linksradikalen Hausprojekts [1][Rigaer Straße 94] durchgeführt. Auf
Anordnung von Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) wurden dabei die
öffentlichen Bereiche sowie alle Wohnungen des Hauses auf Brandschutzmängel
untersucht. Die Begehung, bei der auch Rigaer 94-Anwalt Lukas Theune dabei
war, sei problemlos verlaufen, so eine Bewohnerin in einem
[2][Landgerichtsprozess] am Vormittag.
Der Bezirk teilte anschließend mit, dass im Ergebnis der Begehung ein
„Mängelprotokoll“ erstellt worden sei, das einer weiteren Klärung bedürf…
Zudem sei „beabsichtigt, dass die Bauaufsicht demnächst eine
Kontrollbegehung durchführt“. In einem Statement der Bewohner*innen
hieß es: „Wie von uns vermutet und nun auch bestätigt, ist unser Haus nicht
in einem Zustand, der eine Evakuierung aufgrund von Brandschutz notwendig
macht. Die Beamtin hat auch keine Mängel festgestellt, die wir nicht selbst
beheben können.“
Nach bisherigen Planungen sollte eine Begehung des Hauses durch die
Eigentümerseite, unterstützt durch ein großes Polizeiaufgebot, am
Donnerstag und Freitag stattfinden. Die Bewohner*innen befürchteten,
dass diese nur ein [3][Vorwand für eine mögliche Räumung oder deren
Vorbereitung] sei. Entsprechende Absichten hatte der Hausverwalter in einer
eigenen Mängelliste aufgeschrieben, über die die taz berichtet hatte.
Darauf bezugnehmend heißt es in der Mitteilung des Bezirks: „Eine
Nutzungsuntersagung wurde im Rahmen der Begehung nicht ausgesprochen.“
## Senat will es selber machen
Der ab 10 Uhr tagende Senat zeigte sich durch die Begehung überrascht: „Ich
wusste es nicht, und mein Eindruck war, dass auch andere Senatsmitglieder
keine Kenntnis hatten“, sagte Sozialsenatorin Elke Breitenbach
(Linkspartei) in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung.
Wie Martin Pallgen, Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf
taz-Anfrage sagte, stimmte die rot-rot-grüne Landesregierung mehrheitlich
einem Antrag von Geisel zu, der Bezirk möge per Duldungsanordnung die
Bewohner*innen verpflichten, eine Begehung durch den Eigentümer und
einem von ihm beauftragten Brandschutzgutachter zuzulassen. Verweigere sich
der Bezirk, werde „der Senat die Anordnung an die Bewohner*innen im
Wege einer Ersatzvornahme übernehmen“, es also selber machen. Pallgen
sagte: „Der Senat steht auf dem Standpunkt, dass ein Vertreter der
Eigentümer das Recht hat, sich selbst ein Bild zu machen.“
Breitenbach und ihr Parteifreund Sebastian Scheel, der
Stadtentwicklungssenator, hatten sich bei der Abstimmung enthalten, alle
anderen stimmten dafür, darunter auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne),
der in der Sitzung vor einer Woche noch gegen einen Beschluss des
Geisel-Antrags gestellt hatte. Die Begehung soll sich dem Beschluss zufolge
nicht auf alle Wohnungen erstrecken.
Die Eigentümerseite, vertreten durch Anwalt Markus Bernau, wurde ebenfalls
überrascht und erfuhr erst im Gerichtssaal von der Begehung durch den
Bezirk. Gegen eine „kleine Begehung“ des Bezirksamtes – Florian Schmidt
hatte nur die Begehung einer Wohnung in Aussicht gestellt – hatte Bernau am
Freitag vor dem Verwaltungsgericht einen Eilantrag eingereicht. Am
Nachmittag – Stunden nach der Begehung – kam das Urteil. Demnach müsse der
Bezirk eine Duldungsanordnung an die Bewohner*innen erlassen, das
Betreten der Wohnungen sei „zu ermöglichen“.
Darüber hinaus hieß es von Seiten des Verwaltungsgerichts: „Eine solche
Anordnung müsse die Behörde allerdings erst noch erlassen. Wegen der mit
der Vollstreckung dieser Anordnung verbundenen zeitlichen Verzögerung sei
der für den kommenden Donnerstag und Freitag geplante Einsatz nicht zu
realisieren und müsse kurzfristig verschoben werden.“ Keinen Erfolg hatte
die Eigentümerseite mit ihrem Antrag, dem Bezirk zu verbieten, „das Gebäude
zum Zweck einer eigenen Brandschutzbegehung zu betreten“.
## Weitere Überprüfung nötig?
Ob eine Duldungsanordnung, die der zwangsweisen Durchsetzung zur Betretung
zum Zwecke des Brandschutzes dient, nach der heutigen Begehung überhaupt
noch erforderlich ist, scheint fraglich. Auch der Senat scheint
unschlüssig: Die Parallelität von Begehung und Diskussion haben dazu
geführt, „dass wir uns noch nicht angucken konnten, was daraus folgt“,
sagte der stellvertretende Senatssprecher Julian Mieth der taz. Nach seinen
Worten gibt es die Erwartung an den Bezirk, genau zu dokumentieren, was er
unternommen hat – „eine Twitter-Nachricht reicht dafür nicht aus.“ Der
Senat sei nicht dazu da, dem Eigentümer zu einer Begehung der Wohnungen zu
verhelfen.
Geisel-Sprecher Pallgen hingegen äußerte scharfe Kritik am Baustadtrat:
„Der Bezirk will offensichtlich die Eigentümervertreterin nicht im Haus
haben.“ Schmidt müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, „politisch
intendiert und motiviert gehandelt zu haben“.
Das Bezirksamt teilte unterdessen mit, nun zu prüfen, ob sich die im
Dezember erlassene Anordnung an die Eigentümer den Brandschutz im Haus zu
überprüfen und sicherzustellen „erledigt hat“. Auf Anfrage der taz sagte
Florian Schmidt: „Wir werden sehr zeitnah das Mängelprotokoll haben und den
Senatsverwaltungen für Inneres, Stadtentwicklung und Justiz zur Verfügung
stellen.“
Die Bewohner*innen und Anwält*innen der Rigaer94 sehen keinen Grund
mehr für eine weitere Überprüfung durch die Eigentümer. „Anlasslose
Begehungen finden nicht statt. Die Sache ist erledigt“, so Anwalt Benjamin
Hersch vor Gericht. Im Statement der Rigaer 94 hieß es, Innensenator Geisel
würde „politischen Selbstmord begehen“ sollte er an einer „Invasion“
festhalten.
In dem Prozess vor dem Landgericht stellten die Anwält*Innen der Rigaer
94 zum wiederholten Male die Prozessfähigkeit der Eigentümerschaft infrage.
Aufheben lassen wollten sie damit einen [4][Beschluss des Kammergerichts
von Mitte Februar], der der Briefkastenfirma Lafone Investments Limited das
Recht zugebilligt hatte, das Haus mit einem Brandschutzgutachter zu
begehen. Eine erneute Prüfung der angezweifelten Legitimierung des
Eigentümeranwalts lehnte das Landgericht aber ab. Am Nachmittag wies es den
Einspruch ab und bestätigte die einstweilige Verfügung des Kammergerichts.
9 Mar 2021
## LINKS
[1] /Rigaer94/!t5320642
[2] /Streit-um-die-Rigaer-Strasse-94/!5755837
[3] /Linksradikales-Projekt-Rigaer-Strasse-94/!5747513
[4] /Gerichtsentscheidungen-zur-Rigaer-94/!5751766
## AUTOREN
Erik Peter
Stefan Alberti
## TAGS
Rigaer94
Florian Schmidt
Friedrichshain-Kreuzberg
Rigaer Straße
Rigaer94
Rigaer94
Rigaer94
taz Plan
Rigaer94
Andreas Geisel
Rigaer94
Rigaer94
Polizei Berlin
Rigaer94
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rigaer Straße 94 vor Großeinsatz: Brandschutzbegehung, die zweite
Am Donnerstag sollen Eigentümerverteter den Brandschutz in der Riager 94
prüfen. Ein Antrag der Bewohner*innen ist vor Gericht gescheitert.
Linkes Hausprojekt in Berlin: Prozess gegen Rigaer94 abgesagt
Am Montag sollte über die Räumung der Kneipe Kadterschmiede verhandelt
werden. Nun liegt ein Befangenheitsantrag gegen die Richter vor.
Polizeieinsatz wegen Rigaer94: Grüne gehen Innensenator an
Die Absage des Polizeieinsatzes koste 500.000 Euro, sagt Innensenator
Geisel (SPD). Der Koalitionspartner will das nicht auf sich sitzen lassen.
Brandschutz in der Rigaer Straße 94: Bezirk beugt sich dem Druck
Der Bezirk ebnet den rechtlichen Weg für eine weitere Brandschutzprüfung,
diesmal mit den Eigentümern. Gleichwohl hält er diese für überflüssig.
Alternative Freiräume in Berlin: Gegen den Ausverkauf
Die kapitalistische Verwertungspolitik wird zur Lawine. Es gilt, für die
noch verbleibenden bunten Projekte auf die Straße zu gehen.
Rot-Rot-Grün streitet um Rigaer94: Florian Schmidt als Feuerlöscher
Der grüne Stadtrat entschärft einen für die Koalition gefährlichen
Konflikt. Innensenator Geisel tut gut daran, das einzugestehen.
Linksradikales Projekt Rigaer Straße 94: Viel Widerstand
Im Streit um die Begehung der Rigaer 94 will der Innensenator nicht auf die
Linie des grünen Baustadtrats einschwenken.
Streit um die Rigaer Straße 94: Tür könnte sich wieder schließen
Die Anwälte des autonomen Hausprojekts wehren sich gegen eine Begehung
durch die Eigentümervertreter. Am Dienstag wird vor dem Landgericht
verhandelt.
Autonomes Hausprojekt: Rigaer 94 spaltet Bezirk und Senat
Xhains Baustadtrat Florian Schmidt ist gegen eine Begehung des Hauses durch
Eigentümer und Polizei. Der Bezirk solle den Brandschutz selbst prüfen.
Hausprojekt Rigaer94 in Berlin: Großeinsatz am 11. März
Wie erwartet wird ein Brandschutzexperte das Gebäude begutachten, geschützt
von der Polizei. Nun ist auch der Termin bekannt geworden.
Linksradikales Projekt Rigaer Straße 94: Brandschutz oder Räumung?
Der Eigentümer darf in die Rigaer 94, um den Brandschutz sicherzustellen.
Der Hausverwalter sieht die Notwendigkeit, das Haus räumen zu lassen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.