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# taz.de -- Linksradikales Projekt Rigaer Straße 94: Brandschutz oder Räumung?
> Der Eigentümer darf in die Rigaer 94, um den Brandschutz sicherzustellen.
> Der Hausverwalter sieht die Notwendigkeit, das Haus räumen zu lassen.
Bild: Wurde 1991 besetzt: die Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain
Berlin taz | Was haben die Eigentümer der [1][Rigaer Straße 94] mit dem
Haus vor? Ende vergangener Woche hatte sich die Briefkastenfirma Lafone
Investments Limited [2][in zwei Entscheidungen des Kammer- und des
Verwaltungsgerichts] als Eigentümerin des Hauses das Recht erstritten, es
unter Polizeischutz betreten zu dürfen. Der gewährte Eilrechtsschutz gibt
ihnen einen Monat Zeit, davon Gebrauch zu machen. Bis spätestens Mitte März
kommt es also zu einem erneuten Showdown im Haus.
Eigentümervertreter werden dann gemeinsam mit der Bauaufsicht des Bezirks
und geschützt durch einen Großeinsatz der Polizei Vorderhaus sowie
Seitenflügel und Hinterhaus, die den Kern des linksradikalen Projekts
bilden, begehen. Dabei sollen etwaige Brandschutzmängel ausführlich
untersucht werden.
Für den vom Eigentümer im vergangenen Jahr neu eingesetzten Hausverwalter
Torsten Luschnat steht das Ergebnis aber anscheinend schon fest.
In einer der taz vorliegenden von Luschnat erstellten Mängelliste vom 16.
November 2020 werden auf neun Seiten insgesamt 41 Einzelverstöße gegen
Brandschutzbestimmungen aufgeführt. Angefangen bei zwei Hauseingangstoren,
die ständig verschlossen seien und „in einer Gefahrensituation eine Flucht
nicht möglich machen“, über „schwarz“ angeklemmte Elektroleitungen,
Sperrmüll in Kellern, Dachgeschoss und Hof bis zu zahlreichen „unzulässigen
Durchbrüchen“ von Wänden und Böden wird in der Mängelliste ein verheerend…
Bild des Hauses gezeichnet.
## Hausverwalter will Räumung
So verheerend und umfangreich, dass Luschnat, der das Haus zuletzt Mitte
Juli vergangenes Jahres im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung betreten
hatte, zu drastischen Schlüssen kommt: Seitenflügel und Hinterhaus müssten
„zwingend die behördliche Genehmigung zur Nutzung als Wohnraum entzogen
werden und umgehend geräumt werden“. Brandschutzmängel durch Bau- und
Aufräummaßnahmen zu beseitigen scheint für den Eigentümervertreter keine
Option zu sein. Er will das konfliktträchtige Haus mithilfe des
Brandschutzes endlich räumen.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte dem Eigentümer im Dezember die
Anordnung erteilt, das Haus auf Brandschutzmängel zu untersuchen. Aufgrund
unklarer Eigentumsverhältnisse hatte die Polizei eine Begleitung bis zu
einem entsprechenden Gerichtsentscheid abgelehnt. Wie der Anwalt Alexander
von Aretin, der den Eigentümer verwaltungsrechtlich vertritt, der taz
bestätigte, wird es voraussichtlich im März zu einer Begehung mit dem
Brandschutzsachverständigen des Bezirks kommen. Ein Schreiben mit einer
Terminankündigung werde den Bewohner*innen in Kürze zugehen.
Die Feststellung der Mängel im Haus sei „allein Sache des
Brandschutzgutachters“, so von Aretin; welche Konsequenzen aus der Begehung
zu ziehen seien, könne nur „die Bauaufsicht des Bezirkes beurteilen“. Das
Schreiben des Hausverwalters Luschnat sei „dessen Meinung, die er so
anregen kann“.
Der Baustadtrat des Bezirks, Florian Schmidt (Grüne), sagt auf taz-Anfrage
zu Luschnats Mängelliste: „Ein Gutachten ohne Begehung ist kein Gutachten,
allenfalls Propaganda.“ Dem Ansinnen des Hausverwalters erteilt er eine
Absage: „Sofern sich die Anzeichen weiterhin verdichten, dass der
Brandschutz zur Räumung des Gebäudes missbraucht werden soll, behalte ich
mir vor, die Brandschutzbegehung persönlich zu begleiten um den Missbrauch
der bezirklichen Anordnung zu verhindern.“
## Befürchtung der Bewohner*innen
Die Bewohner*innen selbst sind sich ihrer Sache nicht so sicher. In
einer Erklärung schreiben sie: Es sei „damit zu rechnen, dass der
Brandschutzgutachter Teile des Gebäudes für unbewohnbar erklärt –
angesichts der politischen Zielrichtung der gesamten Aktion und ihrer
Beteiligten halten wir das für nicht so abwegig“.
Ebenso befürchten sie in der Folge lang anhaltende polizeilich geschützte
Baumaßnahmen, die „einer Belagerung gleichkommen“ und „zu einer Eskalati…
unter dem Vorwand des Brandschutzes“ führen würden.
Auf Bitten des Bezirks hatte der Bewohner*innenverein Freunde der
Kadterschmiede ein eigenes Gutachten zum organisatorischen Brandschutz in
Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der Begehung vom 5. November 2020 sind
deutlich weniger dramatisch, wenngleich die bauliche Situation dabei keine
Rolle spielt. Bemängelt werden etwa fehlende oder veraltete Feuerlöscher
und Rauchmelder, beschädigte Brandschutz- und Wohnungstüren sowie brennbare
Gegenstände im Treppenhaus. Auch in einer Fotomappe der zuständigen
Polizeidirektion 5 sind Mängel zusammengetragen: Aufgeführt sind
Eingangstore, Brandlasten, zugemauerte Wohnungstüren und Falltüren, alles
Mängel, die behoben werden können.
Dennoch ist das Szenario eines tage- oder wochenlangen konfliktreichen
Einsatzes, in dem Mängel baulich behoben werden sollen, kein
unrealistisches. Die Bewohner*innen kündigen wie eh und je Widerstand
an: „Sollten unsere Gegner wirklich so verrückt sein, eine Räumung auf
Raten zu beginnen, dann sollen sie sich, wie schon gesagt, an unseren
Trümmern verschlucken. Jeder Vorstoß in der Rigaer94 muss ein Risiko
bedeuten.“
18 Feb 2021
## LINKS
[1] /Rigaer94/!t5320642
[2] /Gerichtsentscheidungen-zur-Rigaer-94/!5751766
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
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