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# taz.de -- Wohnungsmarkt in Berlin: Gewerbe bedroht, Wohnen stabil
> Corona hat vor allem Auswirkungen auf Gewerbe, sagt der Verband der
> Wohnungswirtschaft BBU. Kritik haben die Immobilienkonzerne am
> Mietendeckel.
Bild: 80.000 Wohnungen von BBU-Unternehmen sind von Mietabsenkungen betroffen
Berlin taz | Insbesondere das Gewerbe ist von der Pandemie betroffen. 2
Prozent von Berlins Gewerbeeinheiten hätten beantragt, Mieten zu stunden,
in Brandenburg seien es sogar 5,5 Prozent. Das geht aus dem am Donnerstag
vorgestellten Marktmonitor 2020 des Verbands Berlin-Brandenburgischer
Wohnungsunternehmer (BBU) hervor. Die Analyse basiert auf einer Million
Mietverträge für Gewerbe und Wohnen in Berlin und Brandenburg. „Hinter den
Zahlen verbergen sich berufliche und persönliche Existenzen“, sagte
BBU-Vorständin Maren Kern, „das macht uns vor allem in berlinferneren
Städten Sorgen.“ Dort könnten die Innenstädte veröden, so ihre Befüchtun…
Im Wohnungsmarkt sei die Pandemie hingegen nicht so deutlich zu spüren.
Auch weil die staatlichen Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld nach Kerns
Einschätzung gegriffen hätten, lag die Stundungsquote deutlich niedriger:
So kam es im April 2020 in nur 0,34 Prozent der Berliner
BBU-Mietverhältnisse zu Stundungen, mit rückläufiger Tendenz. Im Januar
2021 lag der Wert gar nur im Promillebereich – lediglich 0,03 Prozent
hätten die Miete gestundet. Neben Stundungen hätten Vermieter sich
verpflichtet, auf Räumungen während der Lockdowns zu verzichten.
Der [1][Verband] spricht sowohl für kommunale Wohnungsunternehmen und
Genossenschaften als auch für private Aktiengesellschaften wie die Deutsche
Wohnen oder Vonovia. Rund 44 Prozent der 1,97 Millionen Berliner
Mietwohnungen werden von BBU-Mitgliedern vermietet.
Über die Auswirkungen des Mietendeckels sprach Kern, bekannt als Kritikerin
der rot-rot-grünen Wohnungspolitik, natürlich auch. Schon der
Präsentationstitel des Marktmonitors verhieß Wut auf Regulation: „Endlich
Vorfahrt für Fakten“, stand da – mit Blick auf [2][Mietendeckel] und
[3][Enteignungsdebatte].
## Verluste von 900 Millionen?
Was dann allerdings neben der Präsentation der Wohnungsmarktzahlen für 2019
tatsächlich an Fakten zum Mietendeckel kam, war eher mau: Lediglich eine
Befragung der Mitglieder zu den Auswirkungen des Mietenstopps wurden
präsentiert. Demnach rechneten die Mitgliedsunternehmen für fünf Jahre
Deckel mit Einnahmeverlusten von 900 Millionen Euro. Daraus ergäben sich
Investitionsverluste für Modernisierung, Instandhaltung und Neubau von 4,5
Milliarden Euro.
90 Prozent der befragten BBU-Mitglieder beklagten ein verschlechtertes
Investitionsklima in Berlin. Trotz fehlender belastbarer Zahlen zu den
Auswirkungen des Deckels auf die tatsächlichen Miethöhen 2020 versuchte
Kern die Aussagen zu unterstreichen: „Das sind nicht nur
Meinungsäußerungen, sondern Antworten aus der Vermieterpraxis und damit
fundierte Einschätzungen.“
Auf weitere Rückfragen hieß es immerhin etwas konkreter, dass 12,4 Prozent
der Wohnungen von BBU-Unternehmen von Mietabsenkungen durch den Deckel
betroffen seien. Demnach wurden in 88.000 Wohnungen die Mieten gesenkt, wie
BBU-Sprecher Eberhart auf taz-Rückfrage sagte – im Schnitt mit 50 Euro pro
Monat.
Investitionseinschränkungen beträfen laut BBU dabei weniger
Instandhaltungen als eher Modernisierungen bei Mieterwechseln und
allgemeinen Modernisierungsinvestitionen sowie energetische Sanierungen.
Zumindest für den letzten Punkt hatte die Wirtschaftsverwaltung von Ramona
Pop (Grüne) schon länger ein Förderpaket versprochen, das allerdings noch
immer auf sich warten ließe, wie Kern kritisierte.
## 19.000 Wohnungen gebaut
In den vorliegenden Zahlen zum Wohnungsneubau von 2019 ließen sich negative
Entwicklungen allerdings noch nicht ablesen – auch wenn Mieterhöhungen mit
Beschluss des Mietendeckels bereits ab Juni 2019 untersagt waren. Dem
Neubau hat dies offenbar nicht geschadet: Berlin hat 2019 mit 19.000
Wohnungen noch einmal 2.000 Wohnungen mehr gebaut als im Vorjahr. Der BBU
gab weiter einen Bedarf von 20.000 Wohnungen jährlich an, die der
rot-rot-grüne Senat offiziell ebenfalls anstrebt.
Dass jedoch der ohnehin vom Mietendeckel ausgenommene Neubau allein nicht
die Lösung der Berliner Wohnungskrise sein kann, verriet hingegen die
Diskrepanz der Miethöhe bei erstmaligen Vermietungen im Neubau: So lag
diese 2019 unverändert hoch bei 10,58 Euro pro Quadratmeter und damit
deutlich über den BBU-Bestandsmieten von 6,29 Euro und den
Neuvertragsmieten von 7,95 Euro. Insgesamt sind die Bestandsmieten laut BBU
2019 um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Die seit Jahren anhaltenden Mietsteigerungen dürften sich wegen des
Mietendeckels für 2020 umkehren, auch wenn dazu vom BBU noch keine Zahlen
vorliegen. Das Portal Immowelt prognostizierte für 2021 um 5 Prozent
fallende Mieten, nachdem sie laut dem Portal 2020 bereits um 8 Prozent
gesunken seien.
Rainer Wild vom Mieterverein sieht die Entwicklung Mieter:innen
entsprechend positiv. Er sagte [4][der taz vergangene Woche], dass der
Deckel die Renditen der Wohnungswirtschaft zwar begrenze, aber: „Wir dürfen
nicht vergessen, dass in den letzten zehn Jahren die Immobilienvermögen
auch durch die Mieterhöhungen massiv angestiegen sind.“
Ob der [5][Mietendeckel rechtlich Bestand] hat, ist weiter offen. Derzeit
klagen nicht nur CDU und FDP gegen den Mietendeckel, sondern auch [6][vier
Genossenschaften]. Das Bundesverfassungsgericht soll noch vor den
Abgeordnetenhauswahlen im September 2021 über die Zulässigkeit entscheiden.
4 Feb 2021
## LINKS
[1] https://bbu.de/verband/mitgliedsunternehmen
[2] /Mietendeckel/!t5567229
[3] /Enteignungs-Volksbegehren/!5743994
[4] /Bilanz-des-Mietendeckels-in-Berlin/!5747844
[5] /Rechtsstreit-um-Mietendeckel/!5747900
[6] https://www.spiegel.de/wirtschaft/mietendeckel-berliner-wohnungsbaugenossen…
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Wohnungsmarkt
Mietendeckel
Wohnungspolitik
Brandenburg
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Mietendeckel
Verfassungsgericht
R2G Berlin
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