# taz.de -- Rassistische Gewalt in Berlin: Rechter Tatort Neukölln | |
> Eine Karte von Aktivist:innen zeigt alle rassistischen Vorfälle in | |
> Neukölln seit 2016. 531-mal wurde geprügelt, beleidigt und zerstört. | |
Bild: Seit 2016 zählte die Polizei allein auf der Sonnenallee 20 rechte Straft… | |
BERLIN taz | Im Szenebezirk Neukölln ist rechte Gewalt alltäglich. Das | |
zeigt eine von linken Aktivist:innen [1][erstellte Karte], die | |
sämtliche von der Polizei erfassten Fälle politisch motivierter | |
Kriminalität von Rechten seit 2016 erfasst und abbildet. Die offizielle | |
Datensammlung spiegelt dabei nicht nur die [2][seit Jahren grassierende | |
rechtsextreme Anschlagsserie] mit Fokus auf Südneukölln wider, sondern | |
zeigt, dass auch in den nördlichen Szenekiezen rechte Gewalt häufig | |
vorkommt. Insgesamt sind auf der Karte 531 Fälle seit 2016 eingezeichnet. | |
Die Onlinekarte versammelt systematisch Fälle aus der Eingangsstatistik der | |
Polizei, nebst Ort und Zeitpunkt der Vorfälle. Punkte bilden diese ab. Wenn | |
man einen der praktisch überall vorhandenen Punkte anklickt, wird das Datum | |
und Zeit des rechten Vorfalls angezeigt – ebenso mit einer kurzen | |
Beschreibung, was laut Eingangsstatistik der Polizei passiert sein soll. | |
Die Polizei zählt laut der Website alle zwei bis drei Tage einen Vorfall. | |
Am häufigsten ist die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, gefolgt | |
von Beleidigungen, Sachbeschädigungen, Volksverhetzungen und schließlich | |
Gewaltdelikten wie Körperverletzungen und Brandstiftung. | |
Moritz Valentino, der mit vier weiteren Personen an der Karte gearbeitet | |
hat, sagt, dass das Dunkelfeld noch deutlich größer sein dürfte: „Die | |
eingezeichneten Fälle sind nur diejenigen, die die Polizei auch als | |
politisch rechtsmotiviert anerkennt. Viele Geschädigte gehen aber gar nicht | |
erst zur Polizei, wenn sie rassistisch angegriffen oder beleidigt werden.“ | |
## Nur das Dunkelfeld | |
Nicht zuletzt im Neukölln-Komplex habe sich zudem gezeigt, dass die Polizei | |
Fälle nicht richtig einordne, berichtet Valentino. „Nach dem Mord an Luke | |
Holland wurden beim Täter Nazidevotionalien gefunden; er soll vor der Tat | |
gesagt haben, dass ihm hier zu viel englisch geredet werde. Der Mord wurde | |
aber nicht als rechtsextreme Tat eingestuft.“ Die Datenbasis für die Karte | |
waren laut Moritz Valentino vor allem Antworten auf systematische Anfragen | |
der Linksfraktion. | |
Mit der Visualisierung wollten Valentino und seine Mitstreiter:innen | |
darauf aufmerksam machen, dass es über die Gewalt im Neukölln-Komplex | |
hinaus die alltägliche und spontane rassistische Gewalt überall in Neukölln | |
gebe. Am Samstag gehe neben der Karte auch ein Twitter-Account online, der | |
am Jahrestag von Vorfällen „wie ein digitaler Spolperstein“ auf diese | |
aufmerksam macht. | |
Geplant sei, die Karte zu aktualisieren und sie auf ganz Berlin | |
auszuweiten. Hervorgehoben sind zudem 11 rechte Vorfälle, die sich seit | |
August 2019 innerhalb der Berliner Polizei abgespielt haben. „Nicht zuletzt | |
wegen der Unregelmäßigkeiten innerhalb staatlicher Institutionen brauchen | |
wir zur Aufklärung der Anschlagsserie einen Untersuchungsausschuss“, | |
fordert Valentino. | |
Ähnliches forderte auch die Linke angesichts der sich am Montag jährenden | |
mutmaßlich rechtsextremen Anschläge auf den linken Kommunalpolitiker Ferat | |
Kocak und den Besitzer der Neuköllner Buchhandlung Leporello am 1. Februar | |
vor drei Jahren. Die Landesvorsitzende der Linken, Katina Schubert, sagte | |
dazu: „Es ist ein absoluter Skandal, dass für diese Anschläge bis heute | |
niemand gefasst und verurteilt wurde. Die Tatsache, dass ein mutmaßlicher | |
Täter wieder frei herumläuft, ist ein zusätzlicher Schlag für die Opfer und | |
Betroffenen.“ | |
Die beiden Hauptverdächtigen Sebastian T. und Tilo P. wurden kurz vor | |
Weihnachten 2020 festgenommen. Nachdem P. sofort wieder freigelassen wurde, | |
saß T. bis vergangene Woche in Untersuchungshaft. | |
Die Opfer fühlten sich angesichts der nicht aufgeklärten Anschlagsserie im | |
Stich gelassen und müssten weiter in Angst leben, wie Schubert sagte. Es | |
müsse endlich zu einer Anklage kommen. Zudem bedürfe es so schnell wie | |
möglich eines Untersuchungsausschusses, der die fragwürdige Rolle der | |
Behörden in der Serie beleuchtete. | |
30 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://acoabo.shinyapps.io/rechte_gewalt_neukoelln/ | |
[2] /Rechter-Terror-in-Berlin-Neukoelln/!t5612550 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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