Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neuköllner Anschlagsserie: Alle Fragen offen
> Zwei Hauptverdächtige wurden im Zusammenhang mit der Anschlagsserie in
> Berlin festgenommen. Einer der beiden bleibt in U-Haft.
Bild: Nach rechtsextremer Angriffsserie: Linken-Politiker Ferat Kocak (m.) bei …
Berlin taz | Die Nachricht klingt nach einem Durchbruch. Freude darüber,
dass die Brandanschläge nun aufgeklärt sind, wäre aber verfrüht. Die
Polizei hat am Mittwochmorgen Haftbefehle gegen zwei Tatverdächtige im
Zusammenhang mit der [1][rechtsextremistischen Anschlagsserie in
Berlin-Neukölln] vollstreckt. Nach Informationen der taz handelt es sich
bei den Festgenommenen um den Neonazi Sebastian T. und Tilo P., einst im
AfD-Kreisverband Neukölln aktiv. Beide wurden am Mittwoch einem Haftrichter
vorgeführt. Der ordnete Untersuchungshaft für T. an, für P.
Haftverschonung. Aber der Richter hat nach Informationen der taz dringenden
Tatverdacht bejaht.
T. und P. sind schon lange im Fadenkreuz der Ermittler, die Indizien hatten
bislang aber nicht zur Beantragung von Haftbefehlen ausgereicht. Der
Anschlagsserie werden seit 2016 über 70 Taten zugeordnet, darunter 14
Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Drohungen und auch der Diebstahl von
Stolpersteinen. Zielgruppe der Anschläge sind vor allem Menschen, die sich
gegen Rechtsextremismus engagieren.
Kaum ein Ermittlungsvorgang ist durch so viele Hände gegangen und so oft
überprüft worden wie der Neukölln-Komplex. Eine eigens beim Staatsschutz
[2][eingesetzte Sonderermittlungsgruppe], BAO Fokus genannt, hatte die
Akten eineinhalb Jahre auf Schwachstellen untersucht. In dem
Abschlussbericht der Fokus, der im September vorgestellt wurde, war von
diversen Versäumnissen bei den Ermittlungen die Rede. Zum Beispiel, dass
von den Ermittlern vorhandene Informationen nicht vor dem Brandanschlag auf
das Auto des Linkenpolitikers Ferat Kocak zusammengeführt worden seien.
Aber einen Durchbruch im Sinne von neuen Erkenntnissen hatte die BAO Fokus
nicht geliefert. Auch die beiden unabhängigen Sonderermittler, die der
Innensenator vor ein paar Wochen mit der Untersuchung des
Neukölln-Komplexes betraut hat, blieben bislang stumm.
Es war die Generalstaatsanwaltschaft, die jetzt für die Wende gesorgt hat.
Nach einem Eklat um eine mögliche Befangenheit von zwei mit dem Komplex
befassten Ermittlern hatte [3][Generalstaatsanwältin Margarete Koppers] den
Vorgang im August 2020 an sich gezogen. Die für Terrorismus zuständige
Abteilung hatte in den letzten Tagen beim Gericht den Erlass der
Haftbefehle beantragt und durchgesetzt. Allein das ist ein gewisser Erfolg.
Grundlegend neu sind die Erkenntnisse indes nicht. Nach Informationen der
taz hat die Generalstaatsanwaltschaft ihren Antrag auf Erlass der
Haftbefehle gegen T. und P. auf ein Konglomerat von Straftaten gestützt:
Nazischmierereien, Sozialhilfebetrug und Coronasubventionsbetrug gehören
genauso dazu wie schwere Brandstiftung in zwei Fällen. Letztere stehen bei
der Auflistung der Vorwürfe allerdings im Mittelpunkt.
Am 1. Februar 2018 gingen in Neukölln zwei Autos in Flammen auf: Das eine
gehörte Kocak, das andere einem Buchhändler. Dem Vernehmen nach ist der
Stand bei den Brandstiftungen der: Die Fahnder der Terrorabteilung haben
keine direkten Beweise für eine Tatbeteiligung von T. und P. gefunden, aber
eine Reihe von Indizien, die für eine Täterschaft sprächen. Die Frage ist,
ob das für eine Anklageerhebung und eine Verurteilung reicht.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner bezeichnete die Festnahme
am Mittwoch als „Genugtuung“. [4][Anders Ferat Kocak]. Auf Twitter schrieb
er: „Während sich alle freuen, dass die Täter in Haft sind, habe ich Angst.
Angst, dass sie wieder freikommen. Angst, dass es zu einem Racheakt kommt.“
Wenn es Beweise zur Festnahme gab, warum hat das so lange gedauert, fragte
Kocak. Seit 11 Jahren terrorisierten diese Neonazis nun schon die
Neuköllner.
23 Dec 2020
## LINKS
[1] /Rechte-Terrorserie-in-Neukoelln/!5722614
[2] /Sonderkommission-in-Berlin-ernannt/!5719004
[3] /Rechte-Anschlagsserie-in-Berlin-Neukoelln/!5708695
[4] /Opfer-von-rechtem-Terror-in-Neukoelln/!5700339
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Neukölln
Ferat Koçak
Generalstaatsanwaltschaft
Opfer rechter Gewalt
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Brandstiftung
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Polizei Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rassistische Gewalt in Berlin: Rechter Tatort Neukölln
Eine Karte von Aktivist:innen zeigt alle rassistischen Vorfälle in
Neukölln seit 2016. 531-mal wurde geprügelt, beleidigt und zerstört.
Rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln: Neonazi kommt frei
Sebastian T., Verdächtiger der Neuköllner Anschlagsserie, wird aus der
U-Haft entlassen. Die Opfer der Anschläge sind bestürzt.
Politische Brandstiftung vor Gericht: Kein politisches Motiv erkannt
Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilt Joachim S. zu mehrjähriger
Haft. Dessen Bezüge zu rechten Gruppen klammerte es aus.
Rechte Terrorserie in Neukölln: Aufklärung gefordert
Vor einem Jahr forderten die Opfer im Neukölln-Komplex mit 25.000
Unterschriften einen Untersuchungsausschuss. Ihr Anliegen ist aktueller
denn je.
Sonderkommission in Berlin ernannt: Auf ein Neues
Sonderkommission zu Anschlägen in Neukölln berufen. Eine frühere
Polizeipräsidentin und der Chefankläger des NSU Verfahrens sollen es
richten.
Opfer von rechtem Terror in Neukölln: „Angst ist noch größer geworden“
„Fassungslos“ ist Ferat Kocak angesichts der Versetzung zweier befangener
Staatsanwälte. Sie haben wohl die Ermittlungen aktiv behindert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.