# taz.de -- NRW-Bilanz von Armin Laschet: Der Blender | |
> Armin Laschet gilt als der ideale Partner für die Grünen. Wer sich seine | |
> NRW-Politik ansieht, bekommt einen anderen Eindruck. Sechs Beispiele. | |
Bild: Armin Laschet bei einer ICE-Taufe im Februar 2020 – wie fortschrittlich… | |
Autobahnen statt Fahrradstraßen: | |
Armin Laschet und sein Verkehrsminister Hendrik Wüst wissen um die Macht | |
schöner Bilder – und taufen deshalb gern Schnellzüge. Ein „[1][richtig | |
geiles Gerät]“ sei der ICE, sagte Wüst bei einer ebenjener Taufen im | |
Oktober 2020. Wüst wird als möglicher Nachfolger Laschets als | |
Ministerpräsident gehandelt. | |
Tatsächlich ließ der Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla 2020 satte | |
1,5 Milliarden Euro für das marode NRW-Schienennetz springen – doch die | |
stammen nicht aus Laschets NRW-Haushalt, sondern aus dem Klimapaket der | |
Bundesregierung. | |
Geld aus NRW fließt eher in den Straßenverkehr, der für rund ein Fünftel | |
aller Kohlendioxid-Emission der Bundesrepublik verantwortlich ist: Für 1,65 | |
Milliarden Euro wurden 2020 Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen gebaut – | |
eine Steigerung von 30 Prozent seit 2017, als Laschet die Landesregierung | |
von Rot-Grün übernahm. | |
Für das Fahrrad gibt es dagegen nur Peanuts: Gerade einmal 54 Millionen | |
Euro sind 2021 für den Bau von Radwegen vorgesehen. Selbst Prestigeprojekte | |
wie Deutschlands erster Radschnellweg, der RS 1 von Duisburg nach Dortmund, | |
kommen deshalb nicht voran. Das angekündigte Radschnellwege-Netz bleibt ein | |
schöner Traum. „Kein Autofahrer würde es akzeptieren, wenn Autobahnen in | |
dem Tempo gebaut oder repariert würden“, [2][klagt Thomas Semmelmann, | |
Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC.] „Wer Straßen | |
sät, wird Staus ernten“, warnt auch Arndt Klocke, verkehrspolitischer | |
Sprecher der Grünen im Düsseldorfer Landtag. | |
Clan-Kriminalität – nur außerhalb der Polizei: | |
Kein Kabinettskollege ist für Armin Laschet wichtiger als Innenminister | |
Herbert Reul: Der gelernte Lehrer und langjährige Europaabgeordnete soll | |
die rechte Flanke der CDU abdecken und die AfD kleinhalten. Im | |
Landtagswahlkampf 2017 hat Laschet mit einer Null-Toleranz-Politik | |
gegenüber Kriminellen gepunktet – und die rot-grüne Vorgängerregierung der | |
ehemaligen SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft etwa für hohe | |
Einbruchszahlen verantwortlich gemacht. [3][Tatsächlich konnten die massiv | |
gesenkt werden.] Grund dafür ist aber auch Corona: Im März und April 2020 | |
sank die Zahl der aufgebrochenen Wohnungen im Vergleich zu 2019 um fast 40 | |
Prozent. Wenn alle zu Hause sitzen, sind Éinbrüche auch einfach zu riskant. | |
Rücksichtslos präsentiert sich der eigentlich als liberal geltende Reul in | |
der Integrationspolitik: Der 68-Jährige hat den Begriff „Clankriminalität“ | |
erfunden – und zielt damit auf Familien mit Migrationshintergrund, bei | |
denen es verbreitet sei, das Gewaltmonopol des Staates in Frage zu stellen. | |
Damit bedient Reul natürlich das unter Rechten und Rechtsextremen | |
verbreitete Klischee des „kriminellen Ausländers“ – [4][doch das scheint | |
ihm ebenso egal zu sein wie Laschet, der einmal der erste | |
Integrationsminister Deutschlands war]. | |
Bei der Polizei ignorierte Reul Kriminalität dagegen lange – und war umso | |
überraschter, als im September rechtsextreme Beamte aus Essen für einen | |
Skandal sorgten: In ihren Chatgruppen fanden sich Hakenkreuze, | |
Hitlerbilder, Darstellungen eines Geflüchteten in einer Gaskammer. | |
Reul sprach von „widerwärtigster Hetze“ – und versprach im typischen | |
Hardliner-Stil schonungslose Aufklärung. Mit dem Vorwurf, rechtsextreme | |
Tendenzen in der eigenen Polizei unterschätzt zu haben, werden Reul und | |
sein Ministerpräsident Laschet trotzdem leben müssen – nicht ohne Grund | |
fordern prominente Grüne wie [5][Cem Özdemir schon heute: In einer | |
schwarz-grünen Bundesregierung muss das Innenministerium an die Grünen] | |
gehen. | |
Wildschweine, Füchse, Enten? Feuer frei! | |
Laschets Kabinett hat in Rekordzeit das tierfreundliche Jagdgesetz des | |
ehemaligen grünen Umweltministers Johannes Remmel entschärft: Wildschweine | |
dürfen damit wieder ganzjährig und Füchse auch in ihren Bauen gejagt | |
werden. Die Jagdzeit auf Rabenkrähen wurde verlängert, der Vollschutz der | |
Wildschnepfe beendet. Zur Hundeausbildung dürfen Enten flugunfähig gemacht | |
werden, damit sie nicht fliehen können. Eine „besondere Schießfähigkeit“ | |
müssen Jäger:innen nicht mehr besitzen – es reicht ein | |
„Schießübungsnachweis“. Entsprechend hart war das Urteil der Opposition v… | |
SPD und Grünen: Ein „tierschutzpolitischem Armutszeugnis“, ein „Kniefall | |
vor der Jäger-Lobby“ sei das schwarz-gelbe Gesetz, [6][erklärte der | |
Umweltexperte der grünen Landtagsfraktion, Norwich Rüße]. | |
Der Bergmannssohn mag Kohle: | |
Mit massiver Polizeigewalt ließ Laschets CDU-Innenminister Herbert Reul | |
2018 den Hambacher Wald räumen. Als Vorwand dafür diente der fehlende | |
Brandschutz in den Baumhäusern der Klimaschützer:innen. Die protestierten | |
mit der Waldbesetzung gegen den 85 Quadratkilometer großen Tagebau Hambach, | |
in dem der Essener RWE-Konzern jedes Jahr 40 Millionen Tonnen Braunkohle | |
fördert. [7][„Ich wollt’ den Wald räumen“], gab Laschet unumwunden zu. | |
Zwei Jahre und einen „Kohlekompromiss“ später ist Laschet selbst | |
Klimaschützer. Nirgendwo würden so viele Kohlekraftwerke so schnell | |
abgeschaltet, sagte er. Doch dass NRW mit dem rheinischen Revier und dem | |
2018 beendeten Bergbau im Ruhrgebiet das Kohleland Nummer eins | |
Deutschlands war, erwähnt Laschet nicht. Auch dass viele alte | |
Kohlekraftwerke im Vergleich zu alternativen Energieträgern nicht mehr | |
konkurrenzfähig sind und Konzerne wie RWE bei der Bundesnetzagentur | |
Schlange standen, um [8][Abschaltprämien] zu kassieren, ist dem | |
Bergmannssohn keine Rede wert. | |
Im rheinischen Revier soll bis 2038 weiter gebaggert werden. Zwar wird ein | |
Teil des Hambacher Walds erhalten – doch für den 30 Kilometer entfernten | |
Tagebau Garzweiler sollen die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- | |
und Unterwestrich dem Erdboden gleichgemacht werden. | |
[9][Verheizt] wird so die Heimat ihrer Bewohner:innen, zerstört wird eine | |
jahrhundertealte Kulturlandschaft. Die „Devastierung“ der Ortschaft | |
Lützerath läuft gerade. Die Klimaschutzaktivstin [10][Luisa Neubauer von | |
Fridays for Future] kritisiert: „Laschet lässt Dörfer für den Klimakiller | |
Braunkohle zerstören.“ | |
Lieber Wasserstoff als Windräder: | |
Als grünes Feigenblatt hat Laschets FDP-Wirtschafts- und Energieminister | |
Andreas Pinkwart Wasserstoff entdeckt. Ein Viertel der klimaschädlichen | |
CO2-Emissionen Nordrhein-Westfalens könnten damit eingespart werden, | |
erklärte er bei der Vorstellung einer Wasserstoff-Roadmap im November. | |
130.000 neue Arbeitsplätze könnten so entstehen, hofft Pinkwart – selbst | |
Stahlproduzenten wie Thyssenkrupp, die bisher von Kohle abhängig waren, | |
setzen auf [11][Wasserstoff.] | |
Doch dass der zu 90 Prozent importiert werden müsste, weiß Pinkwart. Unklar | |
ist außerdem, ob jemals genug erneuerbare Energie vorhanden sein wird, um | |
ausreichend klimaneutralen „grünen“ Wasserstoff zu produzieren – oder ob | |
der durch Verbrennung von Erdgas oder gar aus Atomstrom hergestellt werden | |
soll. | |
Fatal ist deshalb die Blockade der Windkraft, die CDU und FDP seit | |
Jahrzehnten zelebrieren. Neue Windräder werden in NRW künftig nur noch dann | |
genehmigt, [12][wenn selbst zersplitterte Kleinstsiedlungen mindestens | |
1.000 Meter entfernt sind] – zuvor galt sogar ein Mindestabstand von 1.500 | |
Metern. Die Zahl der für die Windkraft nutzbaren Neubau-Standorte sinkt | |
damit massiv. | |
„Blanker Zynismus“ sei das, kritisiert die energiepolitische Sprecherin | |
der Grünen im Landtag, Wibke Brems. Mit dem im Dezember vorgestellten | |
neuen Klimaschutzgesetz werde NRW die Pariser Klimaziele lange nicht | |
einhalten können, sagt die Grüne. Der Entwurf von Laschets Landesregierung | |
sei „[13][überholt, unzureichend und ambitionslos“.] | |
Lieber Beton als Bäume: | |
18 Fußballfelder werden in NRW jeden Tag zubetoniert, viele Tier- und | |
Pflanzenarten sind bedroht. Die Umweltverbände BUND, Nabu und LNU halten | |
mit einer „[14][Volksinitiative Artenschutz]“ dagegen, fordern ein Ende des | |
Flächenfraßes, mehr Schutzgebiete, naturnahe Wälder, weniger Dünger und | |
Pestizide in der Landwirtschaft. | |
Eine Umsetzung aber ist nicht in Sicht: Immer, „wenn es weh tut“, tauche | |
CDU-Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser ab, klagte der | |
BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht schon Ende 2019 [15][bei der | |
Vorstellung seiner Halbzeitbilanz der Regierung Laschet.] | |
23 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bahn-duesseldorf-richtig-geiles-gera… | |
[2] https://www.adfc-nrw.de/aktuelles/aktuelles/article/15-millionen-euro-extra… | |
[3] https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/kriminalitaet-nordrhein-westfalen-… | |
[4] /Rechtsextremismus-bei-der-Polizei/!5710027 | |
[5] /Cem-Oezdemir-ueber-Schwarz-Gruen/!5741784 | |
[6] https://gruene-fraktion-nrw.de/presse/ruesse-jagdgesetz-novelle-ist-ein-mas… | |
[7] /Aktuelle-Stunde-zum-Hambacher-Forst/!5624746 | |
[8] /Weniger-Entschaedigungen-als-gedacht/!5728935 | |
[9] /Zerstoerung-durch-Braunkohleabbau/!5735725 | |
[10] https://twitter.com/Luisamneubauer/status/1351126090111209476 | |
[11] /Angeschlagener-Konzern-Thyssenkrupp/!5729939 | |
[12] https://www.solarserver.de/2020/12/23/windenergie-abstand-nrw-macht-ernst-… | |
[13] https://gruene-fraktion-nrw.de/presse/brems-schwarz-gelber-entwurf-fuer-ei… | |
[14] https://artenvielfalt-nrw.de/ | |
[15] https://www.bund-nrw.de/presse/detail/news/bund-bilanz-zur-halbzeit-der-le… | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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