# taz.de -- Fahrradgesetz in Nordrhein-Westfalen: Schwarz, gelb, mutlos | |
> Die Regierung Laschet legt in NRW das erste Fahrradgesetz in einem | |
> Flächenland überhaupt vor. Umwelt- und Verkehrsverbände sind enttäuscht. | |
Bild: Protest gegen die Klima- und Verkehrpolitik auf der Bundesstraße 51 bei … | |
BOCHUM/DÜSSELDORF taz | Mit Enttäuschung und Kritik haben | |
Fahrrad-Aktivist:innen, Umwelt- und Verkehrsverbände auf das [1][„Fahrrad- | |
und Nahmobilitätsgesetz“] reagiert, das Nordrhein-Westfalens | |
CDU-Landesverkehrsminister Hendrik Wüst dem Düsseldorfer Landtag am Freitag | |
zur ersten Lesung vorgelegt hat. „Unsere Kernforderung, den Fahrradanteil | |
am Gesamtverkehr bis 2025 auf 25 Prozent zu steigern, wird überhaupt nicht | |
erwähnt“, sagte Harald Schuster, Vorstand der Initiative Kölner Forums | |
Radverkehr (Radkomm), der taz. | |
Wüsts Entwurf lasse „die Kernfrage“ klimafreundlicher Verkehrspolitik | |
offen“, [2][kritisiert auch der Co-Landesvorsitzende des Allgemeinen | |
Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC)], Axel Fell: „Wie soll der vorhandene Platz | |
in den Städten, der bislang für das Auto reserviert ist, neu aufgeteilt | |
werden?“ Auch dazu finde sich „im Gesetzentwurf kein Wort“. | |
Dabei sollte der Aufschlag des Verkehrsministers, der in | |
Nordrhein-Westfalen als aussichtsreichster Nachfolger von | |
CDU-Ministerpräsident und Kanzlerkandidat Armin Laschet gehandelt wird, ein | |
Signal in Richtung Umwelt- und Klimabewegung aussenden: Auslöser war die | |
erfolgreiche Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“, mit der ein breites | |
Bündnis aus ADFC, Radkomm, aber auch Umwelt- und Verkehrsverbänden wie | |
BUND, Nabu, Robin Wood und VCD im Jahr 2019 fast 210.000 Unterschriften | |
vorgelegt hat. | |
Zur Erhöhung des Radverkehrsanteils von 8 auf 25 Prozent gefordert werden | |
darin etwa der Bau von 1.000 Kilometern Radschnellwegen bis 2025 – und | |
zusätzlich 300 Kilometern überregionalen Radwegen pro Jahr. In den Städten | |
sollen schnell mehr Fahrradstraßen, Rad-Parkplätze und-Stationen | |
eingerichtet und der Einsatz von Lastenrädern gefördert werden. Und im | |
Nahverkehr soll die Radmitnahme endlich kostenlos sein. | |
## AfD enthielt sich | |
Angesichts hunderttausender Unterschriften und zur Verhinderung eines | |
Volksbegehrens, dass den Landtag zur Verabschiedung eines Fahrradgesetzes | |
aufgefordert hätte, setzten sich die NRW-Regierungsfraktionen von CDU und | |
FDP zusammen mit der SPD dann selbst an die Spitze der Bewegung – und | |
beauftragten Minister Wüst im Dezember 2019 selbst mit der Erarbeitung | |
eines Entwurfs für das erste Fahrradgesetz in einem Flächen-Bundesland | |
überhaupt. Die Grünen, die einen eigenen, weitergehenden Antrag vorgelegt | |
hatten, stimmten dagegen. Die rechtspopulistische AfD enthielt sich. | |
CDU-Hoffnungsträger Wüst sparte am Freitag im Landtag prompt nicht an | |
Eigenlob. Sein Entwurf mache das Fahrrad auch für Pendler:innen zu einer | |
„echten Alternative“, sagte der Verkehrsminister. Genau das aber bezweifeln | |
Radaktivist:innen: „Kurzfristig wirkende Maßnahmen wie schnell zu | |
errichtende Pop-up-Radwege sind nicht vorgesehen. Es soll nicht einmal | |
untersucht werden, wie schnell der Radverkehr wächst“, kritisiert | |
Radkomm-Vorstand Schuster. | |
„Mit dem vorliegenden Entwurf wird es nicht möglich sein, den Radverkehr | |
von aktuell rund zehn auf 25 Prozent mehr als zu verdoppeln“, bilanzieren | |
auch auch die beiden Co-Landesvorsitzenden des ADFC, Annette Quaedvlieg und | |
Axel Fell. Wüst Gesetz sei „mutlos“, vermittle keinerlei | |
„Aufbruchsstimmung“. | |
## „Klimabilanz des Verkehrssektors ist erschreckend“ | |
Für mehr Klimaschutz wäre die aber überfällig: „Die Klimabilanz des | |
deutschen Verkehrssektors ist erschreckend“, sagt Dirk Jansen, | |
Geschäftsleiter des Umweltverbands BUND in NRW. Corona-bereinigt sei die | |
Klimalast des Verkehrs seit 1990 nur um 0,8 Prozent gesunken – Ziel bis | |
2030 sei aber ein Minus von 42 Prozent. Trotz Corona habe der Sektor im | |
vergangenen Jahr 146 Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 ausgestoßen – | |
schon in neun Jahren sollen es nur noch 85 Millionen Tonnen sein. | |
„Ein Fahrradgesetz macht noch keine Mobilitätswende“, sagt Jansen deshalb. | |
Nicht nur mit Blick auf das [3][Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts] | |
müsse die „autofreundliche Politik ein Ende habe“, müsse Minister Wüst m… | |
Geld und Personal zugunsten von Radfahrern und Fußgängern umschichten. | |
Festgeschrieben aber werde ein krasses Missverhältnis: Bezahlt vom Bund | |
sollen bis 2030 allein in NRW mehr als 13,6 Milliarden Euro in Autobahnen | |
und Bundesstraßen investiert werden, rechnet Jansen vor. Im Landeshaushalt | |
sind in diesem Jahr dagegen gerade einmal 54 Millionen Euro für den | |
Radverkehr vorgesehen. | |
Kritik an Wüsts Entwurf kommt deshalb auch von SPD und Grünen. „Vage und | |
halbherzig“ sei der Aufschlag des Christdemokraten, sagt der | |
verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Arndt Klocke. „Klare Vorgabe“ | |
fehlten nicht nur für den „dringend notwendigen Bau von Abstellanlagen, | |
Radstationen und E-Ladestationen“. Am kommenden Freitag wollen die Grünen | |
einen eigenen, weitergehenden Gesetzesentwurf vorstellen. | |
Auch Fahrrad-Aktivist:innen, Umwelt- und Verkehrsverbünde hoffen bei den | |
jetzt anstehenden Beratungen etwa im Landtags-Verkehrsausschuss auf | |
Nachbesserungen. „Unser Bündnis ‚Aufbruch Fahrrad‘, das hinter der | |
Volksinitiative steht, umfasst mehr als 215 Verbände und Vereine“, sagt | |
Radkomm-Vorstand Schuster. „Wir suchen mit den Abgeordneten aller | |
demokratischen Parteien den Dialog auf Augenhöhe“, sagt der | |
Fahrrad-Aktivist. | |
19 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Volksinitiative-Rad-erfolgreich/!5647324 | |
[2] https://nrw.adfc.de/pressemitteilung/adfc-nrw-zur-1-lesung-fahrrad-und-nahm… | |
[3] /Deutschlands-neues-Klimaschutzgesetz/!5765956 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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