# taz.de -- Bundestag bleibt groß: GroKo setzt Wahlrechtsreform durch | |
> Nach jahrelangem Streit hat der Bundestag eine Reform des Wahlrechts | |
> beschlossen. Untauglich, so die Opposition. Auch Teile der CDU enthielten | |
> sich. | |
Bild: Eine größere Reform inklusive Reduzierung der Wahlkreise – soll es er… | |
BERLIN dpa | Nach jahrelangen ergebnislosen Debatten über eine | |
[1][Verkleinerung des Bundestags] hat die große Koalition gegen den | |
Widerstand der Opposition eine Wahlrechtsreform durchgesetzt. FDP, Linke | |
und Grüne lehnten den Entwurf von CDU/CSU und SPD am Donnerstag strikt ab, | |
weil er aus ihrer Sicht völlig untauglich ist, um die angestrebte | |
Verkleinerung des auf 709 Abgeordnete angewachsenen Parlaments zu | |
erreichen. Die Koalitionsfraktionen brachen mit ihrem Vorgehen auch mit der | |
Tradition, Änderungen am Wahlrecht möglichst mit breiter Mehrheit zu | |
verabschieden. | |
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und sechs weitere CDU-Abgeordnete | |
versagten dem Gesetzentwurf aus den eigenen Reihen die Zustimmung. Offenbar | |
aus Enttäuschung über die auch von Fachleuten als weitgehend wirkungslos | |
kritisierten Regelungen enthielten sie sich der Stimme. Das zeigt das vom | |
Bundestag veröffentlichte Ergebnis der namentlichen Abstimmung. | |
Zur Wirkung der Reform sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | |
der Grünen, Britta Haßelmann: „Es wird keinen Dämpfungseffekt geben.“ | |
Haßelmann sprach von „Flickschusterei“. Die Koalition sei „kläglich | |
gescheitert“, sagte sie. „Der Entwurf ist objektiv ungeeignet, den | |
Bundestag zu verkleinern. Er wirft verfassungsrechtliche Fragen auf, die | |
völlig ungeklärt sind“, sagte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Der | |
entscheidende Hebel, eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise, fehle | |
zunächst. | |
Dagegen betonte Philipp Amthor von der CDU: „Wir haben ein faires, ein | |
verfassungskonformes Modell gefunden.“ Und: „Wir sehen einer | |
verfassungsrechtlichen Überprüfung entspannt entgegen.“ Der SPD-Abgeordnete | |
Mahmut Özdemir nannte das Gesetz eine „ehrliche Lösung, weil sie den | |
wenigsten Schaden anrichtet, weil sie wirksam ist, weil sie verbindlich | |
ist, weil sie verständlich ist“. | |
## Fachleute kritisieren die GroKo-Reform | |
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen wurde mit 362 Ja- und 281 | |
Nein-Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen. CDU/CSU und SPD haben zusammen | |
398 Sitze im Bundestag. Ein gemeinsamer Gesetzentwurf von FDP, Grünen und | |
Linken fand ebenso keine Mehrheit wie ein AfD-Entwurf. | |
[2][In der Debatte wies der Linken-Politiker Friedrich Straetmanns darauf | |
hin], dass bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags sechs von | |
sieben Fachleuten den Gesetzentwurf zerpflückt hätten. „Der Bundestag wird | |
nach Ihrem Wahlrechtsreförmchen und mit der Zahlengrundlage aller aktuellen | |
Umfragen noch deutlich weiter wachsen, auf über 800 Abgeordnete.“ | |
Albrecht Glaser von der AfD meinte, einen „Totalverriss“ wie in der | |
Anhörung habe er noch nicht gehört. Drei Jahre habe die Koalition jede | |
Reform verhindert. „Und das jetzt zusammengenagelte Stückwerk ist keine | |
Reform.“ | |
FDP, Linke, Grüne und AfD konnten sich auch durch ein am Donnerstag bekannt | |
gewordenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags | |
bestätigt fühlen. Es bescheinigt dem Modell von CDU/CSU und SPD eine nur | |
geringe Wirkung. | |
## Die Normgröße des Parlaments ist weit überschritten | |
Bezogen auf das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wäre damit eine Absenkung | |
der Gesamtsitze auf bis zu 682 Abgeordnete möglich gewesen, heißt es darin. | |
Die Regelungen hätten also „eine Ersparnis von bis zu 27 Abgeordneten | |
gebracht“. Im aktuellen Bundestag sitzen 709 Abgeordnete, die Normgröße des | |
Parlaments beträgt 598 Sitze. | |
Nach dem Koalitionsentwurf soll es bei der Wahl in einem Jahr bei der Zahl | |
von 299 Wahlkreisen bleiben. Überhangmandate einer Partei sollen teilweise | |
mit ihren Listenmandaten verrechnet werden. Und beim Überschreiten der | |
Regelgröße von 598 Sitzen sollen bis zu drei Überhangmandate nicht durch | |
Ausgleichsmandate kompensiert werden. | |
Eine größere Reform – dann auch mit einer Reduzierung der Wahlkreise – so… | |
es [3][nach dem Willen der Koalition erst für die Wahl 2025 geben]. Dazu | |
soll eine Reformkommission aus Wissenschaftlern, Abgeordneten und weiteren | |
Mitgliedern eingesetzt werden, die spätestens bis zum 30. Juni 2023 ein | |
Ergebnis vorlegen soll. | |
9 Oct 2020 | |
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[1] /GroKo-einigt-sich-auf-Wahlrechtsreform/!5704446 | |
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