# taz.de -- Wahlrechtsurteil des Verfassungsgerichts: Eine Übergangslösung au… | |
> Karlsruhe erhält die Grundmandateklausel, die kleinen Parteien nützt. Sie | |
> gibt dem Gesetzgeber aber ansonsten großen Spielraum. | |
Bild: Demnächst weniger Sitze im Bundestag | |
Das [1][Urteil des Bundesverfasssungsgerichts der vergangenen Woche zur | |
Wahlrechtsrefrom] ist klug. Es wird den Streit über das Wahlrecht wohl mehr | |
befrieden, als wir derzeit wissen und spüren. | |
Im ersten Teil des Urteils ging es um den Kern der Reform – die | |
Verkleinerung des Bundestags. Die Ampel hat hierzu Überhang- und | |
Ausgleichsmandate abgeschafft. Jede Partei erhält nur noch so viele Sitze, | |
wie ihr nach den Zweitstimmen zustehen. Gewinnt sie mehr Wahlkreise, so | |
erhalten die prozentual schwächsten Wahlkreisgewinner kein Mandat. Das | |
Bundesverfassungsgericht hat diesen zentralen Teil der Reform ohne | |
Abstriche gebilligt. Der Bundestag habe großen Spielraum bei der Schaffung | |
eines neuen Wahlrechts. Der Gesetzgeber könne auch Neuerungen beschließen, | |
die ein Umdenken der Wähler:innen erfordern. | |
Der impulsive Gefühlspolitiker und CDU-Chef Friedrich Merz hat zwar | |
verkündet, dass die CDU/CSU diesen Teil des Wahlrechts wieder abschaffen | |
wolle, denn jeder Wahlkreis solle einen direkt gewählten Abgeordneten | |
haben. Wie der Bundestag dann verkleinert werden soll, lässt Merz aber | |
offen. Wenn er besonnener wäre, hätte er auf diese Ankündigung verzichtet | |
und sich still über die Reform der Ampel und die Bestätigung durch das | |
Bundesverfassungsgericht gefreut. Denn das eigentliche Problem der CDU ist | |
die CSU, die jahrelang jede Verkleinerung des Bundestags durch ihre | |
Kompromissunfähigkeit torpediert hat. Prognose: Das Wahlrecht wird auch bei | |
einer CDU/CSU-geführten Regierung im Kern nicht geändert. | |
## Unnötige Bosheit ist weg | |
Im zweiten Teil des Urteils hat das Verfassungsgericht zu Recht eine | |
unnötige kleine Bosheit beanstandet. Völlig überraschend hatte die Ampel | |
eine Woche vor Beschluss des Wahlrechts die bewährte Grundmandateklausel | |
gestrichen. Danach konnten auch Parteien, die die Fünfprozenthürde | |
verfehlen, in den Bundestag einziehen, wenn sie drei Direktmandate holen. | |
Diese Streichung gefährdete nur die Oppositionsparteien Linke ([2][die 2021 | |
trotz nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen über die Grundmandateklausel in den | |
Bundestag einzog]) und CSU (die mit 5,2 Prozent der Stimmen fast auch die | |
Klausel benötigt hätte). | |
Man konnte wetten, dass das Bundesverfassungsgericht dieses miese Manöver | |
der Ampel beanstanden wird. Als Übergangslösung gilt nun wieder die | |
Grundmandateklausel. Zwar hat der Bundestag viel Freiheit, andere Modelle | |
zu beschließen, etwa eine Absenkung der Prozenthürde auf drei oder vier | |
Prozent. Doch daran haben die Parteien (inklusive der AfD) kein Interesse, | |
weil sie Sitze an andere Parteien verlieren würden. Da Karlsruhe keine | |
Frist gesetzt hat, wird auch die Übergangslösung wohl noch viele Wahlen | |
gelten. | |
2 Aug 2024 | |
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[1] /Wahlrecht-Urteil-vom-Verfassungsgericht/!6023953 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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