| # taz.de -- Noch mehr Abgeordnete im Parlament: Wird der Bundestag mega? | |
| > Im Plenarsaal dürfte es nach der Wahl eng werden. Die Opposition hat | |
| > frühzeitig davor gewarnt, doch Union und SPD ignorierten das. | |
| Bild: So leer wird es nach der Wahl nicht bleiben: Plenarsaal des Deutschen Bun… | |
| Berlin taz | Mit den Wahlen am Sonntag dürfte der Bundestag nicht nur | |
| seinen Platz als zweitgrößtes Parlament der Welt verteidigen. Der Abstand | |
| zum Primus, dem Nationalen Volkskongress in China, könnte sogar noch | |
| schrumpfen. Viel spricht dafür, dass der Berliner Reichstag so vielen | |
| Abgeordneten wie noch nie einen Platz wird bieten müssen. | |
| Der Bundestag wird nach dem Verhältniswahlrecht mit einer | |
| Mehrheitswahlrechtskomponente gewählt. Eigentlich hat er eine Sollgröße von | |
| 598 Sitzen: In der Theorie steht 299 direkt in ihrem Wahlkreis gewählten | |
| Abgeordneten die gleiche Anzahl an Abgeordneten gegenüber, die über einen | |
| Listenplatz ihrer Partei den Sprung ins Parlament schaffen. Wobei für die | |
| Stärke der Parteien die Zweitstimmen entscheidend sind. | |
| Doch dieses Fifty-fifty-Ideal gab es nur zwischen 1965 und 1976. Vor und | |
| danach gab es stets sogenannte Überhangmandate, weil die eine oder andere | |
| Partei in einem oder mehreren Bundesländern mehr Direktmandate holte als | |
| ihr nach dem Zweitstimmenergebnis an Parlamentssitzen zugestanden hätte. | |
| Bis zur Wahl 2009 wurden Überhangmandate nicht ausgeglichen. Das war prima | |
| mal für die Union, mal für die SPD, mal für beide. Denn dadurch waren die | |
| großen Parteien noch größer im Parlament vertreten. Dann jedoch kippte das | |
| Bundesverfassungsgericht diese Verzerrung des Wähler:innenwillens. Deswegen | |
| werden seit der Bundestagswahl 2013 Überhangmandate für die eine Partei | |
| durch Ausgleichsmandate für die anderen ausbalanciert. Das jedoch birgt die | |
| Gefahr einer starken Vergrößerung des Parlaments. | |
| So kam die Union bei der Wahl 2017 auf ein Zweitstimmenergebnis von 32,9 | |
| Prozent, holte jedoch 77,3 Prozent der Direktmandate, was ihr 43 | |
| Überhangmandate bescherte. Weil die jeweiligen Landesergebnisse | |
| ausschlaggebend sind, gingen drei weitere Überhangmandate an die SPD. Im | |
| Gegenzug gab es insgesamt 65 Ausgleichsmandate: 19 für die SPD, 15 für die | |
| FDP, 11 für die AfD und jeweils 10 für Linkspartei und Grüne. Dadurch zogen | |
| 709 Abgeordnete in den Bundestag ein. Das war Rekord. | |
| ## Ein XXL-Bundestag ist möglich | |
| Dieses Mal könnten es noch mehr werden. In der jetzt ablaufenden | |
| Legislaturperiode stritten sich die Parteien heftig, wie es gelingen kann, | |
| den Trend zu einem immer größeren Parlament zu stoppen und sich dem alten | |
| Fifty-fifty-Ideal wieder anzunähern. Grüne, FDP und Linkspartei schlugen | |
| eine [1][recht weitgehende Wahlrechtsreform] vor. | |
| Aber Union und SPD verständigten sich lieber [2][auf ein kleines | |
| Reförmchen]. Danach sollen bei der Wahl am Sonntag nun Überhang- und | |
| Ausgleichsmandate einer Partei zum großen Teil miteinander verrechnet, aber | |
| auch bis zu drei Überhangmandate nicht ausgeglichen werden. [3][Warnungen | |
| der Opposition], dass sich dadurch eine weitere Ausdehnung des Parlaments | |
| nicht verhindern lässt, schlugen sie in den Wind. | |
| Das könnte sich jetzt rächen. Verantwortlich dafür: der prognostizierte | |
| Zweitstimmeneinbruch der Union auf der einen und das relative | |
| Wiedererstarken der SPD auf der anderen Seite. Beides könnte dazu führen, | |
| dass es diesmal so viele Überhangmandate wie nie zuvor gibt. Besonders die | |
| CSU könnte zum Problem werden, da sie als Regionalpartei keine weiteren | |
| Landeslisten hat, mit denen ihre Überhänge verrechnet werden könnten. | |
| Auf der Basis von Umfragetrends hat die [4][Bertelsmann Stiftung mehrere | |
| Szenarien] durchgespielt, wie groß der kommende Bundestag sein könnte. | |
| Demnach sei auch ein „XXL-Bundestag“ mit deutlich mehr als 900 Abgeordneten | |
| möglich. Selbst einen neuen Bundestag mit mehr als 1.000 | |
| Parlamentarier:innen will Robert Vehrkamp, Wahlrechtsexperte bei der | |
| Bertelsmann Stiftung, nicht ausschließen. | |
| Wahrscheinlich ist das allerdings nicht. Die Internetseite | |
| [5][mandatsrechner.de], die die aktuellen [6][Umfrageergebnisse der | |
| Meinungsforschungsinstitute] mit [7][Wahlkreisprognosen] kombiniert, kommt | |
| derzeit auf eine Spanne zwischen 822 Sitzen (GMS) und 872 Sitzen | |
| (Kantar/Emnid). Allerdings gilt in fast der Hälfte der Wahlkreise das | |
| Rennen um das Direktmandat noch als völlig offen. Und beim | |
| Zweitstimmenergebnis soll es mitunter ohnehin vorkommen, dass die | |
| Wählerinnen und Wähler der Demoskopie ein Schnippchen schlagen. | |
| 24 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wahlrechtsreform-fuer-den-Bundestag/!5708409 | |
| [2] /GroKo-einigt-sich-auf-Wahlrechtsreform/!5704446 | |
| [3] /Linken-Politiker-ueber-Wahlrechtsreform/!5718897 | |
| [4] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/monitoring-der-demok… | |
| [5] https://www.mandatsrechner.de | |
| [6] https://www.wahlrecht.de/umfragen/ | |
| [7] https://www.election.de/cgi-bin/showforecast_btw21.pl?map=210917 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
| Pascal Beucker | |
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