| # taz.de -- Reaktionen auf die Corona-Proteste: Drei Polizisten sichern die Tür | |
| > Politiker zeigen sich bestürzt über Ereignisse am Reichstag. Dort hatten | |
| > am Samstagabend Corona-Leugner mit Reichsflaggen die Treppe gestürmt. | |
| Bild: Als die Polizei sich wieder einigermaßen sortiert hatte, setze sie Pfeff… | |
| Berlin dpa/taz | Politiker fast aller Parteien haben sich bestürzt gezeigt | |
| über die Ereignisse am Berliner Reichstag während der Proteste gegen die | |
| Corona-Maßnahmen. „Das Reichstagsgebäude ist die Wirkungsstätte unseres | |
| Parlaments und damit das symbolische Zentrum unserer freiheitlichen | |
| Demokratie. Dass Chaoten und Extremisten es für ihre Zwecke missbrauchen, | |
| ist unerträglich“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der Bild | |
| am Sonntag. | |
| Demonstranten gegen die staatliche Corona-Politik hatten am Samstagabend | |
| Absperrung der Polizei am Reichstagsgebäude in Berlin durchbrochen und | |
| waren auf die Reichstagstreppe gestürmt. Im Internet verbeitete Videos | |
| zeigen, [1][dass in dem Moment nur noch drei Polizisten die Glastüren des | |
| Parlamentsgebäudes sicherten]. Sie hielten die Menschen auf. | |
| Später setzt die Polizei Pfefferspray ein, es kam zu Rangeleien. Am | |
| Reichstagsgebäude hatte es zuvor eine Kundgebung gegeben. Bei Demonstranten | |
| waren auch zahlreiche von Reichsbürgern verwendeten schwarz-weiß-roten | |
| Reichsflaggen zu sehen. Die Polizei löste die Demo dann auf. Einsatzkräfte | |
| räumten den Platz vor dem Reichstagsgebäude und schoben die Demonstranten | |
| weg. | |
| Polizeisprecher Thilo Cablitz erklärte zur Situation vor dem | |
| Reichstagseingang: „Wir können nicht immer überall präsent sein, genau | |
| diese Lücke wurde genutzt, um hier die Absperrung zu übersteigen, zu | |
| durchbrechen, um dann auf die Treppe vor dem Reichstag zu kommen.“ | |
| „Meinungsvielfalt ist ein Markenzeichen einer gesunden Gesellschaft. Die | |
| Versammlungsfreiheit hat aber dort ihre Grenzen, wo staatliche Regeln mit | |
| Füßen getreten werden“, sagte Seehofer weiter. Außenminister [2][Heiko Maas | |
| (SPD) twitterte]: „Reichsflaggen vorm Parlament sind beschämend.“ | |
| SPD-Kanzlerkandidat [3][Olaf Scholz schrieb]: „Nazisymbole, Reichsbürger- & | |
| Kaiserreichflaggen haben vor dem Deutschen Bundestag rein gar nichts | |
| verloren.“ | |
| ## Verwunderung über den Verfassungsschutz | |
| Auf die Frage, ob es vielleicht besser gewesen wäre, die Demonstration zu | |
| verbieten, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, er wundere sich, dass | |
| der Verfassungsschutz nach eigenen Angaben im Vorfeld keine Hinweise darauf | |
| entdeckt habe, „dass hier Rechtsextreme versuchen, diese Demonstration zu | |
| unterwandern“. Die Bilder des Tages zeigten etwas anderes. „Das wird man | |
| sich nochmal genauer angucken müssen, warum diese Hinweise im Vorfeld | |
| anscheinend nicht vorlagen oder nicht vernünftig ausgewertet wurden“, sagte | |
| der SPD-Politiker bei „Bild live“. Nun werde im Ältestenrat des Bundestages | |
| zu klären sein, „wie Sicherheitskonzepte ausgesehen haben.“ | |
| Nach Schätzungen der Behörden nahmen [4][an den Protesten in der Stadt am | |
| Samstag insgesamt rund 38.000 Menschen teil]. Wie Innensenator Andreas | |
| Geisel (SPD) am Abend berichtete, wurden über den Tag verteilt rund 300 | |
| Menschen festgenommen, allein vor der russischen Botschaft etwa 200. Dort | |
| flogen unter anderem aus einer Menge von rund 3.000 sogenannten | |
| Reichsbürgern und Rechtsextremisten Steine und Flaschen auf die Polizei, | |
| wie er sagte. Laut Polizei gab es dort auch Gefangenenbefreiungen. Geisel | |
| bezeichnete die Ereignisse als vorhersehbar. „Es war erwartbar, was heute | |
| passiert ist“, sagte er am Samstagabend in den ARD-“Tagesthemen“. | |
| Festgenommen wurde vor der russischen Botschaft auch der Vegan-Koch Attila | |
| Hildmann, der sich selbst „ultrarechts“ und einen Verschwörungsprediger | |
| nennt. Zu den Hintergründen der Festnahme Hildmanns äußerte sich Geisel | |
| nicht. [5][Die Polizei hatte zuvor getwittert], sie habe wegen | |
| Flaschenwürfen, Gefangenenbefreiung und anderen Straftaten zahlreiche | |
| Menschen festgenommen. „Unter den Festgenommenen ist auch ein Autor veganer | |
| Kochbücher“, hieß es weiter. | |
| Im Laufe des Tages wurden auch Straßen vorübergehend blockiert, | |
| Absperrungen durchbrochen und ein Baucontainer angezündet, wie die Polizei | |
| weiter mitteilte. Sie war mit rund 3.000 Beamten im Einsatz. | |
| [6][Aufgerufen zum Protest] hatte die Stuttgarter Initiative Querdenken | |
| 711. Sie hatte [7][mit rund 22.000 Teilnehmern gerechnet], es kamen aber | |
| deutlich mehr. Es gab auch Gegenproteste, unter anderem aus der linken | |
| Szene. | |
| Einen geplanten Demonstrationszug am Mittag hatte die Polizei nicht starten | |
| lassen, weil die Mindestabstände zum Infektionsschutz nicht eingehalten | |
| wurden. Nach längeren Verhandlungen mit den Veranstaltern erklärte die | |
| Polizei, sie löse die Versammlung auf. Es bleibe „leider keine andere | |
| Möglichkeit“. Danach trug die Polizei Demonstranten weg, die auf der Straße | |
| sitzen blieben und nicht freiwillig gingen. | |
| Auf Transparenten forderten Teilnehmer den Rücktritt der Bundesregierung | |
| sowie ein Ende der Schutzauflagen und Alltagsbeschränkungen wegen der | |
| Corona-Pandemie. Auf Plakaten stand „Maulkorb-Demokratie – ohne uns“, | |
| „Stoppt den Corona-Wahnsinn“ und „Corona-Diktatur beenden“. Immer wieder | |
| skandierte die Menge „Widerstand“ und „Wir sind das Volk“. | |
| Auch AfD-Politiker und andere rechte Gruppen hatten zur Teilnahme | |
| aufgerufen. Am Brandenburger Tor und anderen Orten waren auch Flaggen mit | |
| Reichsadler, T-Shirts in Frakturschrift und andere Symbole von | |
| Rechtsextremisten zu sehen. Insgesamt versammelte sich aber auf der | |
| Friedrichstraße, wo die Demo starten sollte, und später an der Siegessäule | |
| eine breite Mischung von Bürgern, darunter Junge und Alte sowie auch | |
| Familien mit Kindern. | |
| ## Umfeld für Radikalisierung | |
| Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, warnte | |
| vor möglichen Folgen der Corona-Proteste. „Solche Demonstrationen sind für | |
| radikale Bewegungen ein ideales Umfeld, um immer mehr Menschen für ihre | |
| Ideologien zu gewinnen“, sagte Fiedler der „Rheinischen Post“. „Dort | |
| mischen sich Feinde der Demokratie mit Teilen der gesellschaftlichen Mitte, | |
| Verschwörungstheorien können so immer schneller um sich greifen.“ | |
| Eigentlich wollten die Berliner Behörden die Versammlungen verbieten, sie | |
| unterlagen jedoch vor Gerichten. Die Entscheidung des | |
| Oberverwaltungsgerichts Berlin gegen das Verbot wurde in der Nacht zum | |
| Samstag bekannt. Als Grund für die Verbotsverfügung hatte die Polizei | |
| angeführt, dass durch die Ansammlung Zehntausender Menschen – oft ohne | |
| Maske und Abstand – ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung | |
| entstehe. Das habe bereits die Demonstration gegen die Corona-Politik am 1. | |
| August in Berlin gezeigt, bei der die meisten Demonstranten bewusst | |
| Hygieneregeln ignoriert hätten. | |
| 30 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/MarcusSchwarze/status/1299777114821087233 | |
| [2] https://twitter.com/HeikoMaas/status/1299778431262044166 | |
| [3] https://twitter.com/OlafScholz/status/1299796174380072962 | |
| [4] /Protest-gegen-Coronamassnahmen-in-Berlin/!5710608 | |
| [5] https://twitter.com/PolizeiBerlin_E/status/1299745251943473152 | |
| [6] /Demo-gegen-Coronamassnahmen/!5707762 | |
| [7] /Coronaleugner-in-Berlin/!5710531 | |
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