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# taz.de -- Debatte für und wider Presseförderung: Das schmutzige Geld vom St…
> Die deutsche Presse soll Fördermittel bekommen. Viele fürchten um die
> journalistische Unabhängigkeit. Andere Länder zeigen, wie es gehen kann.
Bild: Die Politik (l.) möchte, dass ihre Sprechblasen von der Presse (r.) einf…
So richtig begeistert schien niemand zu sein, dabei klang der Beschluss gar
nicht schlecht. Mit 220 Millionen Euro soll in den kommenden Jahren die
[1][„digitale Transformation“] der Zeitungsverlage gefördert werden. Wie
genau, ist bisher unklar, dieser Tage stellt das Wirtschaftsministerium den
Verlegerverbänden ein erstes Konzept vor.
Undurchsichtig sei das alles, hochgefährlich und ein Tabubruch, schrieben
Beobachter, nachdem der Bundestag Anfang Juli in seinem zweiten
Nachtragshaushalt beschlossen hatte, deutsche Presseverlage künftig mit
staatlichen Mitteln zu unterstützen. Selbst die Zeitungsverleger vom BDZV
ließen nur lapidar verlauten: „Der Verband erkennt das Bemühen der
Regierung an“.
Diese Zurückhaltung verwundert nicht – auch wenn die Branche seit Jahren
über sinkende Auflagen und einbrechende Anzeigenerlöse klagt und
finanzielle Hilfe vom Staat gut gebrauchen könnte. Aber die Verlage
fürchten um ihre journalistische Glaubwürdigkeit. Denn der Schritt geht ins
Ungewisse. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wird eine
Regierung privaten Medienhäusern Geld zustecken. Und es stellt sich die
Frage, was das mit der Presse als demokratischer Instanz macht. Mit der
strikten Trennung von freier Presse und Staat, die unverhandelbar sein
müsste.
Können private Verlage überhaupt Geld vom Staat annehmen, ohne dass damit
automatisch ihre Unabhängigkeit infrage steht? Mathias Döpfner, der
Präsident des Verlegerverbands, höchstpersönlich wird gerne zitiert mit:
„Lieber Insolvenzen bei Zeitungen als der Verlust ihrer Unabhängigkeit
durch Subventionen.“ Das sitzt.
Ebenfalls besorgt äußert sich plötzlich die sonst eher pressefeindliche
AfD. Aus dem Vorstand erging am selben Tag wie der Bundestagsbeschluss eine
Pressemitteilung, in der von „Hofberichterstattung“ die Rede war – wenig
überraschend. Andere Stimmen im rechten Spektrum nahmen diesen Spin auf.
Aber man muss nicht rechts sein, um den Argwohn gegen Presseförderung zu
teilen.
Was ist also dran am Schreckensszenario? Klar ist: Es wäre naiv anzunehmen,
dass Politik überhaupt kein Interesse daran hat, Medien in ihrem Sinne zu
beeinflussen. Der Fall des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender
2009 löste beispielsweise eine heftige bundesweite Debatte über
parteipolitische Seilschaften im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Die
CDU-Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat hatte damals Brenders Vertrag nicht
verlängert. Deutschland reagiert also nicht ganz zu Unrecht allergisch auf
jede Form staatlicher Einflussnahme.
## Kann schiefgehen – muss aber nicht
In Österreich hingegen sieht es recht anders aus. Dort profitieren die
Zeitungsverlage – darunter derzeit vor allem die Boulevardmedien – von
großzügigen Anzeigen der Regierung und regierungsnaher Unternehmen. Stolze
178 Millionen Euro lässt der Staat so über Umwege, aber dennoch ganz
offiziell den Medien zukommen. Allein die Kronen Zeitung bekam 2018 rund 20
Millionen Euro aus diesem Topf [2][und dankte es der Regierung Kurz mit
regelmäßigen Titelbildern].
Auch Expert*innen kommen nicht umhin, hier von politischen Gefälligkeiten
und Einflussnahme zu sprechen. Laut „Media Pluralism Monitor“ galt das
[3][für die Mehrzahl der Länder, in denen der Staat Anzeigen in großem
Umfang schaltete]. Warum? „Weil ihnen der Rahmen fehlt, um sicherzustellen,
dass staatliche Werbung auf der Grundlage fairer und transparenter Regeln
an die Medien verteilt wird.“ Staatliche Förderung der Presse kann also
durchaus journalistische Unabhängigkeit gefährden, nur: Tut sie es
notwendigerweise?
Medienforscher verweisen bei dieser Frage gerne auf [4][Skandinavien]. Dort
gibt es seit Jahren vielfältige und intensive Förderprogramme –
gleichzeitig rangieren Schweden, Norwegen und Dänemark auf Ranglisten zur
Pressefreiheit stets auf den ersten Plätzen.
Die Forschung tut sich schwer mit einem einheitlichen Urteil. Doch so viel
scheint erwiesen: Entscheidend ist, wie eine staatliche Presseförderung
ausgestaltet ist. [5][Manuel Puppis], Professor für Mediensysteme und
Medienstrukturen im schweizerischen Freiburg, sagt: „Im Idealfall
entscheiden unabhängige Gremien über Anträge, die auf transparenten
Kriterien beruhen.“ Und zwar nicht etwa Kriterien, die bewerten, ob das
Medium inhaltlich gefälligen Journalismus pflegt, sondern objektiv
Überprüfbares. Etwa die Anzahl fest angestellter Journalist*innen, das
Verhältnis von redaktionellem Inhalt zu Anzeigen oder wie viele Texte die
Redaktion selbst erstellt.
## Vielfalt fördern, nicht die größten Verlage
Um zudem zu verhindern, dass die großen Verlage durch Förderung noch größer
werden und die Medienvielfalt ersticken, werden vor allem in Skandinavien
die auflagenstärksten Zeitungen aus bestimmten Förderprogrammen gestrichen.
Medienforscher Puppis geht noch weiter und plädiert für einen gegenläufigen
Ansatz: Je kleiner die Auflage, desto hoher müsse die Förderung sein.
Doch das Ganze ist natürlich komplexer. Presseförderung ist letztlich nur
ein Überbegriff. Es gibt reine Zustellförderungen, wie sie etwa der BDZV
bevorzugt. Dann Verlagsförderung, bei der Gelder nach unterschiedlichen
Verteilungsschlüsseln direkt an die Häuser fließen. Und nicht zuletzt
werden in manchen Ländern auch innovative journalistische Projekte mit
Anschubfinanzierungen unterstützt. Dazu kommen indirekte Hilfen wie
Steuervorteile – gegen die hat übrigens auch Mathias Döpfner nichts
einzuwenden.
In vielen europäischen Staaten haben sich ganz unterschiedliche
Ausformungen all dieser Varianten etabliert, als millionenschwere
Subventionen. Dass in Deutschland dies als Tabu empfunden wird, ist aus
Sicht vieler Nachbarn kaum nachvollziehbar. „Es verwundert, wie ablehnend
in der Bundesrepublik über eine direkte Förderung gesprochen wird“, sagt
Manuel Puppis.
Er verweist auf die in Deutschland bereits existierende
Mehrwertsteuersenkung für Presseerzeugnisse – das sei zwar eine indirekte,
aber finanziell durchaus starke Form der Subvention. In Skandinavien, wo
entsprechende Daten vorliegen, übertrifft die jährliche Steuerersparnis
denn auch bei Weitem die direkt ausgezahlten Fördersummen. Während
norwegische Verlage 2018 etwa 280 Millionen Euro an Mehrwertsteuer sparten,
flossen nur 30 Millionen direkt vom Staat auf ihre Konten. In Deutschland
dürfte es bei einer künftigen Förderung ähnlich sein.
## Mit Qualität hat das nichts zu tun
Bleibt die Frage, was Presseförderung überhaupt bringt. Die Forschung hat
in dieser Hinsicht noch einiges aufzuholen – umfassende empirische Arbeiten
gibt es kaum. Manuel Puppis hat für eine Studie im Auftrag der Schweizer
Regierung zuletzt mehrere europäische Fördersysteme verglichen. „Man muss
das pragmatisch sehen“, sagt der Medienwissenschaftler. „Die Medienkrise
lässt sich damit nicht aufhalten. Aber gerade in kleineren Märkten hat es
lange geholfen, eine gewisse Vielfalt zu erhalten. Jetzt trägt es eben zum
Überleben derjenigen bei, die noch da sind.“ Besserer Journalismus entstehe
aber nach bisherigen Erkenntnissen auf diese Weise nicht.
Medienforscher [6][Christopher Buschow] von der Universität Weimar stellt
fest, dass die klassischen Subventionsmodelle mittlerweile europaweit in
die Kritik geraten seien – und das zu Recht. „Sie hängen die Verlage an den
Tropf und schaffen überhaupt keine Anreize, sich zu verändern“, sagt
Buschow, der sich vor allem mit Innovationen im Journalismus beschäftigt.
Er bevorzuge Ansätze, die innovative Projekte belohnten und nicht den
Status quo zementierten.
Beim Lobbyverband BDZV bleibt man indes dabei: Wenn es überhaupt
Subventionen geben müsse, dann bitte für die immer teurer werdende
[7][Zustellung der gedruckten Zeitung]. Manuel Puppis kann diesen Wunsch
verstehen. Kurzfristig sei diese Hilfe sicher sinnvoll. „Was ich aber nicht
verstehen kann, ist, dass sich die Verlage so gegen Innovationsförderung
wehren“, sagt der Medienforscher. Er findet ebenfalls: Eine Mischung dieser
Ansätze würde den nachhaltigsten Erfolg versprechen.
Wer sich in der Branche umhört, ahnt allerdings, woran es hapert. Offenbar
ist der Druck für einen radikalen digitalen Umbruch noch nicht groß genug –
zwei bis drei Jahre seien die meisten Häuser von diesem Ziel noch entfernt.
Heißt: Trotz all der Klagen geht es vielen Verlegern mit ihrem
Printgeschäft wohl einfach noch zu gut.
9 Aug 2020
## LINKS
[1] /Bundesregierung-will-Presse-foerdern/!5694306
[2] /Pressefoerderung-in-Oesterreich/!5677168
[3] https://cmpf.eui.eu/mpm2020-results/
[4] /Zeitungskrise-in-Schweden/!5650498
[5] https://twitter.com/manuelpuppis
[6] https://twitter.com/chrias
[7] /Prekaere-Arbeit-in-Berlin/!5586778
## AUTOREN
Alexander Graf
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